Der Teufel von London. Susanne Danzer
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Es blieb still in der Villa. Immer wieder hielt er inne und lauschte.
Der dicke Teppich dämpfte die leisen Schritte des ungebetenen Besuchers, der sich jetzt erst einmal eingehend im obersten Stockwerk umsah.
Staunend stand er im Halbdunkel vor dem zum Bersten gefüllten Kleiderschrank des Hausbesitzers.
Charles ließ seinen Blick über seine Kleidung gleiten und konnte der Versuchung nicht widerstehen.
Die Anzüge passten ihm beinahe wie angegossen, als hätte man sie für ihn geschneidert. Zwar war der Hosenbund etwas zu weit, aber das würde kaum jemand merken. Ein Gürtel würde das Ganze schon richten.
Lange betrachtete er sich in einem großen vergoldeten Spiegel. Wie verwandelt kam er sich vor. Er sah aus wie der Mann, der zu sein er sich vorgenommen hatte, als er damals nach London kam.
Charles hatte keine Bedenken, sich an den Anzügen des Toten zu bedienen. Die nützten ihm ja eh nichts mehr. Er selbst besaß nur den einen ... und der war mit Blut verschmiert, und zwar mit dem des Toten. Da war es doch nur gerecht, wenn er für einen Ausgleich sorgte.
Charles ließ sich Zeit.
Er suchte sich Hemden aus und probierte mehrere Seidenschals. Nur mit den Schuhen haperte es. Sie waren eine Nummer zu klein und vorne zu eng.
In einem der Zimmer im oberen Stock hatte er einen Koffer gesehen. Den holte er und packte hinein, was er sich ausgesucht hatte. So würde er alles leichter transportieren können und dabei wie ein Reisender aussehen, der gerade erst für einen Besuch in der Stadt angekommen war.
Zuletzt betrat er das Bad.
Er setzte Wasser auf und brachte es zum Kochen. Nach einer halben Stunde hatte er ausreichend heißes Wasser beisammen. Dann mischte er es mit etwas kaltem, bis es eine angenehme Temperatur hatte und stieg in die frei im Raum stehende Badewanne.
Ein Bad war jetzt genau das richtige – und er hatte es mehr als nötig.
Er hatte sich eine Flasche mit einem Badezusatz geangelt, den Inhalt geopfert, und schon nach kurzer Zeit fühlte sich wie neugeboren.
Seiner Meinung nach konnte Mister Brownhill nichts dagegen haben, dass er sein Rasiermesser benutzte. Ein Gefühl, dass für ihn völlig neu war.
Als er das Bad verließ, war er wie verwandelt. Niemand würde ihm noch den heruntergekommenen Landstreicher ansehen.
Was ihn jetzt noch quälte war der Hunger. Seine letzte Mahlzeit war schon zu lange her. In diesem riesigen Haus, das so luxuriös ausgestattet war, musste sich doch auch Essbares finden lassen.
Charles nahm sich den bereitgestellten Koffer und begab sich nach unten.
Bisher war alles gut gegangen. Niemand hatte ihn gestört.
Ihm fiel wieder der Tresor ein, der im Arbeitszimmer auf ihn zu warten schien.
Es wäre doch schade, wenn ich nicht zumindest einen Blick hineinwerfen würde. Wer weiß, was sich darin entdecken lässt.
Da er den passenden Schlüssel besaß, war es leicht den Tresor schnell zu öffnen. Neben zahlreichen Papieren, die er nur flüchtig durchsah, fand er eine kleine Metallkassette.
Er vermutete darin Bargeld und packte sie, ohne hineinzusehen, direkt in seinen Koffer zu den anderen Sachen.
Im Tresor sah er zum ersten Mal das Foto einer schönen jungen Frau. Sie lächelte und er, der kaum Bekanntschaften mit dem schönen Geschlecht gemacht hatte, war von ihrem Anblick wie verzaubert, weshalb er das Bild ohne nachzudenken einsteckte.
Er fühlte sich immer noch absolut sicher.
Nachdem er den Tresor wieder ordnungsgemäß verschlossen hatte, steckte er die Schlüssel wieder ein und wollte gerade gehen, als er ein Geräusch vernahm.
Es kam von der Treppe her, die er kurz zuvor heruntergekommen war.
Lautlos glitt er hinter die nur angelehnte Tür und hielt den Atem an.
Verdammt! Ich dachte, ich sei allein im Haus!
Eiskalt lief es ihm plötzlich über den Rücken.
Wenn man mich hier erwischt, sind mir einige Jahre in Dartmoor sicher, wegen Einbruchs und Diebstahls.
Durch den Spalt der Tür sah er eine Frau.
Sie trug einen seidenen Morgenmantel und im Mundwinkel hing eine Zigarettenspitze. Die Frau stutzte, als sie die beiden zusammengerückten Sessel bemerkte.
Deutlich konnte er deutlich ihr Gesicht erkennen. Es war eindeutig nicht die Frau, deren Foto er im Tresor gefunden hatte.
Nicht einen Moment ließ er sie aus den Augen. Als sie zum Wandtelefon und den Hörer abnahm, fiel ihm ein Stein vom Herzen.
Doch plötzlich war ihm alles klar, denn als er ihre Stimme hörte, war er sich ganz sicher, dass es sich bei ihr um die Frau handelte, die die drei Männer im Hafen begleitet hatte, die den Toten in der Kiste auf den Stapel gepackt hatten. Ja, ihre Stimme war unverkennbar dieselbe. Rauchig und dunkel, wie die einer Bardame. Zu markant, um einfach vergessen zu werden.
Deutlich konnte er hören, was sie sagte:
»Hallo, Johnny. Alles in Ordnung? Ich habe länger geschlafen. Du kannst mich in einer Stunde abholen.«
Charles Morrison war auf dem Sprung. Er war entschlossen, die Frau anzugreifen, für den Fall, dass sie das Zimmer betrat, in dem er sich versteckt hatte.
Gleich darauf konnte er sich wieder entspannen, denn die Frau begab sich wieder nach oben und verschwand in einem der Zimmer ohne ihn bemerkt zu haben.
Charles nahm den Koffer auf, huschte zur Haustür, öffnete sie mit dem Schlüssel des Toten und verließ unbemerkt die Villa.
Weil er befürchtete die Frau könnte aus dem Fenster sehen und ihn entdecken, wählte er nicht den direkten Weg zur Straße.
Niemand begegnete ihm, als er mit dem prallgefüllten Koffer durch das Tor am Nebengebäude, in dem Kutsche und Pferde untergestellt waren, die Straße betrat.
In seinem neuen Anzug fühlte er sich sicher. In so einem edlen Zwirn würde ihn selbst seine eigene Mutter nicht erkennen.
Er lief bis zur nächsten Straßenecke und wartete auf eine Mietdroschke. Zum ersten Mal in seinem Leben leistete er sich diesen Luxus.
Dem Kutscher nannte er eine Adresse im Stadtteil ›Bromley‹, die er kannte. Jetzt konnte er sich ein Zimmer in einer nicht so teuren Pension leisten.
Kapitel 5
Inspector Primes hatte auf die letzten Stunden Schlaf verzichtet und mit seinen Mitarbeitern noch einmal eingehend die bisher bekannt gewordenen Fakten durchgesprochen.