Miro. Christina Hupfer

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Miro - Christina Hupfer

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ja sowieso ganz gut, aber Englisch ist, glaube ich, fast noch wichtiger. Du bist jung und hübsch. Den Vorteil musst du nutzen. Du hast so eine schöne, klare, helle Haut. Dazu deine tiefblauen Augen und das dichte dunkle Haar. Geh doch mal zu Lydja und lass es ein wenig in Form schneiden.“

      Bei dem Gedanken an die Frisuren der alten Damen, die stolz ihre Köpfe reckten wenn sie mit blau getönten, frisch gewellten oder geflochtenen Haaren aus Lydjas „Salon“ stolzierten, verzog sie unwillkürlich das Gesicht.

      Ihre Mutter lachte: „Gib ihr eine Chance. Sie studiert immer noch abends sehnsüchtig Magazine mit Frisurvorschlägen, die sie an ihren Klienten nicht ausprobieren kann. Ich weiß das.

      Überhaupt kann ich dich mir gut am Schalter einer Bank oder so vorstellen. Und wenn du dann zu Besuch kommst, werden wir unverschämt mit dir angeben. Ja, so ist`s gut. Dein Lächeln hat noch gefehlt.

      ***

      „Hallo, bist du das? Miroslava?“

      Nicht nur der bewundernde Ausruf, sondern auch die Steine, die durch Mareks Motorrad beim Bremsen heftig aufspritzten, ließen sie abrupt anhalten. „Warst du in `ner Weibermühle?

      „Nein, nur in der örtlichen Schönheitsfarm. Bei Lydja!“, lachte sie nach dem ersten Schrecken geschmeichelt. „Was führt dich seltenen Gast in diese Einöde? Bist du der Prinz, der Aschenbrödel endlich auf seinem Ross entführen will?“

      „Wenn ich nicht den Stress hätte, dass sich schon zwei Schönheiten in der Stadt um mich streiten, würde ich mir das glatt überlegen!“, beantwortete er ihre nur zur Hälfte scherzhaft gemeinte Frage.

      „Aber wenn du hier raus willst...“ Abschätzig betrachtete er die ärmlichen Katen links und rechts der mit Schlaglöchern übersäten Strasse und den zerlumpt gekleideten Mann, der sich mit seinem schäbigen Eselkarren gerade an seinem glänzenden Motorrad vorbei zwängen wollte und es mit offenem Mund bewunderte. Er zeigte ihnen dabei eine Zahnreihe, die noch üblere Lücken aufwies, als der verwitterte Straßenbelag vor ihnen, und führte ihr das allgegenwärtige Elend unbarmherzig vor Augen. „Ich habe letzte Woche Andrej getroffen. Kannst du dich noch an ihn erinnern? Er hat mir erzählt, dass er jemanden kennt, der über eine seriöse Agentur Aupair-Mädchen ins Ausland vermittelt. Das wär` doch was für dich. Du bist hier ja am Versauern. Wäre doch die Gelegenheit, eine fremde Sprache perfekt zu lernen. Ein Sprungbrett in tolle Jobs. Mit guten Sprachkenntnissen hast du überall viel bessere Chancen. Wenn du willst, kann ich für dich ja mal die Telefonnummer rausfinden.“

      4

      Wenige Wochen später saß sie — sie konnte es noch gar nicht richtig fassen — zitternd vor Anspannung im Flugzeug neben Karel und blickte hinunter auf die unheimlich schnell schrumpfende graue Stadt. Sah mit einem Kloß im Hals die kleinen Katen und die Dörfchen verschwinden. Der vertraute Fluss begleitete sie noch ein Stück weit durch immer winzigere Felder, dann durchbrach das Flugzeug die Wolkendecke, und die aufstrahlende Sonne schien mit ihr ihrem Ziel entgegenzufiebern.

      Nicht mal die Frage ihres Begleiters, betont mit einem nach oben gerichteten, nicht gerade amüsierten Blick über einer gerümpften Nase: „Sag mal, hast du die ganze Jahresknoblauchwurstproduktion des Dorfs im Gepäck?“, konnte ihre freudige Erwartung dämpfen.

      Es roch schon etwas kräftig aus dem Fach über ihnen, das musste sie zugeben, aber sie hätte es nicht fertiggebracht, auch nur eine einzige der gut gemeinten Gaben abzuweisen. Und so beherbergte ihr Handgepäck neben ein paar nahrhaften, von Sirup triefenden Baclavas und fettigen Banizas eben auch diese stark gewürzte Wurst, deren Duft durch die Flugzeugkabine waberte. Da halfen anscheinend auch nicht die Lagen dicker Plastikfolie und die selbst genähte handbestickte Weste von Baba Dora, in die sie eingewickelt war.

      Es war alles so schnell gegangen. Sie schaute zu Karel hinüber. Abgesehen davon, dass er sie gerade hatte merken lassen, dass er den streng riechenden Reiseproviant nicht so angenehm fand, hatte er sich bisher rührend um sie gekümmert. Elisaveta, die den Absprung aus dem Dorf auch noch nicht geschafft hatte, hatte neidvoll gemeint: „So ein Mann, diese Figur, so elegant gekleidet und so charmant, so einer verirrt sich sicher nicht noch mal in unser Kaff. Und die helle Strähne in seinem dunklen Haar, damit sieht er doch göttlich aus. Pass nur auf, dass der dir nicht durch die Lappen geht!“

      „Ach, Lisa, ich hab im Moment gar keinen Nerv für einen Gedanken an eine Affäre.“

      „Na, er irgendwie schon. So, wie er dich ansieht.“

      „Ach Quatsch, er ist einfach nur nett. In Deutschland gibt es sicher was Besseres für ihn als uns Landpomeranzen.“

      Er hatte sich nur wenige Tage später gemeldet, nachdem Marek sich, natürlich schwungvoll und leider wieder viel zu schnell, von ihr verabschiedet hatte. Er hatte sich dafür sogar auf den Weg in ihr entlegenes Dorf gemacht und ihr einen unglaublich interessanten Vorschlag unterbreitet.

      „Es ist etwas dringend. Nachdem was ihr Freund mir von Ihnen erzählt hat, wären Sie ideal für diese Stelle.“

      „Wieso denn das?“ Sie hatte versucht, nicht gar zu eifrig zu klingen.

      „Nun, diese bulgarische Familie wurde gerade erst nach Deutschland versetzt. Der Mann ist im diplomatischen Dienst, und das bedeutet, dass seine Frau auch viele Verpflichtungen hat. Deshalb suchen sie für ihre zwei Kinder dringend eine Person, die ihre Sprache spricht, nicht zu alt und vertrauenswürdig ist. Sie müsste auch bereit sein, für die beiden das Mittagessen zu kochen. Und nicht nur Fastfood servieren. Sie können doch kochen?“

      „Natürlich. Das muss man hier können. Oder sehen sie hier auch nur so was Ähnliches wie eine Imbissbude?“

      „Sehr gut.“ Er holte ein Foto aus seiner Brieftasche. „Das sind Petar und Juli.“

      Es zeigte zwei hübsche aufgeweckt aussehende Kinder. Der kleine Junge präsentierte lachend und unbekümmert eine riesige Zahnlücke, und das etwas ältere Mädchen mit den abstehenden Zöpfen hielt sich ernsthaft an ihrem Puppenwagen fest. Die Kleidung der zwei und das Haus im Hintergrund verrieten, dass hier nicht jeder Lew zwei mal umgedreht werden musste.

      „Es wäre ihnen natürlich am liebsten sie könnten sofort anfangen. Für ein Jahr, danach würde man sehen. Sie sprechen ja wahrscheinlich kein Deutsch?“

      „Ich. Ein wenig...“

      „Nun, das ist auch nicht nötig. Das lernen sie schnell. Ihre Arbeitgeber legen großen Wert darauf, dass sie gemeinsam mit den Kindern lernen. Sie können dort auch eine Abendschule besuchen.“

      „Ich würd‘ ganz gern diese Leute persönlich kennenlernen.“ Ihr Vater, der zwar in seinen ausgebeulten Hosen und dem schütteren, weißen Haar – wann war es so weiß geworden? – gegen den eleganten Städter etwas weltfremd wirkte, war nicht so schnell zu begeistern.

      Das war natürlich nicht möglich. Aber ein kurzer, intensiver Briefwechsel mit der Familie Arsa, bei dem noch ein paar weitere Fotos hin- und her gesandt wurden, überzeugte ihre Eltern dann auch. Und deshalb befand sie sich nur wenige Wochen später erwartungsvoll und etwas beklommen auf ihrem Weg in die Zukunft.

      ***

      Bei der Ankunft schien dann leider einiges schief zu laufen. Noch während sie in Berlin am Gepäckband auf die Koffer warteten erhielt Karel einen Anruf. Er erklärte der verstörten Miroslava, Familie Arsa müsse wegen

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