Liebreiz, Mord und Kaktusstiche. Bernharda May

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Liebreiz, Mord und Kaktusstiche - Bernharda May

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an meinem Milchshake.

      »Immerhin sind die Nachfragen von deinem Kommissar Tork sehr schlüssig gewesen«, meinte Tony. »Wenn du wüsstest, wo deine Patentante ihren Urlaub verbringen wollte oder was ihre Pläne für die kommenden Tage gewesen waren, könntest du ohne Weiteres auf die Suche nach ihr gehen.«

      »Der Knackpunkt ist, dass ich das alles eben nicht weiß«, erwiderte ich und wollte zu mehr ansetzen, als mein Blick plötzlich auf die Eiskarte fiel. Ich stockte. »Café am Eck« stand da. Ich sah mich um und musste anfangen zu kichern.

      »Was ist los?«, fragte Tony verunsichert.

      Er fürchtete wohl, ich hätte einen hysterischen Anfall erlitten.

      »Ich kriege jetzt erst mit, wo wir eigentlich sind, und muss über mich selber lachen«, beruhigte ich ihn. »Ganz unbewusst habe ich unseren Spaziergang zurück in die Südstadt gelenkt. Wir sind ganz in der Nähe von Tante Mariebelles Wohnung. Siehst du dort die beiden Eiben? Da geht es zur Querstraße, wo sie lebt. Wir haben sogar ab und zu dieses Café hier besucht.«

      Ich schaute mich um und erkannte jetzt erst all die kleinen Details.

      »Die Stühle mit weißem Holzrahmen und rotem Leder, die hellblauen Sonnenschirme mit den Fransen«, zählte ich auf, »das sieht alles schon seit Jahrzehnten so aus. Nur die Eiskarte hat ein neues Design.«

      Ich wurde nachdenklich und trank weiter meinen Milchshake. Eine freche Wespe hatte sich an den Tisch gesellt und bestand hartnäckig auf ihren Anteil, egal wie sehr ich sie auch wegzuscheuchen versuchte. Tony kratzte genüsslich mit dem Löffel seinen Eisbecher leer; ihn belästigte die Wespe nicht.

      »Wenn wir schon hier sind«, sagte ich, nachdem ich mein Glas zügig ausgeschlürft hatte, »können wir die Zeit sinnvoll nutzen und noch einmal genauer bei Herrn Ullmann fragen, was mit meiner Tante los ist.«

      »Klaro, warum nicht?«, lautete Tonys Replik.

      Keiner von uns beiden wunderte sich zu jenem Zeitpunkt auch nur ein Stückchen darüber, dass ich ihn seit unserem Wiedersehen automatisch in meine Suche nach Tante Mariebelle einbezog. Dies wiederum wundert mich heute, während ich rückblickend diese Zeilen schreibe, umso mehr.

      Wie dem auch sei, wir zahlten zügig unsere Rechnung und fünf Minuten später standen wir vor Ullmanns Balkon. Leider machte er gerade eine Pause vom Rauchen und war nicht zu sehen.

      »Dann klingeln wir eben«, entschied ich.

      Der alte Mann ließ uns ins Haus, ohne über die Türsprechanlage überhaupt nach unseren Namen zu fragen. Als er uns auf dem Hausflur begrüßte, erkannte er mich gleich wieder und wusste diesmal meinen Namen.

      »Die kleine Florentine! Hätte ich nicht gedacht, dass Sie heute noch ein zweites Mal herkommen. Was vergessen?«

      »Sie hatten doch vorhin von einer Schriftstellerin gesprochen«, erinnerte ich ihn, »und mir ist eingefallen, dass bei Tante Mariebelle ein Buch von ihr liegen müsste.«

      »Tatsächlich?«

      »Ja, und ich würde es mir unheimlich gern ausleihen«, log ich weiter. »Haben Sie Blumendienst bei ihr? Dann müssen Sie doch auch den Schlüssel haben.«

      »Den habe ich, ja«, sagte der Greis langsam und beäugte Tony argwöhnisch.

      »Das ist ein guter Freund von mir«, erklärte ich. »Der tut nix.«

      Ullmann blieb skeptisch, erklärte sich aber damit einverstanden, mich in Tante Mariebelles Wohnung zu lassen. Tony und ich mussten allerdings damit leben, dass er uns begleitete. Während ich so tat, als würde ich im Wohnzimmer nach dem Buch suchen, kam Ullmann mit Tony ins Gespräch. Er erzählte ihm von jener Schriftstellerin, über die er mit mir bereits gesprochen hatte, und weitete seine Geschichte auf seine Kindheit und Jugend in Wittgenstein aus. Tony hörte höflich zu, munterte den alten Mann mit einigen Sosos und Achjas sogar zum Weiterreden auf und konnte zu meinem großen Erstaunen selbst etwas zum Thema beisteuern.

      »Der Name Wittgenstein findet sich ja mehrmals auf der deutschen Landkarte«, sagte er. »An der Lahn gibt es ein Schloss dieses Namens und in Thüringen soll es auch mal eine Burg Wittgenstein gegeben haben.«

      »Oh ja«, stimmte Ullmann zu und zählte auf, wo überall dem Reisenden diese Bezeichnung begegnen könne.

      Vor lauter Bewunderung für Tonys Geduld mit dem schwatzhaften Greis vergaß ich beinahe, nach Hinweisen für Tante Mariebelles Verbleib zu suchen. Auf einem Haushaltskalender an der Wand waren die letzten zwei Wochen eingekreist. »Niederfichtel« stand dort in der Handschrift meiner Patentante. Für heute hatte sie dort »Josés Bistro mit Flo« eingetragen. Ein Beweis dafür, dass sie mich nicht vergessen hatte! Die folgenden drei Tage waren leer, aber in der kommenden Woche wollte sie anscheinend nochmals verreisen. »Wandern mit Gitta und Fred«, stand da.

      Ich kannte weder eine Gitta noch einen Fred, wusste aber, dass Tante Mariebelle einen kleinen Freundeskreis besaß, der regelmäßig Wandertouren unternahm. Dummerweise fand sich auf dem Kalender kein Hinweis darauf, wo sie diesmal auf Schusters Rappen unterwegs sein wollten.

      »Nächste Woche fährt Tante Mariebelle wandern«, unterbrach ich das Gespräch der Männer, in der Hoffnung, Ullmann würde darauf reagieren.

      Er tat es wirklich.

      »Ja, sie erzählte mir davon. Der Hohe Meißner sollte es werden. Eigentlich wollte sie ja zwischendurch zurückkommen, damit ich dann ihre Pflanzen nicht mehr pflegen muss. Beim Hohen Meißner befindet sich übrigens der Frau-Holle-Teich, wussten Sie das?«

      Ich ignorierte seine Frage und sah mich um. Die Zamioculcas auf dem Fensterbrett sah frisch aus, ebenso der Drachenbaum neben der Wohnzimmertür.

      »Sie leisten gute Arbeit beim Gießen, Herr Ullmann«, lobte ich. »Aber wo ist Knut?«

      »Den hat sie mitgenommen«, erwiderte der Nachbar.

      »Wer ist Knut?«, wollte Tony wissen. »Ein Haustier?«

      »Nein, ein Kaktus. Den habe ich Tante Mariebelle geschenkt, als er noch ganz klein war, und unter ihrer Pflege ist er groß und dick geworden. Als ich ihn das letzte Mal sah, war er mit einem Unterarm vergleichbar.«

      »Knut, der Kaktus«, murmelte Tony. »Sehr einfallsreich.«

      »Wahrscheinlich hat sie ihn mitgenommen, damit Ullmann ihn nicht überwässert«, erklärte ich ihm im Flüsterton, damit es der alte Greis nicht höre.

      Der begann unvermittelt zu husten und sagte:

      »Ich muss mich für einen Augenblick zurückziehen. Bin gleich wieder da.«

      Er verschwand aus der Wohnung.

      »Braucht wohl die nächste Zigarette«, vermutete Tony und rümpfte die Nase. »Er stank ja wie ein überfüllter Aschenbecher.«

      Ich entsann mich, dass Tony während unserer Schulzeit selbst ein Raucher gewesen war. Offensichtlich hatte er damit aufgehört und war nun, wie viele ehemalige Tabakgenießer, zu diesem Thema besonders kritisch eingestellt. Ich hingegen war froh, dass Ullmann die Nikotinsucht forttrieb, sonst hätte er womöglich noch mehr seiner alten Geschichten ausgegraben.

      »Ich gebe zu, ich bin verblüfft

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