Waisenjunge. Harald Skrobek

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Waisenjunge - Harald Skrobek

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erzählte, dass er sich seines Hustens wegen im trockenen Hochland von New Mexico aufhalte und im Winter in den Wäldern nordwestlich von Santa Fe schon seit mehreren Jahren Pelztiere jage. Das sei ein einträgliches Geschäft. Sie seien immer zu zweit gewesen, aber sein Partner sei vor einigen Wochen plötzlich gestorben. „Man sollte es nicht für möglich halten, aber er starb infolge eines Herzstillstandes im Bett eines Mädchens. Na ja, wenigsten hatte er einen schönen Tod.“ Peter lachte sarkastisch. „Habt Ihr nicht Lust, seinen Platz einzunehmen?“

      Peter rückte spontan mit dieser Schnaps-Idee heraus. Offenbar neigte er dazu, aus dem Bauch heraus Entschlüsse zu fassen. Wie oft im Leben mochte er wohl damit schon auf eben diesen Bauch gefallen sein?

      Aber er konnte es eben nicht lassen, zumal besonders Dave ihm vom ersten Anblick an sympathisch war und vage Erinnerungen in ihm erweckt hatte. Er war sich des Risikos wohl bewusst. Wie, wenn es sich bei den Beiden um vagabundierende Revolverhelden, um eiskalte Killer, handeln würde. Er kannte sie gerade mal eine Stunde. Aber ein Blick in ihre offenen, ehrlichen Gesichter ließen keinen Platz für Zweifel. Peter bildete sich auf seine Menschenkenntnis, die er in den Jahren als fahrender Schauspieler erworben hatte, viel ein.

      Für Dave und Jonny kam dieses Angebot mehr als überraschend. Jonny, der bisher an der Unterhaltung nur sporadisch teilgenommen und stattdessen längere Zeit mit einem prüfenden Blick mal Peter mal Dave beobachtet hatte, meldete sich plötzlich zu Wort: „Warum eigentlich nicht? Aber lass uns den Plan überschlafen. Morgen sehen wir weiter. Wir treffen uns wieder hier beim Frühstück.“

      Sie gingen auseinander. Dave stellte Jonny zur Rede: „Erzähl mal. Weißt Du was, was ich nicht weiß? Ich kenne Dich und sehe Dir an, dass Dich wieder eine Eingebung bedrückt.“

      Aber Jonny grinste ihn nur an, nahm ihn am Arm und schleppte ihn zu den 1-Dollar-Mädchen.

      Erst am Abend, als sie auf ihren Betten saßen, setzte Jonny zu einer Rede an, seiner längsten, die er je gehalten hatte:

      „Weißt Du Dave, wir kennen uns schon über vier Jahre. Ich hatte nie einen besseren Freund als Dich. Du bist ein stets fröhlicher, liebenswerter, verlässlicher Kumpel. Aber jetzt glaube ich, unsere Wege müssen sich trennen.“

      Er machte eine Pause.

      „Wir haben zusammen den großen Krieg erlebt. Es war ein Krieg der Weißen untereinander. Ich spüre es genau, jetzt kommt der Krieg der Weißen gegen uns Ureinwohner. Und wir werden diesen Krieg verlieren; Ihr seid einfach zu viele. Ich bin zwar nur ein halber Indianer, aber mein Herz hängt mehr an meinem Stamm, als ich mir das eingestehen wollte. Das weiß ich, seit ich meine Mutter in die Berge getragen habe.

      Du kannst nicht mit mir mitkommen. Ich weiß, wie die Weißen kämpfen und kann den Meinen helfen, unsere Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Es wird mein letzter Kampf sein!“

      Er musste sich vor Rührung räuspern.

      „Geh mit Peter in die Berge. Glaube mir, Ihr beide seid Euch überaus ähnlich und werdet gut miteinander auskommen. Vielleicht kommt mehr als eine gute Freundschaft dabei heraus!“

      Er legte sich hin und machte keine Anstalten, noch etwas zu sagen. Wenige Augenblicke später war er eingeschlafen.

      Dave war erst einmal schockiert. Er konnte vor Aufregung nicht einschlafen. Er musste sich eingestehen, Jonny doch nicht so gut zu kennen, wie er es geglaubt hatte. Ihr Denken und Fühlen stimmte offenbar nur zu einem Teil, und zwar zu einem unwesentlichen Teil überein. Er erinnerte sich, dass Jonny während ihres Ritts oft mit seinen Gedanken abwesend war und bildete sich plötzlich ein, Jonny habe ihre Begegnung mit Peter vorhergesehen und ihn, Dave, nur so lange begleitet, bis er ihn in sicherer Obhut wusste. Er schlief erst gegen Morgen ein.

      Als er aufwachte, blieb er noch eine Weile auf dem Rücken liegen und ordnete seine Gedanken. ‚Ich war 15, als ich von zu Hause weglief und auf einem Schiff anheuerte. Mit 17 wurde ich mir nichts, dir nichts Soldat. Jetzt bin ich 21, warum sollte ich nicht etwas Neues anfangen, zum Beispiel Trapper werden?‘ Seine Unbekümmertheit kehrte zurück.

      Er sprang wild entschlossen und gut gelaunt auf, spritzte sich Wasser ins Gesicht und zog sich seine Oberkleidung über. Jonny wartete schon draußen vor dem Hotel auf ihn. Sie begrüßten sich so unbefangen, als ob es den gestrigen Abend nicht gegeben hätte.

      *

      Sie mussten mit dem Frühstück auf Peter warten. Kaum saßen alle am Tisch ergriff Jonny das Wort:

      „Wir haben uns Dein Angebot überlegt. Dave wird mit Dir gehen, mich zieht es zurück zu den Kriegern.“

      Nur Dave, der wusste, dass Jonny ein Halbblut-Indianer war, erkannte an dieser Stelle die Doppelbedeutung des Wortes ‚Krieger‘. So ironisch hatte er Jonny noch nie erlebt.

      Peters Augen leuchteten auf. „Das nenne ich eine gute Nachricht,“ platzte es aus ihm heraus.“ Er bekam vor Aufregung einen Hustenanfall und als er wieder Luft bekam: „Schade, dass Du, Jonny, nicht mitkommst. Aber, wenn ich mir das genau überlege, hat die Sache sogar etwas Gutes. Zu dritt wäre es in meiner Jagdhütte etwas eng geworden. Lasst uns zusammen den Tag feiern!“

      Das Feiern musste auf den Nachmittag verschoben werden. Jonny wollte nämlich am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe aufbrechen und brauchte etwas Zeit für die Vorbereitungen.

      „Als erstes kaufe ich mir zwei Indianer-Ponys, die sind schneller als unsere Mulis. Peter, kannst Du zwei Maultiere gebrauchen oder soll ich sie in Zahlung geben?“

      „Gib alle vier in Zahlung, wir fahren mit dem Kanu,“ sagte Peter.

      „Dave, überlass mir bitte das Fernglas. Ich denke, ich werde es brauchen. Stattdessen kannst Du Robins Taschenkompass, seine Taschenuhr und die indianische Landkarte haben, damit Du Dich in der Gegend zurechtfindest,“ feixte er.

      „Ebenso hätte ich gern Pfeil und Bogen; meine Büchse werde ich nämlich auf dem Packpferd verstauen.“ Und als er ihre fragenden Blicke sah: „Na ja, Bisons will ich nicht schießen und von einem Präriehund bliebe nach einem Gewehrtreffer nicht mehr viel übrig.“

      Jonny war ausgesprochen gut aufgelegt und musste über seinen Witz herzlich lachen.

      Gegen Mittag war Jonny mit seinen Vorbereitungen fertig. Sie verschlangen auf Peters Rechnung je ein riesiges Steak mit Bratkartoffeln. Im Saloon war noch nicht viel los. Sie tranken drei Biere. Ein schon etwas betrunkener Barpianist klimperte lustlos auf dem bedenklich verstimmten Klavier herum. Erst als Peter seine Mundharmonika aus der Tasche holte und sie im Duett flotte Dixi-Songs anstimmten, kam Stimmung auf. Bis zum Abend brachte es jeder auf fünf Pints Bier. Ein gesteigertes Interesse an 1-Dollar-Mädchen hatten sie jetzt nicht mehr.

      Dave begleitete Jonny am nächsten Morgen aus dem Ort. Jeder hatte ein Kloß im Hals. Ihre Gedanken waren wie mit feuchten Tüchern verhangen. Sie brachten kein Wort heraus. Als die Prärie offen vor ihnen lag, stiegen sie von ihren Reittieren ab und umarmten sich. Trauer sprach aus ihren Augen. Jonny gab Dave sein restliches Geld. „Dort, wo ich hingehen, brauche ich es nicht. Lass es Dir gut ergehen!“

      Er stieg auf. Die beiden Pferde setzten sich von allein in den für Ponys typischen Zotteltrab. Dave schaute wehmütig hinterher. Als der Reiter am Horizont kaum noch auszumachen war, hielt er an und winkte. Dave winkte zurück. Jonny stieg ab und wechselte die Kleidung. Er sah jetzt aus wie ein Indianer und war es auch.

      Jonny erreichte eine Woche später seinen Stamm. In der Folgezeit schloss er sich

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