Waisenjunge. Harald Skrobek

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Waisenjunge - Harald Skrobek

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bei ihrer Rückkehr gegen Abend in Charleston in den Hafen einfahren wollte, entdeckte der Ausguck, dass ein nordamerikanisches Kriegsschiff vor der Einfahrt kreuzte. Im Vertrauen auf die eigene Schnelligkeit und das schwindende Tageslicht versuchte der Kapitän, trotzdem in den Hafen zu gelangen. Das Kriegsschiff eröffnete sofort das Feuer. Die Savannah wurde getroffen, der vordere Mast und fast alle Segel wurden zerfetzt. Es gelang ihr gerade noch, sich in den Hafen unter den Schutz der Abwehrbatterien zu retten. Die Ladung blieb zum Glück unbeschädigt; ein Treffer der mitgeführten Munition hätte verheerende Folgen gehabt.

      *

      Die Reparatur zog sich hin, ohnehin wäre ein Auslaufen unter diesen Bedingungen zu riskant gewesen.

      Um die Wartezeit zu verkürzen, meldeten sich vor allem die Südstaatler unter den Seeleuten zum Dienst in der Armee. Tom schloss sich ihnen aus Kameradschaft an. Zusammen mit anderen Freiwilligen landeten sie in einem Ausbildungscamp. Für die Musterrolle gab Tom seinen richtigen Namen an.

      In der Meinung, bei dem vorliegenden Konflikt werde es sich nur um eine Episode handeln, sagten sich Dave alias Tom und sein Kapitän Bill McIntosh „Auf Wiedersehen“. Sie ahnten nicht, dass es sich um einen Abschied für immer handeln würde. Dave sollte sein Zuhause in den unendlichen Weiten des Kontinents finden, Bill dagegen den Atlantik gegen den Pazifik austauschen und fortan zwischen San Franzisco und Alaska hin und her schippern.

      Die Freiwilligen wurden körperlich hart trainiert und lernten vor allem Schießen und den Bajonett-Kampf. Wieder machte sich Daves Begabung bezahlt; er avancierte schnell zu einem Meisterschützen und dank seiner Bujikan-Kenntnisse auch zu einem veritablen Bajonett-Fechter. Das sorgte über die Ausbildungskompanie hinaus für Gesprächsstoff. Der Hauptmann einer Spezialkompanie wurde auf ihn aufmerksam. Es handelte sich um eine Kompanie für Aufklärung und Sabotage. Dave, geschmeichelt von dem Interesse an seiner Person, entschloss sich, dabei mitzumachen.

      Der Hauptmann hieß Robin Delarosas, mochte knapp 40 Jahre alt sein, hatte ein offenes Gesicht sowie einen schlanken, durchtrainierten Körper. Er war der zweite Sohn eines reichen Texaners, hatte spanisches Blut in den Adern, und wie ein spanischer Kavalier trat er auch auf. Er strahlte stets eine stoische Gelassenheit aus und schien kein Problem wirklich ernst zu nehmen. Später stellte sich heraus, dass er verwegen und unerschrocken sein konnte.

      Wieder begann für Dave eine Ausbildungszeit, die diesmal länger dauern sollte. Er musste vor allem Reiten lernen. Ein Halbindianer, der Militär-Scout, führte sie ferner tagelang durchs Gelände und bildete sie aus, im Spurenlesen, Spuren vermeiden bzw. verwischen, sich im Gelände zu orientieren sowie unsichtbar zu machen. Ein Sprengmeister unterrichtete sie im Gebrauch von Sprengladungen und im Umgang mit Landminen. Schließlich wurde verlangt, sich glaubhaft verstellen sowie sich notfalls in eine andere Person verwandeln zu können. Letzteres fiel den meisten Probanden sehr schwer. Nicht aber Dave. Als geborener Komödiant gelang es ihm mühelos, eine andere Person zu sein. Dank seiner Musikalität konnte er dabei auch Dialekte täuschend echt nachahmen.

      Übrigens sollte der Scout noch eine bedeutende Rolle in Daves Leben spielen.

      *

      Der sogenannte Amerikanische Sezessionskrieg zwischen den Nordstaaten (Union) und den Südstaaten (Konföderation) sollte etwas über 4 Jahre dauern. Die Union setzte dabei insgesamt rund 2,8 Millionen, die Konföderation rund 1,1 Millionen Soldaten ein. Auf beiden Seiten zusammen gab es rund eine halbe Million Tote und fast gleichviele Kriegsinvaliden. Der Krieg ersteckte sich über ein Gebiet von rund 1,5 Millionen Quadratkilometern. Die Hauptlast des Krieges trugen die Bundesstaaten Maryland, Virginia, Nord Virginia und Tennessee.

      *

      Die Schar, der Dave angehörte, bestand aus dem Hauptmann Robin Delarosas, dem Leutnant Andrew Bell, dem Scout, Jonny Jones, ihm und 21 Mann. Sie waren bewaffnet mit den neuartigen, Henry-Repetier-Gewehren und mit Colt-Revolvern. Dazu gehörte ein Bajonett mit flacher Klinge. Dieses konnte man sowohl auf das Gewehr aufstecken als auch als Messer gebrauchen. Sie sollten von ihren Gegnern den Spitznamen Ghosts bekommen, weil sie überall unverhofft wie ein Geist auftauchten und auch wieder verschwanden.

      Ihr erster Einsatz sollte in Missouri sein, in dem zwar ein Unionsanhänger als Gouverneur residierte, die Bevölkerung jedoch politisch gespalten war. Ihr Bahntransport stoppte allerdings schon in Tennessee, weil inzwischen Missouri in die Konföderation eingegliedert worden war.

      Sie wurden General A.S. Johnston zugeteilt. Dessen Truppen marschierten in Kentucky ein, das sich zwar als neutral erklärt hatte, das aber als Truppen-Aufmarschgebiet zu interessant war, um es zu verschonen.

      Ihre Aufgabe war die Feindaufklärung und sie verbrachten die meiste Zeit im Sattel. Dave griff Anfang 1862 zum ersten Mal aktiv in den Krieg ein. Er und ein Korporal waren auf dem Rückweg von einem Melderitt, als sie von einer fünfköpfigen feindlichen Patrouille überrascht wurden. Reiter und Pferde hatten ihr Tagespensum schon mehr als geleistet und die Flucht drohte ihre Reserven zu erschöpfen. An ein Entkommen war nicht zu denken. Die Verfolger kamen immer näher. Als sie quasi mit dem letzten Atemzug den Rand eines kleinen Wäldchens erreichten, sprangen sie deshalb ab und eröffneten das Feuer. Dave schoss schnell hintereinander sein Henry-Gewehr viermal ab und traf vier Gegner tödlich. Der Korporal benötigte drei Schüsse, um den fünften Mann zu erledigen. Mit fünf Beutepferden am Lasso erreichten sie schließlich ihre Truppe.

      Wochen später sollte es wieder um Pferde gehen. Sie durchstreiften gerade ein hügeliges Gelände, als sie eine Schwadron Yankee-Kavallerie entdeckten. Der Tag neigte sich schon zu Ende und die Kavalleristen schickten sich an zu rasten. Sie sattelten ihre Pferde ab und ließen sie unter Bewachung in einer Talsohle grasen. Die Männer gruppierten sich um etliche Lagerfeuer. Offensichtlich waren sie den ganzen Tag geritten und jetzt müde, denn der sonst übliche Lagerlärm war eher gedämpft und verstummte auch bald.

      Hauptmann Delarosas beschloss, die Pferde der Kavalleristen zu rauben beziehungsweise auseinander zu treiben. Die Pferde grasten, wie gesagt, in einer Talsohle zwischen dem Lager und den Wachen. Es galt also, erst die Wachen geräuschlos mundtot zu machen, dann mit zwei Reitergruppen die Pferde in die Zange zu nehmen und vom Lager wegzutreiben. Sie beobachteten, wie zwei Wächter im Talkessel auf und ab patrouillierten; sie trafen sich in der Mitte, dann ging der eine nach rechts, der andere nach links und so immer fort. Der Scout vermutete, es könnte noch ein dritter Wächter da sein, der womöglich in der Nähe des Treffpunkts schlief.

      Sie rückten deshalb zu dritt aus, der Hauptmann, der Scout und Dave. Sie schlichen fächerförmig auf die Wachen zu, Dave in der Mitte. Der Hauptmann benutzte sein Wurfmesser, der Scout sein Bajonett. Dave wäre fast über den schlafenden Wächter gestolpert. Der erwachte erschrocken. Aber ehe er schreien konnte, hatte Dave ihn mit einem Handkantenschlag an die Schlagader wieder in die Welt der Träume geschickt. Die Kavalleristen mussten nun ihren Weg zu Fuß fortsetzen.

      *

      Dave zählte nun 18 Lenze. Er maß 1,85 m, hatte eine athletische, durchtrainierte Figur und ein sympathisches Gesicht, das von braunen, schelmisch blickenden Augen dominiert und von üppigen, hellbraunen, welligen Locken umrahmt wurde. Seinen Dienst erledigte er überlegt, bedächtig und konzentriert. Legte man diese Attribute zugrunde, konnte man ihn für schon wesentlich älter halten, was allerdings durch seine ausgesprochene Fröhlichkeit und sein Sinn für Späße und Klamauk relativiert wurde. Er war sowohl mit dem Gewehr als auch mit dem Revolver ein Meisterschütze. Auch das Messer als Waffe handhabte er meisterlich. Hinzu kamen seine katzenhaften Bewegungen und Reflexe. Kein Zweifel, sein ehemaliger japanischer Lehrer hätte ihn sofort in den Rang eines Samurai erhoben.

      Was er bisher von dem Krieg gesehen hatte, erfüllte ihn mit Entsetzen. Darüber konnten ihm auch die ausgedehnten Ritte durch das unendlich weite, unberührte, abwechslungsreiche, schöne Land, die

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