Waisenjunge. Harald Skrobek

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Waisenjunge - Harald Skrobek

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sorgte für Aufsehen, erstens wegen seiner Größe und seiner hellen Haare, zweitens wegen seines glatten, freundlichen Gesichts. Vor allem die Frauen starrten ihn unverhohlen an. Dave, der es nicht gewohnt war, dass man ihm ungeniert in die Augen sah, wusste zunächst nicht, wie er darauf reagieren sollte. Als geborener Komödiant stellte er sich aber fast sofort darauf ein und blickte seinerseits schelmisch zurück. Er hörte mit Erstaunen, was die Frauen einander zuraunten. In der Annahme, er verstünde ihre Sprache nicht, ̶ und er sah vorerst keine Veranlassung, ihren Irrtum aufzuklären ̶ sprachen sie ungeniert ihre Gedanken aus. So hörte er zum Beispiel, wie eine jüngere, größer gewachsene, etwas mollige Schönheit zu ihren Nachbarinnen kokett bemerkte: „Wenn die Größe seines Penis seiner Körpergröße entspricht, möchte ich gerne auf ihm davonreiten.“ Sie erntete lautes Gelächter, während Dave betreten den Blick abwandte.

      Er tat das Gesagte als eine dahingeplapperte freche Redensart ab. In den folgenden Nächten, als Jonny bei seiner Mutter wachte, wurde er aber eines Besseren belehrt. Die junonische Schönheit schlüpfte ungeniert in sein Tipi. Nun verstand er auch, was sie mit ‚auf ihm davonreiten‘ meinte.

      Des morgens erregte Dave noch ein drittes Mal Aufmerksamkeit. Er hatte sich angewöhnt, nach dem Aufstehen eine halbe Stunde Bujikan-Übungen zu machen. Zugegeben, diese Übungen wirkten für einen Außenstehenden grotesk. Die Indianer, die ihn schweigend ganz genau beobachteten, errieten jedoch bald, dass es sich bei den blitzschnellen Bewegungen um Kampfübungen handeln musste und sprachen ihn neugierig darauf an. Bereitwillig bot er ihnen eine Demonstration an. Die Apachen waren schnelle, geübte, trickreiche Kämpfer. Nachdem aber eine Handvoll von ihnen gegen Dave auf eine so einfach scheinende Art den Kürzeren gezogen hatte, schauten sie alle betreten drein. Dave bot an, ihnen einige Tricks beizubringen. Doch viel Zeit blieb ihm dafür nicht mehr.

      Jonny verbrachte die ganze Zeit bei seiner Mutter. Diese war aber, jetzt, da sich ihr sehnlichster Wunsch erfüllt hatte, entschlossen zu sterben. Sie lag auf einem Bisonfell auf der Erde, aß und trank nichts mehr und schaute nur unverwandt ihren ältesten Sohn an. Der streichelte ihre Hände. Eine Woche später schlief sie für immer ein. Im Tod sah ihr Gesicht entspannt und glücklich, fast jugendlich aus.

      Gefolgt vom halben Dorf trugen Jonny und seine Halbbrüder den Leichnam in die Berge zum Bestattungsplatz. Am zweiten Morgen nach dem Leichenschmaus verließen Jonny und Dave das Apachen-Lager.

      *

      Jonnys Stamm hatte sein Revier im Grenzgebiet von Texas, Mexico und New Mexico. Er gehörte zum Volk der Mescalero-Apachen, die nördlich von ihnen lebten. Jonny erinnerte sich noch gut an die Erzählungen älterer Krieger, die von gemeinsamen Bison-Jagten in den Prärien New Mexicos schwärmten, von der dortigen schönen Landschaft, der trockenen Luft, dem klaren Himmel. Er hatte sich damals vorgenommen, so erzählte er Dave, das alles einmal zu erleben. Nun verfügten beide über Zeit und Muße, Jonnys Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

      Sie hatten vor, New Mexico vom flachen Südosten bis zum bergigen Nordwesten zu überqueren. Da für sie Zeit eine untergeordnete Rolle spielte, hatten sie ihre schnellen Texas-Pferde gegen die vielseitigeren, aber nicht so wertvollen Maultiere eingetauscht. Als Kompensation erhielten sie von Jonnys Brüdern reichlich Proviant dazu einen Bogen samt Pfeilen sowie ein mit indianischen Zeichen versehenes Stück Leder, das die Landkarte von New Mexico darstellen sollte. Jonny und Dave verfügten zwar seit ihrem Clou in St. Louis über reichlich Barmittel, doch mistrauten Indianer allgemein den Dollars des weißen Mannes.

      Ihr Ritt führte sie zunächst am Pecos River entlang nach Norden. Dave übte sich, wann immer möglich, im Bogenschießen, bis er es ebenso gut beherrschte wie Jonny. Mancher Präriehund musste daran glauben und landete am Bratspieß. Sie hatten den Bogen erworben um zum einen, ihre Gewehr-Munition zu schonen, zum anderen, um lautlos zu bleiben. Sie hatten sich vorgenommen, ein Zusammentreffen mit Indianern zu vermeiden; schließlich gab es hier nicht nur Apachen sondern auch deren Feinde, die Comanchen. Immer bevor sie einen Landstrich unter die Hufe nahmen, beobachteten sie ihn genau durch ihr Fernglas und sie bewegten sich so, dass sie notfalls schnell in Deckung gehen konnten.

      Sie ritten nebeneinander und unterhielten sich. Dave konnte es nicht begreifen, wie Jonnys Telepathie mit dessen Mutter funktionierte. Er selbst dachte oft und intensiv an seine Mutter zurück und träumte manchmal von Zuhause, aber irgendeine gedankliche Verbindung kam dabei nicht zustande. Jonny konnte allerdings das Phänomen auch nicht erklären; es war eben da!

      Sie unterhielten sich über dies und jenes, so auch über Sex. Dave erzählte Jonny das Abenteuer mit der flotten Apachin. Jonny lachte nur. „Wir nehmen es nicht so genau damit, wer mit wem schläft. Hauptsache es macht Spaß!“ Er erzählte Dave, dass er mit 15 unsterblich in seine Kusine verliebt gewesen sei und unzählige Male mit ihr Liebe gemacht habe. Dann wurde sie von ihren Eltern mit einem Häuptlingssohn eines befreundeten Stammes verheiratet. Das sei unter anderem der Grund gewesen, warum er seinerzeit von zu Hause weglief. Dave war drauf und dran, von seinen eigenen ersten Liebeserfahrungen, die denen Jonnys auffallend ähnelten, zu erzählen, tat das dann aber doch nicht. Stattdessen erging er sich über seine Erlebnisse mit Liebesdamen in den Bordellen von Bristol, Lissabon, Teneriffa und Charleston. Auch Jonny konnte von Bordell-Besuchen berichten.

      Eines schönen Tages entdeckten sie durchs Fernglas eine große Bisonherde. Der Anblick war unbeschreiblich. Sie konnten sich daran kaum satt sehen, wagten aber nicht, sich ihnen zu nähern, aus Angst, auf indianische Jäger zu treffen.

      Es war Herbst geworden. Sie hatten die Hochebene von Jicarilla durchritten. Die Sonne stand nach wie vor am wolkenlosen Himmel und sorgte für klare und trockene Luft. Des Nachts schien der Mond. Eingehüllt in ihre Decken lagen sie lange wach und konnten sich am Sternenhimmel nicht sattsehen. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.

      Auch tagsüber ritten sie meist schweigend nebeneinander her. Besonders Jonny gab sich einsilbig und wirkte mehr und mehr entrückt. Sie erreichten Anfang Oktober Albuquerque am Rio Grande.

      Sie stellten ihre Maultiere in einem Mietstall ein, mieteten ein Hotelzimmer, gönnten sich ein warmes Wannenbad, ließen ihr dreckiges Unterzeug waschen sowie ihre Kopf- und Barthaare schneiden, aßen ein T-Bone-Steak, tranken drei große Gläser Bier, vergnügten sich mit 1-Dollar-Mädchen und fielen todmüde in die Betten.

      Als sie am nächsten Morgen das Frühstück-Restaurant betraten, war dieses schon recht voll. In der hintersten Ecke entdeckten sie noch zwei freie Plätze. Am Tisch saß bereits ein Mann in einer auffallenden Kleidung. Er trug ein hirschledernes Wams und hatte eine Waschbär-Mütze auf dem Kopf. Er nickte ihnen freundlich zu und sagte mit theatergeschulter Stimme: „Hereinspaziert und reichlich Platz genommen, ihr edlen Herren!“

      Die beiden sahen sich ob dieser Anrede etwas verwirrt an. Dave reagierte als erster und antwortete, indem er den gerade gehörten Tonfall nachahmte: „Verbindlichsten Dank Eure Durchlaucht! Danke, dass Ihr uns unwürdigen Gesellen erlaubt, unter Eurer Tafel unsere Beine auszustrecken und uns an Eurem reichlich gedeckten Tisch zu laben.“

      Der Fremde sah den Sprecher mit großen Augen an, dann brach er in ein fröhliches, nicht enden wollendes Gelächter aus. Dave und Jonny mussten zwangsweise mitlachen und auch die anderen Gäste fielen vereinzelt in das Gelächter ein. Es verebbte abrupt, weil der Fremde einen heftigen Hustenanfall bekam, der sich erst Minuten später legte.

      „Ich nenne mich Peter de Swan, bin ehemaliger Schauspieler, jetzt, wie Sie sehen, Trapper.“

      „Wir heißen Jonny Jones und Dave Andrews und sind ehemalige Krieger für die Sache der Südstaaten, jetzt neugierige Prärie-Bummler,“ stellte Dave sie vor, indem er aber diesmal den breiten Texas-Jargon und nicht das gestelzte Dramen-Englisch, benutzte. Peter stutzte unmerklich, als er die Namen hörte, schüttelte dann aber gedankenverloren den Kopf.

      Sie

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