Waisenjunge. Harald Skrobek

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Waisenjunge - Harald Skrobek

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im Westen ließ sich nur erahnen. Das Schiff schnitt mühelos in die etwa 5 m hohen, schaumbedeckten Wellen und schien sie zu überholen. Er atmete tief die salzige Luft ein und fühlte sich frei.

      Die erste Nacht hielt er es in der schwankenden Koje nicht aus. Er zog sich das Ölzeug über, das ihm der Skipper zur Verfügung gestellt hatte, und balancierte an Deck. Er traf dort den Skipper und den Steuermann an, die beide mit einem eigenartigen Gerät vor Augen, angestrengt in den sternklaren Himmel starrten. Das Gerät hatte eine Skala, die beide ablasen, um danach die abgelesenen Ergebnisse miteinander zu vergleichen. Sie nickten, als ihre Ergebnisse übereinstimmten. Tom sah sie mit neugierigen Augen an, so dass beide lächeln mussten.

      „Was wir hier haben, ist ein Sextant. Damit kann man Winkel messen,“ - klärte der Skipper ihn auf. Tom verstand gar nichts. Er überlegte fieberhaft, welchen Winkel man wohl messen könnte und wozu.

      „Wir brauchen die Messung, um unsere Position zu bestimmen. Ohne Seekarten und ohne unsere genaue Position zu kennen, sind wir auf dem Meer verloren.“

      Tom begann vor Aufregung zu schwitzen. Darüber, wie man sich mitten auf dem Meer zurechtfindet, hatte er bisher noch nicht nachgedacht. Er wagte nicht danach zu fragen und zog sich stattdessen kleinlaut in seine Koje zurück. Die beiden Seemänner sahen ihm, sich gegenseitig mit den Augen zuzwinkernd, nach.

      *

      In den folgenden Tagen lernte Tom nicht nur jeden Winkel des Schiffs sondern auch die Schiffs-Mannschaft kennen. Einige der Matrosen waren mit 17, 18, 19 Jahren nicht viel älter als er selbst. Es waren aber auch ehrwürdige Seebären darunter, die gut seine Väter hätten sein können. Da er sich, seiner Natur entsprechend, stets natürlich, höflich und gut gelaunt gab, nahm man ihn ausnahmslos freundschaftlich auf.

      Über Mangel an Beschäftigung konnte er nicht klagen. Müßiggang gehörte auf einem Schiff zu den Fremdwörtern. Es ging immer irgendetwas zu Bruch oder in der Schiffshaut taten sich Leckstellen auf. Er lernte schnell, kräftig zuzupacken und die verschiedenen Werkzeuge des Zimmermanns zu gebrauchen. Er half ferner dem Segelmacher bei der Segelreparatur, lernte die Seemannsknoten, lernte die Taue zu spleißen, ging dem Smutje zur Hand, musste das Deck schrubben und so weiter und so weiter. Er bekam Schwielen an den Händen und eine frische rötlichbraune Gesichtsfarbe. Jede freie Minute verbrachte er damit, seine Bujikan-Kampftechnik weiter zu trainieren.

      Die viele Arbeit, die neuen Eindrücke ließen Tom keine Zeit, an seine Familie zu denken. Legte er sich in die Koje, schlief er in der Regel sofort ein und schlief einen traumlosen Schlaf. Wenn er an zu Hause dachte, dann an seine Mutter. An seine Schwester zu denken und an die leidenschaftlichen Umarmungen mit ihr, verbot er sich. Das schlechte Gewissen wegen dieses Inzestes hatte er sich mittlerweile ausgeredet. Er erinnerte sich an die Bibelstelle, wo Lots Töchter sich von ihrem Vater schwängern ließen, ohne dass dieses Tun Gott missfallen hätte. Überhaupt hatte sich bei ihm schon lange der Verdacht festgesetzt, dass das Gerede vom Zorn Gottes in Wirklichkeit eine Erfindung herrschsüchtiger Priester war, um die Gläubigen unter ihre Fuchtel zu zwingen.

      Die Savannah segelte von Leuchtfeuer zu Leuchtfeuer die Nordamerikanische Küste entlang bis sie St. John’s auf Neufundland passiert hatte, um hier entlang des 50sten Breitengrades auf West-Kurs einzuschwenken. Für die rund 1600 Seemeilen brauchte sie 5 Tage.

      Sonntags war auch auf dem Schiff Ruhetag. Es standen nur die Arbeiten an, um das Schiff in Fahrt zu halten. Die Freiwachen hatten Zeit, zum Beispiel ihre Klamotten auf Vordermann zu bringen, Briefe zu schreiben oder schreiben zu lassen, Karten zu spielen oder gemeinsam zu singen und zu Tanzen. Der Skipper legte Wert darauf, die Leute bei Laune zu halten und so spielten er auf der Geige, Tom auf der Flöte, dazu kam noch ein Banjo-Spieler, zum eigenen Vergnügen und zum Vergnügen der Besatzung regelmäßig auf.

      Auf der Fahrt nach Westen fuhren sie zunächst in eine Nebelwand. Sie konnten ihre Position nur durch Koppel-Navigation bestimmen. Sie holten die meisten ihrer Segel ein und verlangsamten so die Fahrt. Kurz darauf gerieten sie in einen heftigen Sturm. Bis zu 10 m hohe Wellen türmten sich auf. Kurs zu halten war unter diesen Umständen nicht möglich; sie mussten mit gerefften Segeln den Sturm ablaufen. Als sie wieder Sonnenstands-Messungen vornehmen konnten, stellten sie fest, dass sie ein Stückweit von ihrem direkten Kurs abgekommen waren. Doch der vorwiegend aus West wehende Wind und der Golfstrom halfen ihnen, Bristol nach insgesamt 20 Tagen zu erreichen.

      *

      Was Seeleute an fremden Häfen interessiert, ist immer das Gleiche: Kneipen und Bordelle. Tom, der sich aus Alkohol nichts machte, insbesondere, wenn er exzessiv getrunken wurde, und auch mit Bordellen nichts anzufangen wusste, zog es vor, auf dem Schiff zu bleiben. Die mitgebrachte Fracht wurde gelöscht, der Laderaum gesäubert und gelüftet. Das dauerte seine Zeit. Dann brachten Frachtboote neue Ladung herbei. Sie luden 500 Gewehre samt Munition und unzählige Ballen englischen Tuches in den Bauch des Schiffes. Dazu wurde frischer Proviant und Frischwasser übernommen.

      Einen Tag bevor sie wieder ablegten, gaben der Kapitän und der zur Schiffsbesatzung gehörende Kaufmann ein Dinner für die englischen Kaufmannskollegen. Der Smutje und seine zwei Gehilfen zauberten ein mehrgängiges, köstliches Mahl herbei. Dazu floss reichlich Rotwein. Tom in seinen besten Kleidern, durfte servieren. Dank seiner angenehmen Manieren machte er einen guten Eindruck.

      Als er diese Nacht in seine Koje stieg, voll der köstlichen Reste des Mahles und des Weines, hatte er zum ersten Mal, seit er von Zuhause weggelaufen war, wieder einen erotischen Traum. Er erwachte davon und entdeckte, dass offenbar sein Glied einen weißen, glitschigen Schleim ausgeschieden hatte. Er war davon verunsichert und beunruhigt. Beim Auswaschen beobachtete ihn ein älterer Seemann. „Na, jetzt bist du ja ein richtiger Mann,“ kommentierte er trocken.

      *

      Der vorherrschenden Windrichtung folgend, segelten sie zunächst nach Süden. Sie ankerten vor Lissabon, wo sie 10000 Flaschen Portwein zuluden, sowie in Puerto de la Cruz auf Teneriffa, wo sie noch mal 5000 Flaschen Malvasia-Wein dazu Frischwasser bunkerten. Vom Passatwind beflügelt, legten sie 11 Tage später in Charleston in South Carolina an.

      Nachfolgend unternahmen sie noch viermal hintereinander die Reise nach Bristol und zurück, wobei sie in Lissabon nicht mehr anlegten. Auf der Hinfahrt hatten sie Baumwolle, auf der Rückfahrt Waffen geladen.

      Tom wurde schon auf der zweiten dieser Reisen zum Steuermanns-Maat, auf der vierten dann zum 2. Steuermann ernannt. Er hatte eifrig und erfolgreich alles rund um die Seemannschaft, die Wettereinschätzung und um die Navigation, die Sicht-, die Koppel-, die terrestrische und die astronomische Navigation, gelernt. Besonders in die astronomische Navigation kniete er sich rein. Sie wurde sein Steckenpferd.

      Er schoss in den zwei Jahren zu einer stattlichen Größe von über 1,80 m auf; ein hagerer aber sehniger Schlacks mit jungem, stets freundlichen Gesicht. In den Häfen schloss er sich der Mannschaft, auch schon mal dem Kapitän an und besuchte die üblichen Etablissements. Die dortigen Frauen und Mädchen waren von seiner Männlichkeit sehr angetan.

      Immer, wenn sie in Charleston ihr Schiff entluden und beluden, schrieb er Briefe an seine Mutter. In ihren Antworten konnte er ihre Erleichterung darüber, dass es ihm so gut ging, spüren. Sie schrieb viel über das Leben in Norfolk, die Familie und alles, was sie bewegte. Er hatte den Eindruck, sie schütte ihm ihr Herz aus, ihm, ihrem noch so jungen Sohn. Er bekam eine Ahnung, wie geistig vereinsamt sie sein musste, an der Seite ihres ach so strengen puritanischen Ehemanns.

      Kapitel 3: Krieg 1861

      Im Winter 1860/61 traten nacheinander 11 Südstaaten aus der Amerikanischen Union aus. Am 12.April 1861 begann der Sezessionskrieg.

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