Spaghetti extra scharf. Vera X

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Spaghetti extra scharf - Vera X

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unter dem Arm aus der Haustür und fuhr wieder nach Untereschenbach.

      Im Zug suchte ich bald die Toilette auf. Dort machte ich eine erstaunliche Verwandlung durch. Mit grauhaariger Perücke und Schminke war ich um mindestens zwanzig Jahre gealtert. Ich schlüpfte in eine blaue Latzhose, die nicht ohne Absicht etwas zu groß geraten war. Die Lücken hatte ich mit Schaumstoff gefüllt. Ein netter, korpulenter Herr um die fünfzig. Gutmütig und harmlos. So kehrte ich wieder in das Zugabteil zurück.

      Ein kleines Mädchen mit roter Strickweste spielte mit seiner Puppe. Die langen, schwarzen Haare waren am Hinterkopf zu einem Zopf gebunden, an dessen Ende eine Haarspange mit einer rosa Quaste bei jeder Bewegung hin und her baumelte.

      Gelangweilt popelte die Kleine in einem Nasenloch, während sie alles in ihrer Umgebung genau registrierte.

      Später erzählte sie der Mutter, sie hätte einen Mann in die Toilette gehen sehen. Es wäre aber ein ganz anderer Mann wieder herausgekommen. Die Mutter beachtete es nicht. Vorläufig jedenfalls nicht. Kinder haben Fantasie und erfinden gerne Geschichten.

      „Das kommt vor“, sagte sie und blätterte weiter in einer Zeitschrift.

      Davon bekam ich nichts mit. In Untereschenbach stieg ich aus dem Zug und lief wieder zum Marktplatz. Ich setzte mich auf eine Bank und packte in aller Seelenruhe belegte Brote aus. Ein Handwerker, der auf seine Kollegen wartete und die Zeit für eine Mahlzeit nutzte.

      Von hieraus konnte ich die Sparkasse gut beobachten. Mehrere Kunden betraten das Gebäude und verließen es wenig später wieder. Ich hatte es nicht eilig und kaute bedächtig an meinem Käsebrot.

      Die Turmuhr des historischen Rathauses schlug. Es war zwölf Uhr am Mittag. Ich erinnerte mich an Filme, in denen jetzt die entscheidende Szene folgte. Der unvermeidliche Showdown. Schließlich war John Wayne auch nur Schauspieler mit einer Spielzeugpistole im Halfter.

      Einer der Angestellten verließ die Sparkasse. Wahrscheinlich der Filialleiter. Mittagspause. Ich wartete noch ein paar Minuten. Dann erhob ich mich schwerfällig, meinem neuen Alter angemessen. Breitbeinig schritt ich hinüber. Ich betrat die Sparkasse und stellte mich an der Kasse hinter einer Kundin an, die gerade ihr Sparbuch erleichterte. Ich war gut erzogen. Dann kam ich an die Reihe. Ich legte eine Plastiktüte auf den Tresen und zog die Pistole aus der Tasche.

      „Überfall! Alles Geld her! Schnell!“

      Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn einer der Angestellten auf die Idee käme, Widerstand zu leisten. Eine leichte Krümmung meines Zeigefingers am Abzug, und ein Wasserstrahl würde dem Spielverderber ins Gesicht sprudeln und schließlich in einem dünnen Rinnsal auf Kragen und Jacke tropfen. Aber es leistete niemand Widerstand.

      Die Kassiererin brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, was ich von ihr wollte. Sie hatte noch keine Erfahrung mit Überfällen. Dann reichte sie mir mit zitternden Fingern Geldscheine heraus, und ich steckte die niedlichen kleinen Päckchen in eine Plastiktüte. Erst die Fünfhunderter, dann die Hunderter, dann die Fünfziger.

      „Das reicht!“, sagte ich entschlossen. Zu lange wollte ich mich hier nicht aufhalten. Ich hatte nicht mitgezählt, aber es schien mir sowieso genug Zaster zu sein. Mit der Plastiktüte in der einen Hand und der Pistole in der anderen trat ich langsam zur Tür.

      „Keiner rührt sich! Zehn Minuten! Sonst schieße ich!“

      Wie ein harmloser Bürger trat ich wieder auf den Gehweg und lief durch die kleine Seitenstraße zum Bahndamm. Niemand folgte mir. Ich konnte es nicht glauben. Mein Plan hatte funktioniert.

      Hinter Gebüsch versteckt entledigte ich mich meiner Verkleidung. Unter dem blauen Arbeitsanzug trug ich eine leichte Sommerhose und ein ärmelloses T-Shirt. Ich zog die klobigen Arbeitsschuhe von den Füßen und schlüpfte in meine weißen Turnschuhe. Mit Feuchttüchern wischte ich mir die Schminke aus dem Gesicht, und ich nahm die grauhaarige Perücke ab, die bei der sommerlichen Wärme schon an einigen Stellen Juckreiz verursachte. Die ganzen Sachen legte ich auf das Geld in der Plastiktüte. Und die Plastiktüte warf ich in meine Segeltuchtasche. Ich wollte keine Spuren hinterlassen. In aller Seelenruhe trabte ich zum Bahnhof. Ich löste eine Fahrkarte und fuhr zurück nach Düsseldorf.

      Zu Hause fiel ich erst einmal völlig erledigt in einen Sessel. Zum Glück fing ich erst jetzt an zu zittern wie die Pappel im Wind. Wie hätte das in der Sparkasse ausgesehen.

      Wie leichtsinnig die Leute doch sind, dachte ich. Geben einfach alles Geld her, wenn man nur ein bisschen droht. Aber schließlich hatten die in der Sparkasse auch genug davon.

      Ich packte die Plastiktüte aus und zählte meine Beute. Ein unbeschreibliches Gefühl. Das Knistern von Geldscheinen ist was Besonderes. Vor allem, wenn es so viele auf einem Haufen sind. Vor mir lagen sortiert und gebündelt zwanzigtausend Deutsche Mark. Eine hübsche Summe. Ich hatte effektiv gearbeitet. Aber ich musste an die Zukunft denken. Wenn man keine vernünftige Arbeit hat, dann ist das auch nicht gerade viel. Ich nahm mir vor, die Sparkasse noch einmal heimzusuchen. Ein paar Wochen wollte ich warten. Erst sollte sich die Aufregung wieder gelegt haben.

      Ich entsorgte die Sachen, die ich bei dem Überfall getragen hatte, in die Mülltonne, auch die grauhaarige Perücke.

      Die Pistole habe ich dann doch noch meinem Neffen geschenkt, als Zugabe zu seinem Geburtstagsgeschenk. Der Gedanke machte mir Freude, dass er jetzt täglich mit einer Pistole, die bei einem Überfall benutzt worden war, auf Verwandte zielte.

      Vorläufig rührte ich das Geld nicht an. Ich wollte mich nicht verdächtig machen. Sicher ist sicher. Mein Leben sollte vorläufig weiterlaufen wie bisher.

      Bald fand sich auch ein geeignetes Versteck für die Beute. Der Keller in unserem Haus war verwahrlost und schmutzig, mit unverputzten Wänden. Selten ließ sich hier einer der Hausbewohner blicken. Höchstens einmal, um ausgediente Möbelstücke zu deponieren, die anderswo im Weg herumstanden. Ich rückte einen losen Ziegelstein aus einer Wand und legte das Geld in die Öffnung dahinter. Wer würde schon vermuten, dass dieses alte Gemäuer einen Schatz hütete. Ich fühlte mich wieder wie ein Mensch, der das Glück für sich gepachtet hatte.

      Später las ich beim Frühstück in der Tageszeitung alles über den gemeinen Überfall auf eine Sparkasse in Untereschenbach. Das Foto der Überwachungskamera zeigte einen älteren Herrn, der gerade mit einer Pistole die Angestellten bedrohte.

       Vom Täter keine Spur.

       Wer kennt den grauhaarigen Mann?

      Ich grinste und hatte meinen Spaß an diesem Artikel.

      In einem anderen Stadtteil und in einem anderen Haus saß eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter ebenfalls beim Frühstück. Auch die Mutter las in der Zeitung.

      Die kleine Ida deutete mit dem Finger auf ein dort abgebildetes Foto: „Den Mann kenn ich.“

      Die Antwort der Mutter war knapp und unmissverständlich: „Iss dein Müsli.“

      Aber die kleine Ida ließ nicht locker. „Das ist der Mann aus dem Zug. Der aus der Toilette gekommen ist, obwohl er gar nicht reingegangen ist. Das hab ich dir doch erzählt.“

      Die Mutter interessierte das nicht. Sie hatte andere Sorgen. „Iss endlich“, sagte sie. „Du kommst noch zu spät zur Schule.“

      In Gedanken war sie bereits bei den Einkäufen, die sie zu erledigen hatte. Sie stand auf und holte

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