Sonnenwarm und Regensanft - Band 1. Agnes M. Holdborg

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Sonnenwarm und Regensanft - Band 1 - Agnes M. Holdborg

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entschuldige bitte, dass ich dich heimlich beobachtet habe. Aber es war so spannend, dir zuzuhören. Außerdem denke ich, dass du das gar nicht bemerkst, wenn du deine Gedanken und auch deinen Namen laut aussprichst. Du redest von deinen Wünschen und Träumen. Manchmal handeln sie von Prinzen und Zauberern, Elfen und Feen. Das ist alles sehr verwirrend für mich, weil ich nicht verstehe, warum du das tust und wo du dann bist.«

      »Ich rede nicht!«

      »Tust du doch!«

      Er setzte sich einfach neben sie. Ganz nah, aber ohne sie zu berühren. Anna wollte protestieren. Dann jedoch stockte ihr der Atem, weil es sich beinahe so anfühlte, als würde er sie in sein eigenes Sonnenlicht tauchen. Sie dachte, dass sie sich eigentlich wünschte, von ihm berührt zu werden.

      Da ihre anfängliche Vorsicht und Skepsis allmählich einem regen Interesse gewichen waren, nahm ihre Verunsicherung noch zu. Wie konnte das sein? Der Drang, schnellstens das Weite suchen zu wollen, hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst. Verwundert stellte Anna fest, dass ihr seine Nähe seltsam vertraut vorkam, obwohl sie ihr hätte fremd sein müssen. Ja, sie fühlte sich sogar wohl. Diese Vertrautheit verleitete sie dazu, sich weiterhin mit ihm unterhalten und überdies von sich erzählen.

      »Okay, ich träume halt gerne, denke über mich nach und darüber, wie es wäre, in einem schönen Märchen zu leben, ohne Sorgen und so. Und dabei endlich einmal etwas, na ja, Besonderes zu sein. Ich weiß, das hört sich blöd an. Aber hier im Wald, genau an dieser Stelle, da fallen mir solche Dinge ein. Sie sind so klar und real.« Beschämt ließ sie den Kopf sinken. »Aber, dass ich sie laut ausspreche, wusste ich nicht. Das ist echt oberpeinlich.«

      »Ist es gar nicht«, erwiderte er ruhig, wobei seine Stimme noch ein bisschen dunkler und sanfter klang.

      Sie nahm nur noch wahr, wie er sie aufmerksam betrachtete und dabei den Blick aus seinen intensiven Augen in ihren versenkte. Diesem Blick standzuhalten bereitete ihr große Schwierigkeiten. Einen endlosen Moment lang starrten sie sich an, vergaßen, währenddessen Luft zu holen, bis Viktor die Stille beendete und weitersprach. Doch seine Augen wandte er nicht von ihr ab.

      »Ich finde, dass du sehr wohl etwas Besonderes bist, Anna. Du sitzt hier ganz allein in deinem Wald und träumst. Andere Mädchen treffen sich mit ihren schwatzenden Freundinnen, gehen aus, shoppen oder machen sonst was. Aber du bist so oft hier. Warum? Das ist auf jeden Fall sehr besonders.«

      Nun konnte sie seinem durchdringenden Blick nicht mehr standhalten und schaute wieder auf das grüne Moos. Aus Verlegenheit nahm sie ein kleines Birkenblatt vom Boden und fing an, es versonnen zu zerreiben. »Das hört sich für mich eher nach einem Freak an und nicht nach jemand Besonderem«, meinte sie leise und dachte unterdessen schmerzvoll an Jens und an den Nachbarsjungen. »Aber danke, ich gehe jetzt besser mal nach Hause, sonst vermissen sie mich vielleicht.«

      »Warum? Bleib doch bitte noch ein bisschen. Du bist doch sonst auch länger hier. Lass uns noch eine Weile zusammen hier sitzen, ja? Du könntest mir mehr von dir erzählen.«

      Insgeheim freute Anna sich riesig, dass er sie zum Bleiben aufforderte. Dennoch wunderte sie sich darüber, sich so schnell umstimmen zu lassen. »Okay, für ein Weilchen hätte ich noch Zeit. Es ist gerade so schön hell und warm hier. Aber eigentlich habe ich auch ein paar Fragen an dich.«

      Erneut lächelte er auf seine anziehende Art. »Na, dann mal los, Anna. Zuerst möchte ich lieber mehr von dir wissen. Ich bin ein guter Zuhörer.«

      Anna konnte es selbst kaum fassen, als sie anfing, völlig entgegen ihrer ursprünglichen Absicht, von sich und ihrer Familie zu berichten: Von dem Bruder, der sie ständig ärgerte und gängelte, sobald er sie sah. Von der Schwester, die zwar sehr lieb war, sie aber nicht richtig verstand. Vom Vater, seiner Fürsorge und seiner Liebe zu Holz. Und von der Mutter, mit ihrem feinen empathischen Gespür, die so gerne Bücher las, aber seit einiger Zeit zu müde dazu war, weil sie von Monat zu Monat kränker wurde. Von ihrem bevorstehenden Wechsel in die elfte Klasse, der sogenannten Oberstufe. Nur von ihren Wünschen und Sehnsüchten und auch Sorgen sprach sie nicht.

      »Die kennt er ja schon. Megapeinlich!«

      Viktor wirkte nachdenklich und konzentriert. Er schien interessiert zuzuhören, wobei seine Brauen sich etwas zusammenzogen und damit eine kleine senkrechte Stirnfalte formten. Dieses schöne, gedankenverlorene Gesicht zog Anna mit einem Mal derart an, dass sie ihm, beinahe wie aus einem Zwang heraus, mit den Fingern zart eine seiner Locken aus der Stirn strich. Dabei sah sie ihm tief in die Augen – und die verdunkelten sich augenblicklich. Hastig zog er sich ein Stückchen zurück.

      Oh Gott, war sie denn komplett verrückt geworden? »T…t…ut mir l…leid! I…ich w…w…weiß nicht«, stotterte sie und holte einmal tief Luft. »Ich weiß nicht, wieso ich das getan habe. Entschuldige bitte. Ich fänd das auch nicht prickelnd, wenn du mich einfach anfassen würdest.«

      Das war eine dicke, fette Lüge, jedoch hatte Anna das unbestimmte Gefühl, dass er auf keinen Fall berührt werden wollte. Zu ihrer Überraschung, aber auch zu ihrer großen Freude fing Viktor sich sofort wieder. Er lächelte und stellte, ohne einen Kommentar über die Berührung abzugeben, die nächste Frage: »Wieso erzählst du mir nur von deiner Familie und fast nichts von dir? Was ist? Ich wollte doch mehr von dir hören.«

      »Von mir? Ganz sicher nicht!«

      Aus irgendeinem Grund fiel es ihr immer schon unsagbar schwer, ihr Innerstes nach außen zu kehren. Deshalb würde sie ganz bestimmt nicht bei einem fremden Jungen damit anfangen, zumal dieser eigentlich schon viel mehr von ihr wusste, als er sollte. »Von mir gibt es nicht viel zu erzählen. Außerdem bin ich mal dran, dir Fragen zu stellen, meinst du nicht auch?«

      »Nun ja, von mir gibt es eben auch nicht viel zu berichten.« Abrupt erhob er sich. »Es ist spät geworden, Anna. Ich glaube, jetzt musst du wirklich nach Hause gehen, ehe sie dich suchen.«

      Etwas enttäuscht schaute Anna gedankenverloren auf die Uhr und erschrak, weil es bereits nach acht war.

      »Oh, tatsächlich, ich muss dann wohl mal los. Sehe ich dich wieder? Kommst du öfter her?« Augenblicklich ärgerte sie sich über ihre dumme Frage, war er doch erwiesenermaßen schon öfter hier gewesen. Er hatte es ja selbst zugegeben.

      »Boa, Anna, du bist sowas von blöd!«

      Viktor lächelte wieder. Offenbar hielt er ihre Frage nicht für dumm und antwortete freundlich, ohne spöttischen Unterton: »Oh ja, ganz bestimmt. Mach es gut, Anna.«

      »Ja, du auch, Viktor.«

      Sie hatte ganz wackelige Knie, als sie aufstand, und das kam sicher nicht vom langen Sitzen. Als sie stolperte, hielt er sie blitzschnell fest.

      So peinlich sie ihre Tollpatschigkeit auch fand, seine Berührung traf sie mitten ins Herz und überflutete all ihre schüchternen Gefühle. Es war, als öffnete es sich und ließe eine strahlend warme Mittagssonne hinein, und das trotz der Abenddämmerung.

      Eilig löste er sich von ihr. Sie meinte, einen erschrockenen Blick zu erhaschen. Doch als sie blinzelte, da war dieser Ausdruck verschwunden und ein erneutes Lächeln überzog sein Gesicht.

      »Geh, bevor du Ärger kriegst, Anna.«

      »Ja, Tschö.«

      »Tschö? Was meinst du damit?«

      Sie schaute in verwundert an. »Wie, was meinst du damit? Kennst du das etwa nicht?« Als er den Kopf schüttelte,

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