Liebreiz, Mord und Kaktusstiche. Bernharda May

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Liebreiz, Mord und Kaktusstiche - Bernharda May

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sie die Ruine. Von Weitem sah ich noch, wie sie mir zuzwinkerte.«

      »Wie aufdringlich von ihr«, befand ich. »Ob ihre Aussage der Wahrheit entspricht, ist schwer zu beurteilen. Sie könnte auf deine Befragung eingegangen sein, um sich an dich heranzumachen.«

      »Das Gleiche ging mir auch durch den Kopf«, sagte Tony. »Darum wollte ich mir noch eine zweite Meinung im Dorf einholen. Viele Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen, gibt es dort nicht. Niederfichtel hat einen Bäcker, einen Metzger, ein Blumengeschäft neben dem Friedhof und einen Kiosk am Bahnhof. Wo die Einwohner ihre Großeinkäufe erledigen, weiß der Kuckuck. Der Metzger hatte geschlossen und der Blumenhändler schaute so finster drein, dass ich gar nicht erst versuchte, ihn anzusprechen. Beim Bäcker plauderte die Verkäuferin dagegen munter drauflos, ob ich zu den Gästen von Schloss Liebreiz gehörte oder nur auf der Durchreise war oder jemanden besuchen würde.

      ›In einem kleinen Dorf wie diesem weiß man gleich, ob jemand fremd ist oder dazugehört‹, erklärte sie.

      Ich ließ Mariebelles Namen fallen, aber sie reagierte nicht. Auch zwei alte Herrschaften, die gerade neben der Theke ihren Kaffee tranken, zeigten keinerlei Regung. Ich fügte hinzu, dass ich sie suchen würde und sie unauffindbar zu sein schiene. Da brummte einer der beiden Alten:

      ›Verschwunden, eh? Ja, das kommt vor.‹

      ›Wie bei der armen Annerose‹, sagte der andere.

      ›Ach, dieses mannstolle Luder‹, murmelte der erste.

      ›Vielleicht hat sie der Geist vom alten Mulch geholt‹, meinte der andere.

      ›Darüber macht man keine Scherze‹, brummte der erste.

      Das half mir nicht weiter und so verließ ich die Bäckerei wieder, bevor die Herrschaften mir lang und breit das Schicksal ihrer alten Freundin Annerose schildern würden. Dein Ullmann hat mir letztens das Ohr genug abgekaut.«

      »Er ist nicht mein Ullmann«, berichtigte ich scharf. »Hast du noch woanders nachgefragt?«

      »Ja, im Bahnhofskiosk. Die Dame dort kanzelte mich regelrecht ab, was mir einfiele, solche Fragen zu stellen. Ich solle gefälligst zur Polizei gehen, wenn ich jemanden vermissen würde, und nicht die Leute belästigen und von der Arbeit abhalten. Von wegen Arbeit! Kein einziger Kunde war in ihrem Laden. Na ja, ich trollte mich dann und fuhr zurück. Gott sei Dank war es ruhig im Zug und ich konnte schlafen. Beinahe hätte ich sogar meine Haltestelle verpasst, so tief hab ich gepennt!«

      »Hm«, machte ich und dachte über Tonys Worte nach. »Die Mitarbeiter von Schloss Liebreiz haben sich wirklich verdächtig verhalten, dafür, dass du nur eine harmlose Nachfrage stelltest. Hast du das Foto von meiner Patentante jemandem gezeigt?«

      Tony bejahte.

      »Die dralle Mitvierzigerin meinte, das Gesicht käme ihr bekannt vor. Die Bäckerin dagegen schüttelte den Kopf. Zu viele Gäste von Schloss Liebreiz gingen bei ihr ein und aus, um sich die Leute alle merken zu können. Und wie die Dame vom Bahnhofskiosk reagierte, habe ich dir gerade beschrieben.«

      Es erklang ein leises Räuspern in unmittelbarer Nähe. Wir sahen auf und bemerkten, dass der Herr im weißen Anzug mittlerweile aus dem Café gekommen war und am Nebentisch Platz genommen hatte. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören, aber als ich genauer hinsah, erklärte sich der Grund dafür von allein. Er saß im Rollstuhl und die Räder hatten auf dem glatten Boden weniger Geräusch gemacht, als es Schritte getan hätten.

      »Ich möchte Sie wirklich nicht stören«, sagte er mit ausländischem Akzent und strich sich über den Schnurrbart, »aber lassen Sie mich eines sagen, junger Mann: Für einen Anfänger haben Sie sich während Ihrer Nachforschungen wirklich nicht schlecht angestellt.«

      Ich schaute von dem Fremden auf Tony, aber mehr als ein verwundertes Achselzucken hatte er für mich nicht übrig.

      »Danke, der Herr«, war alles, was ihm einfiel.

      »Wissen Sie, ich kenne mich mit dieser Tätigkeit sehr gut aus«, sprach der Herr weiter, »bin darin sozusagen ein Experte. Im Dorf nachzufragen, das war clever von Ihnen, wirklich. Aber wie Sie sich auf dem Schloss verhalten haben – ts, ts, ts.«

      Er schüttelte nachsichtig mit dem Kopf.

      »Immer mit den kleinen Mitarbeitern sprechen, merken Sie sich das. Jene, die herumgeschubst werden und die Drecksarbeit erledigen müssen. Die haben zum einen mehr Redebedarf als ihre ach-so-wichtigen Bosse, zum anderen sehen und hören sie meist auch viel von dem, was für unsereins wichtig sein könnte. Wofür ich Sie wiederum loben muss, ist Ihre strenge Einschätzung hinsichtlich dieser Frau Doktor. Auch ich würde deren Aussageverweigerung als suspekt einstufen. Normalerweise würde man jemandem, der sich nach der eigenen Mutter erkundigt, viel freundlicher begegnen, nicht wahr? Die meisten würden den Sohn vertrösten, würden aus Höflichkeit so tun, als gäben sie sich wenigstens ein bisschen Mühe, sich an die gesuchte Dame zu erinnern.«

      Wir starrten ihn an, sprachlos darüber, das er uns ungefragt einen Vortrag hielt. Irgendwann bemerkte er unsere offenen Münder und unterbrach seinen Redeschwall.

      »Herrje, ich bin ins Schwafeln geraten, wie? Verzeihen Sie mir bitte. Ich wollte Sie nicht aufhalten.«

      »Schon gut«, sagte ich. »Sie halten uns nicht auf. Wir haben keine weiteren Pläne als hier zu sitzen und uns zu unterhalten.«

      »Ich hätte Ihnen dennoch nicht zuhören dürfen«, räumte der Herr ein. »Es war ganz und gar unhöflich von mir, meinen Rollstuhl direkt hinter Sie zu parkieren, nur um Ihre Worte aufzuschnappen.«

      »Unser Gesprächsgegenstand hat Sie also interessiert?«, fragte Tony.

      Der Herr nickte und lächelte uns charmant an.

      »Ich kann nicht anders. Wenn jemand von vermissten Personen spricht und von Versuchen, klug taktierend an Informationen zu gelangen, muss ich einfach lauschen, ja, gewissermaßen einen Lauschangriff starten, um herauszufinden, worum es geht. Das ist eine Berufskrankheit von mir.«

      Mit der Hand fuhr er in seine Brusttasche und holte eine Visitenkarte heraus. Er reichte sie mir feierlich und sagte:

      »Sie haben vermutlich schon von mir gehört. Wenn ich Ihnen in der Angelegenheit, die Sie beide beschäftigt, behilflich sein darf, melden Sie sich bei mir. Keine Sorge, sympathischen jungen Leuten wie Sie zuliebe werde ich mich gern für einen Termin freimachen. Und lassen Sie sich von meinem Ruf nicht abschrecken. Der Preis ist immer Verhandlungssache. Fern sei es von mir, meine Klienten arm zu machen.«

      Ich nahm die Karte entgegen. Noch ehe ich sie lesen konnte, zupfte der Herr an seiner Hutkrempe, löste die Bremsen seines Rollstuhls und verabschiedete sich mit einem simplen »Ciao!«. Er drehte sein Gefährt von uns weg und lenkte es in den Park.

      »Er ist Italiener, seinem Akzent nach zu urteilen«, stellte Tony fest, nachdem der Fremde unseren Blicken entschwunden war. »Was er wohl mit ›unsereins‹ gemeint hat? Und mit ›Berufskrankheit‹?«

      Die Antwort darauf hielt ich in meiner Hand. Ich drehte Tony die Visitenkarte zu, damit er lesen konnte, was darauf stand: Benito Camponelli, Privatdetektiv. Ermittlung, Observation, Personenfahndung.

      5. Unser erster Kriegsrat

      »Ein Privatdetektiv«, feixte Tony immer wieder, während

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