Waisenjunge. Harald Skrobek

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Waisenjunge - Harald Skrobek

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ankamen, stank die Leiche schon erbärmlich.

      Sie wurden von Robins Vater, seiner Mutter und dessen Bruder auf der Ranch empfangen. Dave übernahm es, über Robins Tod zu berichten und dessen Wusch, zu Hause beerdigt zu werden. Robins Vater und Bruder hörten sich ihre Geschichte mit ausdruckslosen Gesichtern an. Sie hatten den Mund fest zugekniffen. Die Mutter begann zu schluchzen. Lange sagte keiner ein Wort. Schließlich rief der Vater einen Mexikaner herein und ordnete an, er solle auf dem Familienfriedhof ein Grab ausheben.

      Nach der Beerdigung folgte ein überaus üppiger Leichenschmaus, an dem alle Frauen und Männer teilnahmen, die auf der Ranch beschäftigt waren. Am Ende traf sich der Delarosas-Clan in einem geräumigen, mit teuren ausländischen Möbeln und Ledergarnituren ausstaffierten Salon.

      Wieder war es an Dave, das Wort zu ergreifen. Dank seines guten Gedächtnisses und seines Sinns für Dramatik gelang es ihm, seine Zuhörer zu fesseln. Während er von ihren Kriegserlebnissen erzählte, entdeckte er mit Erstaunen sein erzählerisches Talent. Als er von Robins letzter Kavallerieattacke berichtete, merkte er, wie Robins Vater sich kerzengerade aufrichtete. Tränen der Rührung traten in seine Augen. Am nächsten Tag zierte Robins Kavallerie-Säbel eine der Wände des Salons.

      *

      Dave und Jonny blieben vier Wochen auf der Delarosa- Ranch. Dave erlernte in dieser Zeit die Grundzüge der Rinderzucht und die Handhabung eines Lassos. Ferner verbesserte er seine Spanisch-Kenntnisse. Über Langeweile konnte er sich also nicht beklagen, zumal er vom Nachwuchs der Delarosas pausenlos in Beschlag genommen wurde. Den Jungen musste er immer wieder seine Fertigkeiten vorführen, einen Revolver zu ziehen und damit zu treffen sowie ein Messer, ein Scheit Holz oder auch einen Stein zielgenau zu werfen. Ferner unterrichtete er sie in japanischer Kampftechnik. Die Mädchen himmelten ihn an, auch wegen der kurzweiligen, lustigen Geschichten, die er sich ausdachte und ihnen erzählte. Der Versuch, mit einem kessen mexikanischen Stubenmädchen anzubandeln, scheiterte an ihrer erzkatholischen Erziehung. Es blieb bei einem Flirt.

      Er nutzte die Zeit, um einige Briefe an seine Mutter zu schreiben. Die Delarosas versprachen, diese bei Gelegenheit einer Postkutsche mitzugeben.

      Dann machten sie sich, neu beritten und mit zwei Packpferden versehen, in Richtung Süden auf. Jonny zog es zu seiner Mutter. „Ich fühle, dass sie mich noch einmal sehen will, bevor sie sich auf die Reise zu unseren Ahnen aufmacht,“ sagte er in bedächtigem, ernstem Ton.

      Dave sträubten sich die Haare, sobald er die ganze Tragweite dieser Aussage verinnerlicht hatte. ‚Wie kann man solche Dinge fühlen,‘ fragte er sich. ‚Wenn die Indianer das tatsächlich können, sind sie uns hierin weit überlegen.‘

      *

      Die Delarosa-Ranch lag im Norden von Texas. Sie mussten in den Südwesten. Sie überquerten einige Quellflüsse des Red Rivers und machten einen Bogen um das Llano Estacado. Sie ritten durch spärlich besiedeltes Hügelland. Talsenke folgte auf Talsenke, so ging das endlos. Das Land schien kein Ende zu nehmen. Kamen sie an einer Ranch oder an einer kleinen Ortschaft vorbei, füllten sie ihre Vorräte auf, vor allem Bohnen und Mehl. Mit Fleisch versorgten sie sich selber; Präriehasen und Kojoten schienen die im Schritt daherkommenden Reiter nicht als Fressfeinde zu betrachten.

      Eines Abends am Lagerfeuer erzählte Jonny Dave seine Geschichte:

      Sein Vater sei Engländer gewesen und hieß Jonathan Jones. Er stammte wohl aus einem reichen Hause. Damals war die Zeit, in der vor allem Engländer aufbrachen, um überall in der Welt unerforschte Landstriche zu bereisen. Im Alter von 25 Jahren beschloss Jonathan nach Amerika zu segeln und hier im „wilden Westen“ bis zu den dort lebenden Indianern vorzustoßen. Das war im Jahre 1820, ein Jahr, bevor Mexico unabhängig von Spanien wurde. Jonathan fand die Indianer nicht, aber sie fanden ihn. Sein Pferd hatte sich im Gebirge das Bein gebrochen und so musste er sich zu Fuß auf den weiteren Weg machen. Die Apachen fanden ihn völlig entkräftet und halb verhungert in einer Schlucht und nahmen ihn mit in ihr Zelt-Dorf. Er war ein gutaussehender Bursche und beschloss, eine Zeit lang bei den Apachen zu leben. Die Tochter des Häuptlings und Medizinmannes, Heller Stern, verguckte sich in ihn und er in sie. Sie bezogen ein gemeinsames Tipi; ein Jahr später wurde ihr Sohn geboren. Sie nannten ihn nach seinem Vater, riefen ihn aber Jonny. Das Paar bekam noch eine Tochter, die aber als Säugling starb. Als Jonny 5 Jahre alt war, fiel sein Vater in einem Gefecht mit den Komantschen.

      Seine Mutter heiratete Ulzana, der später Unterhäuptling der Chokonen werden sollte. Jonny bekam in der Folge 3 Halbbrüder und 2 Halbschwestern. Ulzana behandelte ihn wie einen Fremdkörper. Er schlug ihn regelmäßig. Als Jonny 15 wurde und die Mannbarkeits-Prüfung bestanden hatte, also zum vollwertigen Krieger avancierte, kleidete er sich wie ein Weißer und ritt davon. Er nannte sich fortan Jonny Jones und trat als Freiwilliger in die texanische Armee ein. Er kämpfte mit dieser erfolgreich gegen die Mexikaner, die die Schmach ihrer Niederlage vom 21. April 1836 nicht verkraften konnten. Texas wurde unabhängig.

      Als 1845 Texas in die USA aufgenommen wurde und die texanische Armee mit der Bundesarmee verschmolz, wurde auch Jonny übernommen. Er diente als Scout und kam im Kampf gegen die Sioux zum Einsatz. Hier lernte er Robin Delarosas kennen und schätzen. Er folgte ihm als sich 1861 die US-Armee in eine Nord- und eine Süd Armee aufspaltete und gegeneinander ins Feld zog.

      *

      Sie kamen ins Gebirge und damit ins Apachen-Gebiet. Eines Abends versetzte sich Jonny in Trance und versuchte, gedanklich Kontakt zu seiner Mutter aufzunehmen. Am nächsten Morgen gebot er Dave, seine Bison-Büchse und seinen Revolver, so wie er selbst, in Decken zu packen und auf dem Packpferd zu verstauen. Die einzige Waffe, die sie am Leib trugen, war fortan das Messer. Jonny lenkte sein Pferd zielsicher in eine enge Schlucht. Er ignorierte die Wachen, die sich hinter den Felsen versteckt hielten, von ihm aber sehr wohl entdeckte wurden, und ritt unbeirrt weiter. Die Schlucht weitete sich zu einem großen, grünen Tal.

      Am Ende des Tales befand sich eine Anzahl Tipis. Sie wurden schon erwartet. Links und rechts hatte sich eine Anzahl junger Krieger, bewaffnet mit Pfeil und Bogen in Stellung gebracht. Sie ritten geradewegs auf das große Versammlungszelt zu. Jonny erkannte schon von weitem seinen Stiefvater Ulzana, ohne das umgekehrt der ihn, seiner Aufmachung wegen, auch erkannt hätte. Sie stiegen von den Pferden ab, aber ehe ein Wort gefallen wäre, kam eine alte, hinfällige Frau angehumpelt und fiel Jonny um den Hals.

      Schweigen breitete sich aus. Selbst das allgemeine Rumoren verstummte. Jetzt, nachdem er seinen Hut abgenommen hatte, erkannte auch Ulzana seinen Stiefsohn wieder. Das Wiedersehen nach so vielen Jahren verschlug ihm die Sprache. „Jonny, du?“ - brachte er gerade noch heraus. Seine Mutter strich Jonny immer wieder über das Gesicht. So, als wollte sie sich versichern, dass er es wirklich war. „Mein Sohn, mein Sohn,“ stammelte sie in einem fort.

      Jonny kämpfte mit seinen Gefühlen. Das war alles schon so lange her. Doch nun kamen die Erinnerungen wieder hoch. Er erinnerte sich, wie seine Mutter, immer wenn sein Stiefvater ihn geschlagen hatte, ihn durch die Berührung ihrer Hände tröstete. Wie hatte Jonny sie dafür geliebt! Und er liebte sie immer noch! All die Jahre hatte er ihr Bild in seinen Gedanken aufbewahrt, das Bild einer schönen, stolzen, energischen Frau. Nun fiel es ihm nicht schwer, dieses Bild auf die hinfällige, zerknitterte Gestalt, die seine Mutter war, zu projizieren. Er fühlte deutlich, dass sie sich nur deshalb am Leben gehalten hatte, um ihn noch einmal zu sehen.

      Die drei wurden nach und nach von Jonnys Halbgeschwistern und den übrigen Dorfbewohnern umringt. Man setzte sich vor dem großen Zelt auf die Erde. Alle, alte und junge, bildeten um sie einen Kreis und Jonny musste erzählen. Er berichtete knapp von seinen Kämpfen gegen die Mexikaner und dann vom großen Krieg mit seinen Bergen von Toten. Er verzichtete darauf, ihnen darzulegen, über welches geradezu unerschöpfliche Reservoir an Soldaten und Waffen die Weißen verfügten. Er kannte ihre diesbezügliche

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