Waisenjunge. Harald Skrobek

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Waisenjunge - Harald Skrobek

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trauerte nämlich dem Pfeil und Bogen nach, den er Jonny überlassen hatte. Er beschloss, sich eine solche Jagdwaffe selbst zu fertigen. Er holte zunächst den Zeichenblock hervor und zeichnete darauf aus dem Gedächtnis einen Bogen, wie er ihn als 14-jähriger bei seinem Freund, dem Japaner, gesehen hatte. Dieser Bogen schien ihm raffinierter zu sein als der Indianerbogen. Er fahndete und fand im Wald einen etwa vier Zentimeter dicken, etwa eineinhalb Meter langen, gerade gewachsenen Hickory-Trieb. Diesen Trieb schälte er und trocknete ihn langsam, eingehüllt in warme Asche. Nun begann er jede freie Minute mit seinem rasiermesserscharfen Bowie-Messer daran zu schnitzen. Er arbeitete zunächst das Mittelstück heraus. Dann brachte er die linke und rechte Seite, indem er oben und unten einen Span abhobelte, auf gleichmäßige zweieinhalb Zentimeter. Schließlich wurden die Seiten, mit Ausnahme der Enden, in der Dicke und in der Breite gleichmäßig verjüngt, bis der Bogen beim Spannen eine gleichmäßige Biegung aufwies. Zuletzt kerbte er noch die Enden ein, um die Sehne befestigen zu können, schabte die Oberfläche glatt und rieb den Bogen mit Biberfett ein.

      Die Bogen-Sehnen stellte er aus den Därmen des Gabelbocks, die Pfeile aus ein Zentimeter dicken Hickory-Stöcken, Nägeln, Bindedraht, Baumharz sowie Entenfedern her. Zuletzt nähte er sich aus der Haut des Bocks noch einen Köcher.

      *

      Inzwischen hatte der Winter Einzug gehalten; ein trockener Winter. Den Boden bedeckte eine 30 Zentimeter dicke Schicht Pulverschnees, des Nachts sank die Temperatur auf minus 30 Grad Celsius. Tagsüber schien eine bleiche Sonne von einem wolkenlosen Himmel.

      Dave lernte nach und nach von Peter, sich im unendlichen Waldgebiet zurechtzufinden, sowie alles über Tierspuren und das Fallenstellen. Jeden Tag gingen ihnen mindestens zwei Biber oder Nutrias in die Fallen. Sie hatten jetzt Frischfleisch im Überfluss und froren einen Teil davon für die Schlecht-Wetter-Zeiten ein.

      Sobald Dave seinen Bogen fertig hatte, ging er damit auf Jagd. Sein Gewehr hängte er derweil an den Nagel. Seinen Revolver dazu zu hängen, konnte er sich allerdings nicht entschließen. Wie recht er damit hatte, sollte sich noch erweisen.

      Er merkte sofort, dass sein Bogen mehr Zugkraft erforderte als der Indianerbogen. Die Pfeile schnellten damit schneller von der Sehne. So brauchte er tatsächlich auf fünfzig Meter das Visier nur minimal erhöhen, um das Ziel mit gehöriger Wucht zu treffen. Er gewöhnte sich schnell daran. Seinen zweiten Gabelbock erlegte er mit Pfeil und Bogen.

      Dann fing es kräftig an zu schneien. Während des Schneefalls war es nicht möglich, sich im Wald zu orientieren; sie mussten in ihrer Hütte bleiben. Sie vertrieben sich die Zeit mit Unterhalten, mit dem Rezitieren von Gedichten, mit Singen, Mundharmonika-, Banjo- und Kartenspielen.

      Diese räumliche Nähe bewirkte, dass sie sich auch menschlich näherkamen. Beiden fiel fast gleichzeitig auf, wie ähnlich im Denken oder in den Gesten sie sich waren. Zuerst fiel das beim Kartenspielen auf. Obwohl Dave in seinem bisherigen Leben nur gelegentlich und dann ohne Enthusiasmus Karten gespielt hatte, erriet er jetzt fast jeden von Peters Bluffs im Voraus. Umgekehrt war es genauso.

      Als der Schneefall aufhörte, schaufelte Dave als Erstes voller Tatendrang den Platz um die Hüte schneefrei. Dann schnallte er sich seine Schneeschuhe unter, spannte den Bogen und ging auf die Jagd. Unter den hohen Bäumen lag der Schnee nicht so hoch und er fand im nu erste Tierspuren. Es gelang ihm unbemerkt an eine Schar von Truthähnen samt Truthennen heranzukommen. Er erschoss gerade den ersten Truthahn als er hinter sich ein leichtes Fauchen vernahm. Er drehte sich vorsichtig um und sah keine fünf Meter von sich entfernt einen sprungbereiten Puma kauern. Dann passierten vier Dinge gleichzeitig: Dave stieß einen japanischen Kampfschrei aus, zog blitzschnell seinen Colt, gab kurz hintereinander zwei Schüsse ab, so dass sie sich wie ein Schuss anhörten, und vollführte eine Seitfallrolle, so dass er hinter einem Baum zu stehen kam, bereit wieder zu feuern. Doch Dave konnte seinen Revolver wegstecken. Der Kopf des Pumas bäumte sich grotesk auf, der totbringende Sprung wurde wie von Geisterhand abrupt abgebremst, als das Raubtier auf dem Boden auftraf, war es bereits tot. Die beiden Kugeln hatten den Weg über die Augen bis ins Gehirn gefunden.

      Als schon alles vorbei war, begann Daves Puls doch etwas schneller zu schlagen. Es stellte sich bei ihm im Nachhinein ein Respekt für die wilde, gefährliche Tierwelt ein. Er suchte und fand einen abgebrochenen Ast mit verzweigtem Geäst daran. Auf dieses Geäst zerrte er den Kadaver, legte den erlegten Truthahn dazu und schleifte seine Beute durch den Schnee zur Hütte.

      Peter hatte von den Schüssen nichts gehört. Deren Geräusch wurde offensichtlich von den schneebedeckten Bäumen gänzlich verschluckt. Jetzt staunte er Daves Beute minutenlang wortlos an. „Das habe ich all die Jahre noch nie erlebt. Wahrscheinlich liegt in den Bergen so viel Schnee, dass die Pumas weiter unten nach Beute suchen. Ich bin froh, dass ich nicht an deiner Stelle war. Ab jetzt müssen wir immer zu zweit nach den Fallen gucken gehen.“

      Dave suchte sich am Lichtungsrand einen geeigneten Baum, warf zwei Seile über tragfähige Äste und band mit deren Enden die Hinterbeine des Pumas fest. Zu zweit hievten sie den Kadaver nach oben, bis er frei in der Luft hing, und häuteten ihn ab. „Für dieses Fell können wir viel verlangen; es ist gänzlich unbeschädigt,“ meinte Peter.

      Sie schabten das Fell sauber und spannten es zum Trocknen aus. Von dem Fleisch aßen sie nur die rohe Leber. Diese Praxis hatte sich Peter von den Indianern am Missouri abgeguckt, angeblich half das gegen Skorbut. Den Rest des Fleisches ließen sie gefrieren und zerrten ihn dann weg von der Hütte, in den Wald.

      „Das ist ein ausgezeichneter, ergiebiger Köder! Ich könnte mir vorstellen, dass er so manchen Pelzträger anlocken wird, zum Beispiel einen Vielfraß, Waschbären, Füchse. Du jagst doch so gern mit Pfeil und Bogen, brauchst Dich also nur gegen den Wind anzuschleichen und drauflos zu schießen.“

      Den Truthahn hängten sie in der Hütte auf. Zum einen schmeckte das abgehangene Fleisch besser, zum anderen ließen sich dann die Federn leichter ausrupfen. Einige der Federn stellten zudem einen nicht zu vernachlässigenden Verkaufswert dar.

      *

      Es war Anfang März geworden. Die Tage wurden länger. Sie hatten genügend Felle beisammen, mussten aber mit ihrer Rückfahrt noch warten, bis keine Eisschollen mehr auf den Flüssen trieben.

      Besonders Peter fieberte der Rückfahrt entgegen. Seit eineinhalb Monaten hatte sich sein Husten verstärkt und er bekam immer weniger Luft in die Lungen. An lange Märsche oder längere Anstrengungen war nicht zu denken. Dave fühlte mit ihm.

      „Mir geht es genauso wie meinem Ex-Partner. Ich nehme stark an, wir haben uns die Krankheit am Missouri eingefangen. Wir haben dort ein fürchterliches Kraut geraucht, geraucht, wie die Schlote, und jede Menge Fusel getrunken. Vielleicht haben wir uns aber auch mit einer Lungenkrankheit angesteckt, was weiß ich. Obwohl wir mit dem Saufen und Rauchen, solange wir hier waren, aufgehört hatten, konnte von der Verbesserung unseres Gesundheitszustands nicht die Rede sein. Ich habe Dir erzählt, er sei bei einem Mädchen gestorben, das stimmt nur zur Hälfte. Seine Lungen waren verschleimt. er bekam kaum noch Luft und hatte starke Brustschmerzen. Der Doktor in Albuquerque hat ihm Laudanum verschrieben, zur Entspannung und gegen die Schmerzen. Unter Medikamenten-Einfluss wollte er noch einmal Liebe machen, und dabei ist es passiert.“

      Peter machte eine Atempause.

      „Nun geht es mir genauso. Es wird Zeit, meine Verhältnisse zu ordnen.“

      Peter machte wieder eine Pause und fing zu Daves Überraschung mit einem anderen Thema an.

      „Du hat gesagt, Du heißt mit Nachnamen Andrews. Kommst Du aus Virginia und war Dein Vater Pastor?“

      Dave war ob dieser Frage verblüfft. Er war sich

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