das goldene Haus. Sabina Ritterbach

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das goldene Haus - Sabina Ritterbach

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herunter. Ich verstand das Wort "mother" und "ready" und dann noch das herrliche Wort "tea". Steif erhob ich mich und hatte Mühe, in die Gänge zu kommen. Die Kinder warteten auf mich, und zusammen bewältigten wir den Zaun, denn da gab es doch einen großen Stein, der ein Hinüberklettern ermöglichte. Die Kühe drehten uns den Rücken zu. Der Hund kannte mich nun und bellte freundlich, er sprang in immer enger werdenden Kreisen um mich herum, und der kleine Junge stürzte sich mit mutigem Rittergesicht über ihn. Wir betraten die riesengroße Küche, und sofort fühlte ich mich wie ein Fisch im Aquarium. Decke und Wände waren grellgrün gestrichen, grellgrüne Lackfarbe. Die Neonbeleuchtung verschärfte den Unterwassereffekt. Den dargebotenen Stuhl erreichte ich sozusagen schwimmend. Auf dem Tisch stand der Tee und ein gut riechendes, noch ein wenig warmes Gebäck. Auf einmal hatte ich Hunger. Das letzte Mal hatte ich im Flugzeug gegessen. Ich ließ meine Augen durch den Raum schweifen. Im Herd knackte das Feuer, und ungewöhnlich große Töpfe standen darauf. Viele Stühle und eine Bank um den Tisch. Tonlos flimmerten bunte Bilder auf der Mattscheibe des Fernsehers. Darauf stand eine Miniaturgrotte von Lourdes.

      Die Wände waren gleichmäßig mit frommen Kalendern, Muttergottes- und Herz-Jesu-Bildern dekoriert. Bilder, die ich seit meiner Volksschulzeit nie mehr gesehen hatte.

      Lächelnd setzte sich die Frau mit an den Tisch, die Kinder drückten sich an sie. Und nun wurde ich vorsichtig ausgefragt nach woher und wohin und ob ich auch nach Nordirland wolle. Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht, verneinte aber, weil ich dachte, das wäre wohl besser.

      Ich schaute mir mein Gegenüber gut an, sie wird wohl mein Alter gehabt haben, vielleicht auch jünger, bestimmt jünger, der Junge war höchstens vier Jahre alt. Hübsch sah sie aus, sehr dunkle Haare, sehr helle Haut, aber müde Augen.

      Der Tee tat gut, er war heiß und dunkel, und ich ertappte mich beim zweiten Stück Kuchen. Es wurde mir auch noch ein Drittes angeboten, ich wehrte ab und bedankte mich, und da erst schauten die Kinder die Mutter an, und sie gab jedem ein halbes Stück. Als sich die Tür öffnete und gleich drei Mädchen lachend die Küche betraten, wusste ich, warum die übrigen Stücke geteilt wurden. Die Mädchen, Teenager, verstummten, als sie mich sahen. Schweigend setzten sie sich aufs Sofa, und es dauerte eine Weile, bis sie wieder leise kicherten.

      Zwei von ihnen gingen noch zur Schule, aber jetzt hätten sie Ferien. Die Ältere, 17 Jahre, dunkelhaarig, hellhäutig, blass, hatte einen Job im nächstgrößeren Ort.

      "Ich werde meine Koffer holen", sagte ich und erhob mich, fünf Kinder und ein Hund stürzten gleichzeitig zum Auto. Die Mädchen nahmen den Koffer und die Tasche, ich nahm meinen Rucksack und folgte ihnen ins Haus. Wir durchquerten die Küche und betraten einen Flur. Licht flammte auf: "Grün". Selbst der Teppichboden hatte grüne, wilde Blumenornamente. Ich schwamm durch den Flur in mein Zimmer, ich durfte dort weiterschwimmen, ich werde unter Wasser schlafen. Man zeigte mir die Badezimmertür und wünschte mir eine "gute Nacht".

      Eine kleine Wette mit mir selbst, es ging um die Badezimmerfarbe, ich habe die Wette gewonnen. "Grün". Auf dem Bord über dem Waschbecken standen becherweise Zahnbürsten, ich zählte, ich zählte noch einmal und noch einmal, einundzwanzig, das glaubt mir nie jemand zu Hause. Ich war sehr müde, glitt zwischen die Laken und ließ das Grün in der Dunkelheit verschwinden.

       "Na, du träumst ja mit offenen Augen", brummte er leise neben mir, "hoffentlich ist es was Schönes". Ich tauche einen Moment in der Gegenwart auf und sehe, dass die Sonne verschwunden ist; macht nichts, Hauptsache es regnet nicht mehr.

       Sofort sind meine Gedanken wieder in jenem Bauernhaus, welches gar nicht so weit entfernt von hier liegt. Auch dort ist ein kleiner Teil von mir geblieben, der Schatten von einem Schatten.

      Dort schlief ich in diesem grünen Zimmer, dort träumte ich von Stefan und Sonja. Es war das erste Mal, dass wir eine so lange Zeit getrennt sein sollten. Ich hatte mich von ihnen getrennt, trennen müssen. So war es vereinbart worden. Die Ferien beim Vater. Sie wollten nicht, ich wollte nicht, aber sie glaubten mir nicht und waren böse auf mich. Tagelang schwiegen sie beharrlich, und ihre Augen schauten mich nicht an. Diese wilden Kinder wurden zahm und still, als könnten sie durch ihr Verhalten eine Änderung der Pläne, die ihnen die Erwachsenen aufdrängten, erzwingen.

      Ich träumte vom Krieg und donnernden Panzern und erwachte von dem Lärm, den ein Traktor vor meinem Fenster machte. Ich lag still und befreite mich von meinem Traum. Ich hörte Kindergelächter und versuchte, meine beiden fröhlichen Kinder vor die geschlossenen Augen zu projizieren. Ich fand es abwegig, in einem fremden Zimmer zu liegen und dem Lachen fremder Kinder zuzuhören. Hund, Traktor, Kinder, draußen war die Hölle los. Wie spät mochte es sein? Wann steht ein Bauer auf? Früh, also musste es früh sein. Ich blinzelte, die Sonne schien in mein Aquarium. Ein Blick zur Uhr, ein kleiner Schrei, fast zehn Uhr.

      Frühstück allein für mich am großen Tisch. Auf meine Bitte hin leistete mir die Hausfrau mit einer Tasse Tee Gesellschaft. Mit einfachen Sätzen wagte ich ein Gespräch. Es fing natürlich mit dem Wetter an. Dann meine Frage nach ihren Kindern.

      „Wie viele?“

      "Elf, sieben noch zu Hause, die drei Großen in England." Sie seufzte über die harte Arbeit auf dem Hof und die Hausarbeit. Sie hatten sehr viel Land, Kühe und Schafe, Kartoffeläcker auch, und den Garten, den sollte ich mir gleich anschauen.

      Ich hatte Angst vor ihren Fragen. Sie sah mich an, ich sah sie an. Sie sah gut aus mit ihrer weißen Haut und den hohen Backenknochen. Ob ich ganz allein wäre und ganz allein unterwegs? Nein, versicherte ich, nicht allein, aber allein unterwegs. Ich sah ihrer Miene an, dass sie mich nicht verstand, aber sie nickte eifrig. Und dann sagte ich einen Satz, nur um das Gespräch nicht versiegen zu lassen. Ich müsste mich auch einmal von den Kindern erholen. Schon während ich diesen Satz formulierte, wusste ich, wie blöd sich das anhörte.

      "Ach, wie viele?“

      „Zwei!“

      Da lachte sie laut mit weit zurückgebogenem Hals. Und ich sah das Geheimnis ihrer hohen Wangenknochen. Es fehlten ihr sämtliche Backenzähne. Plötzlich wollte ich fort, ich wollte keine Auskünfte geben, ich wollte mich nicht mehr unterhalten. Pläne wollte ich im Auto machen.

       "Gleich sind wir an der Grenze. Suchst du mir mal meinem Pass in der Jacke. übrigens redest du heute ein bisschen viel. Freust du dich nicht?"

       "Natürlich freue ich mich", ich freue mich, und ich habe Angst, und über diese Angst kann ich nie, nie mit ihm reden.

       Wir stehen am Grenzfluss, diesem Rinnsal mit dem Namen Blackwater, ein Bach, auch an dem gab es blutige Kriege. Bloodwater wäre ein angemessenerer Name und hätte heute noch Aktualität. Morde und Anschläge hören an dieser Grenze nicht auf. Wir stehen in einer längeren Warteschlange, einzeln werden die Autos durch die Ampelanlage über die großen Schwellen zur Passkontrolle vorgelassen. Perfekt ist diese Grenze ausgebaut. Betontürme mit schmalen Sehschlitzen in denen Männer, ach Männer, fast noch Knaben stehen. Unter tiefgezogenen Stahlhelmen Kindergesichter. Stacheldraht, Betonmauern und Maschinengewehre. Jedes Mal habe ich ein ungutes Gefühl in der Magengrube, und ich weiß, ihm geht es auch so.

      Wo kam ich vor zehn Jahren das erste Mal über diese Grenze? Es war nicht hier, ich hatte damals nicht die Hauptstraße benutzt. Dort war alles provisorisch, so, als könnte man alles - Häuschen, Schlagbaum und Stacheldraht - in einer Stunde forträumen.

       Er muss nun sehr achtgeben, denn wir durchfahren eine Stadt, in der es vor in Schuluniform gekleideten Kindern nur so wimmelt. Alle Schultore müssen sich gleichzeitig geöffnet haben. Alle Argumente für diese Art von Bekleidung sind mir egal, ich finde, die Kinder sehen scheußlich

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