Sinja und der siebenfache Sonnenkreis. Andreas Milanowski
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Sinja und der siebenfache Sonnenkreis - Andreas Milanowski страница 15
„Hinandua, weiser Meister, ist es das, was du uns gelehrt hast? Zum Schwert zu greifen, wo wir noch nichts wissen von Schwertern des Feindes? Sollen wir in eine Schlacht ziehen, ohne zu wissen, wer unser Gegner ist und mit welchen Waffen er kämpft? Sollen wir einen erneuten Krieg beginnen, wo wir noch gar nicht wissen, ob wir ihn überhaupt führen müssen?“ Dann drehte er sich herum und wandte sich mit bebender Stimme an die übrigen Ratsmitglieder.
„Mit dem Schwert gegen einen unbekannten Gegner ziehen. Kampf um des Kampfes willen? Krieg, um des Krieges willen? Ist es das, was der weise Hinandua uns gelehrt hat? Oder ist es die Klugheit, in Ruhe zu beobachten, um im rechten Moment das Richtige zu tun?
Ich denke, das ist es, was Hinandua uns Elfen allezeit mit auf den Weg gab. Dass Klugheit und scharfe Sinne oft stärkere Waffen sind, als das beste Schwert. Wollt ihr Doriando, meine Freunde und mich wirklich in einen Kampf schicken ohne dass wir uns darauf angemessen vorbereiten? Wollt nicht auch ihr, dass wir möglichst viele Kräfte vereinen, um dann nach Fasolanda zu gehen und zu tun, was notwendig ist? Viel darf uns die ehrwürdige Gisandela unterstellen, aber nicht, dass wir aus Verzagtheit oder Wankelmut den Kampf vermeiden. Wenn er geführt werden muss, dann sind wir Elfen von Engil die ersten, die zum Bogen greifen. Doch so weit ist es nicht. Daher bitte ich euch: Lasst uns nach Engil zurückkehren, unsere Freunde benachrichtigen und mit frischen Kräften die Reise antreten!“ „Feiglinge!“, schrie Gisandela und sprang auf. Ihre Augen funkelten vor Kampfeslust.
„Ehrwürdige Mitglieder des Rates! Ich bitte euch“, schritt Hinandua ein. Er hob beide Arme. Allmählich beruhigten sich die Anwesenden. Diejenigen, die bei Gisandelas Worten aufgesprungen waren, nahmen ihre Plätze wieder ein.
„Meine lieben Söhne! Gisandela ist Mitglied dieses Rates als Vertreterin einer der besten Sippen der Fanandu. Ihr Vater, Fislandor, war ein angesehener Anführer unserer Soldaten. Ihre Mutter Amandel ist die Tochter des ehemaligen Präfekten von Windigerèn. Aus ihren Worten, da bin ich sicher, spricht nicht Hass. Aus ihnen spricht der Stolz auf Ildindors Geschichte und seine einstige Macht und sie hat recht. Ich sage euch, Fanandu, das Volk der Elfen, hat in seiner Geschichte Großes und Großartiges vollbracht. Unsere Fürsten herrschten über Territorien jenseits des großen Meeres, besaßen unermessliche Reichtümer. Unsere Meister beherrschten die Kunst der weißen Magie. Unsere Gelehrten schrieben unsere Geschichten in tausende von Büchern und unsere Geschichten wurden zu unserer Geschichte. Das Volk der Fanandua schuf Bauwerke von nie gekannter, ewiger Schönheit. Häuser, Paläste, Brücken und Plätze, die noch heute ihresgleichen suchen in allen Welten. Es gibt keinen Grund, warum wir nicht stolz sein sollten auf diese Leistungen. Und doch haben wir nicht nur Grund, stolz zu sein auf unsere frühere Stärke. Wir haben mindestens genauso viel Grund, stolz zu sein auf unsere Gegenwart. Nicht nur auf das, was wir waren. Auch auf das, was wir sind: ein starkes Volk inmitten starker Völker, in dem jeder seine Stimme hat. Ein Volk, das in Frieden, Respekt und gegenseitiger Achtung mit seinen Nachbarn lebt. Das ist in dieser gefährlichen Welt nicht selbstverständlich. Doch ich höre aus den Worten Gisandelas auch Furcht. Die Furcht vor dem Unbekannten. Furcht vor dem Finsteren. Vor dem, der sein Gesicht nie zeigt. Vor dem, der uns nicht wissen lassen will, wer er ist und was er ist. Aber ich sage euch: er will genau, was wir gerade tun – er will, dass wir uns entzweien.
Cichianon, mein Lieber! Auch ich bin der Ansicht, dass wir diesem Unbekannten zunächst am besten dadurch begegnen, dass wir ihn kennenlernen. Das bedeutet für euch, nach Fasolanda zu gehen, Kontakt zur Königin aufzunehmen und zu den Mitgliedern des Kreises der Weisen, denen wir noch vertrauen können. Dies ist der Auftrag, den euch der Rat erteilt. Diese Aufgabe wird schwierig genug und erfordert sicherlich nicht den Einsatz eines Schwertes. Wenigstens nicht eines Schwertes, das aus Eisen geschmiedet ist. Der Geist Ferendils wird euch begleiten als eine Erinnerung daran, dass das Schwert des Verstandes zuweilen schärfer ist, als die Klinge aus Stahl.“
Er hob das Schwert der Könige in die Höhe und betrachtete es von allen Seiten.
„Denkt an Ferendil und versucht, die Dinge in Fasolanda so zu regeln, dass diese Waffe keine blutigen Wunden mehr schlagen muss. Wenn euch dies gelänge, wäre das ein großartiger Sieg! Und jetzt geht! Ruht in den Türmen von Ildindor und brecht auf, sobald die Sonnen ihren Tanz beginnen! Und du, Gisandela, gib dem Schwert von Ildindor seinen Platz in der Halle der Ahnen zurück.“
Gisandela trat vor Hinanduas Thron und beugte ihr Knie. Er legte Ferendil zurück in ihre Hände und sagte leise, fast flüsternd: „Hoffen wir, dass wir mit diesem Schwert nicht noch einmal gegen den Feind ziehen müssen! Der letzte Krieg hat zu viele Leben gekostet!“
Damit löste Hinandua die Zusammenkunft des Rates auf. Gisandela nahm das Schwert der Könige an sich und verließ grußlos die Halle.
13 Die Türme von Ildindor
Nach dem Ende der Versammlung waren Cichianon und Doriando zügig ins Freie geeilt. Es war dunkel geworden. Die silbern leuchtende Mondscheibe stand über dem Horizont. Eine Marmortreppe führte sie aus der Senke heraus, fort von der Halle des Gildanmir. Als sie die letzten Stufen der Treppe erreicht hatten, sahen sie in der Ferne Ildindor, die alte Fürstenstadt der Elfen in strahlendem Glanz. Wo vorher bedrohlich dunkle, hohe Tannen sich spitz wie Speere in den Himmel gebohrt hatten, streckten sich jetzt hell erleuchtete, schlanke Türme zwischen den Bäumen in die Höhe.
„Bei allen Geistern der vier Elemente! Das ist Ithildim faelen. Ildindor, die Mondbeglänzte! Jetzt weiß ich endlich, was dieser Beiname bedeutet!“, sagte Cichianon, als er die Stadt aus der Ferne bewunderte, „das funkelt und strahlt, als hätte einer eine Schatztruhe geöffnet. Ich bin wirklich froh, dass ich das mal sehen darf!“
„…und ich bin froh, dass du nach dem ganzen Ratsgeschwafel wieder normal geworden bist! Ooooh Hinandua, mein weiser Lehrer!“, äffte Doriando Cichianon mit großer Theatergeste nach, „ich hatte schon befürchtet, dass du jetzt nur noch so geschwollenen Kram daherredest!“ Er boxte den Freund übermütig auf den Arm, warf seinen blonden Pferdeschwanz mit einer Hand über die Schulter, griff mit der anderen seinen Bogen. Dann nahm er drei Stufen auf einmal und rief Cichianon, der stehen geblieben war, zu: „Der weise Hinandua scheint mir ein wenig alt geworden! Er hat die Sache nicht mehr im Griff!“
„So dürfen wir nicht urteilen, Doriando“, antwortete Cichianon. „Vertraue ihm. Er weiß, was er tut und wann es Zeit ist, damit aufzuhören.“
„Ich hoffe, du hast recht und wir vertrauen dem Richtigen. Und jetzt lass´ uns endlich in die Stadt gehen und einen Platz zum Schlafen suchen, damit wir bei Sonnenaufgang nach Engil zurückreiten können! Ich fühle mich hier nicht besonders wohl. Zuviel Politik, Diplomatie und Intrigen!“
Cichianon hatte nicht mehr zugehört. Er stand auf der obersten Stufe der Marmortreppe und staunte mit großen Augen und offenem Mund das Wunder an, dass er soeben erblickte. Doriando blieb ebenfalls stehen. Er sah den Freund verständnislos an.
„Hey, was ist los mit dir? Das sind nur ein paar Lichter.“
„Sag´ mal, Doriando, hast du diese Türme sehen können, als wir hier angekommen sind?“
„Nein, aber du kannst sie gleich aus der Nähe sehen, wenn du mir jetzt endlich folgst. Diese Gebilde dort sind wie Sterne am Himmel. Im Dunklen kommen sie heraus. Das hat angeblich mit dem Staub zu tun, den Gildanmir aus dem Weltall mitgebracht hat. Als er auf die Erde gestürzt ist, hat sich das Zeug überall in der Umgebung verteilt, vor allem dort hinten im Wald. Im Sonnenlicht ist es unsichtbar, aber wenn es vom Mondlicht angestrahlt wird, beginnt es zu glitzern. Dann siehst du die Türme der Stadt zwischen den Bäumen. So habe ich es jedenfalls gehört!“
„Ja,