das goldene Haus. Sabina Ritterbach

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das goldene Haus - Sabina Ritterbach

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alle Elternbesprechungen in der Schule ab.

      Warum nur, warum denke ich an diese uralten Geschichten? Warum? Es ist vorbei, schon ewiglange vorbei, und ich war gescheitert. Zwei Jahre dachte ich damals, ich überlebe es nicht, ich konnte nicht begreifen, dass ich verlassen worden bin. Ich habe in mir gewühlt und gestochert, ich wollte meine Schuld finden. Aber wie bin und war ich wirklich? Hat man je die richtige Distanz zu sich selbst? Ich konnte Fakten aufzählen und Listen aufstellen. Und fand, ich stand nicht schlecht da. Ich fand keine Schuld, ich fand eine gut funktionierende Frau.

      Das war damals, und wie ist es heute? Ich lächle in die Dunkelheit. Also, ich finde mich echt gut. Natürlich bin ich älter geworden, und an schlechten Tagen schaut mir schon mein Altersgesicht im Spiegel entgegen, aber ich habe mir auch mein Mädchengesicht bewahrt. Ich bin mir ähnlich geblieben. "Verdammt", sage ich leise, schon wieder bin ich dabei, meine Vorzüge aufzulisten. Und ich weiß genau warum! Ich fürchte mich, weiter zu denken, weil der Boden unter meinen Füßen wankt, weil ich Angst habe, erneut verlassen zu werden. Weil ohne seine Aufmerksamkeit, ohne seinen Blick so wenig von mir übrigbleiben wird. Weil ich alt werde. Ich werden zwar Mutter bleiben und hoffe, irgendwann auch Großmutter zu werden, auch Schwester und Freundin werde ich bleiben, aber ich werde nie wieder eine Geliebte sein. Ich will seinen Kopf auf meiner Schulter spüren. Und im Halbschlaf werde ich wieder das kleine Mädchen, dass die Fugen des Pflasters nicht berühren darf, weil sonst Unglück über es kommt. Und im Traum wandle ich durchs Moor zum EIbenstein und lege vertrauensvoll die Stirn an ihn.

      Kapitel - Irland2

       Beruhigt höre ich am nächsten Morgen gewohnte Geräusche. Erst rasselt und pfeift die Heizung, dann knacken die Heizkörper, und ich weiß, in einer halben Stunde wird es schon recht angenehm im Haus sein. Er rumort in der Küche, es riecht schon nach Eiern und Speck. Ich höre die Kinder auf dem Weg vor dem Haus. Ich höre sie schon aus einiger Entfernung, ihre halblaute Unterhaltung, ich höre, wie sie plötzlich anfangen zu rennen, weil sie das Auto entdeckt haben. Sie stehen einen Augenblick unentschlossen vor dem Gartentörchen, ich spüre, wie ihre Augen die Fenster abtasten, und ich höre, wie sie sich wieder in Bewegung setzen. Sie müssen zur Schule. Am Nachmittag werden sie wieder zurück sein, sie werden ungeduldig den Türklopfer in Bewegung setzen und dann Hand in Hand total schüchtern und ängstlich, aber auch freudig vor der Tür stehen.

       Sie lieben ihn, mich mögen sie. Sie lieben ihn nicht nur, weil er Coca-Cola im Kühlschrank hat. Er hat eine so merkwürdige Art, mit ihnen umzugehen. Er rollt die Augen, macht grässliche Geräusche, pufft sie derb in die Rippen. Die Schuhe werden geklaut, es wird an ihren Haaren gezupft, und mit einem Ruck zieht er ihnen die Mütze über die Augen. Paddy starrt ihn dann wie ein Fabeltier an und vergisst vor Begeisterung, weitere Kekse in seinen Mund zu stopfen. Die Augen niedergeschlagen, den Mund zu einem ganz schmalen Lächeln verzogen, so sitzt Alice auf der Stuhlkante. Sie ist in ihn verliebt. Ich habe ihn gebeten: "Berühre und küsse mich nicht in ihrem Beisein, glaube mir, sie leidet." Einmal als er liebevoll den Arm um mich legte, sah ich, wie sie ihr Gesicht verlegen und schmerzlich verzog. Sie wollte in seine Arme. Sie will in seine Arme und wird nur gezupft, deshalb kann sie mich nur mit Vorbehalt mögen.

       Ich bin die Hüterin der Gummibärchen, ich habe begehrenswerte Dinge in meinem Koffer. Ich besteche also, flechte Zöpfe in die Haare und verziere sie mit Bändern, ich zupfe nicht.

       Paddy ist fünf, Alice zehn oder elf Jahre. Alice ist das Elfenkind mit den vielen Gesichtern. Sie ist dünn, blass, fast durchsichtig. Sie sieht oft krank aus. Ein Reifen hält das lange blonde Haar aus der hohen Stirn, blaue Adern durchziehen die Schläfen, dunkle Schatten unter den großen hellblauen Augen. Der Mund eines Kobolds, ein schmaler Strich, den sie in ungeahnte Längen verziehen kann. Sie war schon oft mein Modell, dann saß sie stolz und verlegen, den Mund fest in den Winkeln eingekniffen, damit das wohlgefällige Grinsen nicht zu breit ausfiel. Aus den Augenwinkeln oft kleine triumphierende Blicke zu ihrem kauenden Bruder. Stolz, dass sie das beachtete Objekt war, nicht er. Anfangs sitzt sie steif und gerade, nie würde sie wagen sich zu entfernen, aber je länger sie sitzt, je entspannter sie wird, desto mehr verändert sich dieses kleine Mädchen. Dann fällt es mir schwer, sie anzusehen. Das letzte Mal, als ich sie zeichnete, war es schon dämmrig, die Schatten verwischten sich, mir gegenüber saß eine fast leere Schuluniform, der helle, zu groß wirkende Kopf, die dunklen Augen und der so trostlos verzogene Mund - ich hätte weinen können, sie war nicht jünger als tausend Jahre.

       Paddy, das Sonnenkind, er ist ein Spaßmacher, nur ruhig, ernst und konzentriert, wenn er Keks isst. Er ist ein Clown, aber kein Kobold, er ist rund, lustig, unkompliziert.

       "Paddy, sing ein Lied", und Paddy singt, und damit es nicht langweilig wird, tanzt er, und damit dies nicht langweilig wird, kugelt er sich über den Boden. Er hat dichte dunkle Locken und mit seinen runden Ärmchen und Beinchen noch ein wenig von einem Baby.

       Heute Nachmittag werden die beiden vor unserer Tür stehen, sie werden uns besuchen, und Anne, ihre Mutter, wird nicht oben in der Küche auf sie warten.

      „Frühstuck!“

       Oh Gott, was für eine Hetze, ich reiße mich von meinen Gedanken los, springe aus dem Bett, ab ins Bad. Ich kann es mir gar nicht mehr leisten, im Rohzustand ans Tageslicht zu kommen also Minimalrestauration. Gesicht waschen, matte Entfaltungscreme, Augentropfen, Haare hochwursteln, ein Griff zur grünen Kette. Ich springe die Treppe hinunter, da sitzt er im Rohzustand. Wie immer reizt mich der Anblick zum Lachen. Kein Kamm hat sein Haar berührt, und sein Gesicht schläft noch. Aber das Frühstück ist perfekt, es gibt alles, was ich sonst nicht essen würde, Spiegeleier, Zwiebelringe, Tomaten, diese widerlichen kleinen Würstchen und zusammengekrunkelten Speck. Natürlich Toast und bernsteinfarbene Orangenmarmelade. Der Tee dampft in meiner Tasse, die Brandenburgischen Konzerte erfüllen den Raum. Ich gehe zu ihm, meine Hände gleiten am Halsausschnitt vorbei auf seine Brust, ich drücke mein Gesicht in sein Haar und berühre sein Gesicht, und während er sich kurz kauend an mich lehnt, sage ich "Guten Morgen."

      Wie oft habe ich hier schon so gesessen? Grob überschlagen vierzehnmal, zehn und ein paar Sommerfrühstücke. Das Lachen über seinen Anblick steckte mir schon beim allerersten Frühstück in der Kehle. Er aß damals wie heute sehr schnell und nicht viel, und ich kannte ihn doch noch nicht und war entsetzt, als er mit einem Ruck den Teller von sich schob, denn ich war grässlich hungrig, und ich musste mich zwingen, ruhig weiter zu essen. Das war nicht einfach, friedlich vor sich hin zu kauen, den Tee anmutig zu trinken, ohne sich ihn über die Bluse zu schütten, während er dasaß und mir bei jeder Bewegung zusah. Ich war noch nie von einem Fremden so ohne Deckung angestarrt worden. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und sagte: "Wenn du fertig bist, schauen wir nach deiner Karre."

      "Ich brauche noch fünf Minuten, bitte!"

      "Mach nur."

      Er stand auf, raffte mit einer schnellen Bewegung den Hauptteil des Frühstücksgeschirrs zusammen und ging nach hinten, wo die Küche zu sein schien.

      "Fertig?" Er war schon an der Haustür. ich ließ alles stehen und liegen und lief ihm nach. Warmer Sonnenschein umfing mich, nur ganz kurz schaute ich mich um und ahnte, es muss wunderbar sein. Da wurde gehupt, und ich kletterte in den Bully.

      "Weißt du eigentlich, wie spät es ist? Mittag!" Ich konnte es kaum glauben, Mittag, die Sonne stand hoch am Himmel.

      Durch seine Gegenwart fühlte ich mich sehr gehemmt, konnte aber Entzückungsrufe beim Anblick des Sees nicht unterdrücken. Er nickte wohlgefällig, gab Gas und augenblicklich befand ich mich auf der Achterbahn, und wieder krallte ich mich am Sitz fest.

      Der

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