Süße Lust Tochter. Katrin Ludwig

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Süße Lust Tochter - Katrin Ludwig

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erschrocken und eilig erklärt: "Nein. Bloß mal so. Es lassen sich doch in meiner Klasse so viele Eltern scheiden. Mehr als die Hälfte hat keinen Vater mehr oder einen neuen."

      Die Mutter schwieg erst ein Weilchen, dann sagte sie: "Glaub mal, es gab schon solche Situationen, in denen ich dachte, dann geh ich eben. Du bist ja jetzt groß genug. Kannst es ruhig wissen."

      "Wieso würdest du gehen?" fragte Fränzi zurück. "Wieso geht nicht Papa?"

      "Der?" Die Mutter fragte es überraschend schrill, "der würde nie seine Wohnung verlassen. Ist doch alles seins, die Möbel, die Tochter, selbst ich. Das ist es ja gerade", sie lachte etwas hysterisch. "Er würde nicht mal mich gehen lassen. Er ist eine Art Sklavenhalter. Aber er liebt seine Sklaven, sorgt für sie, verdient gutes Geld, nimmt alle Sorgen auf seine Schultern. Er ist ein guter Vater geworden. Wer hätte das geglaubt!"

      "Wollte er keiner werden?"

      Die Mutter hatte sich damals mit ihrem Lieblingskaffeetopf neben Fränzi gesetzt. "Also Dinge bereden wir. Das sollten wir eigentlich nicht tun." Sie schwieg einen Moment, strich dann Fränzi sanft über die Wange. "Daran merkt man, dass die Kinder erwachsen werden. Man bespricht mit ihnen Sachen, die nicht in ein Kinderohr gehören."

      Fränzi feixte und griff zum Kaffeetopf. "Dann gib auch einen Schluck Kaffee rüber, der gehört auch nicht in einen Kindermund."

      Amüsiert sah ihr die Mutter zu, wie sie genießerisch den Kaffee in sich hineinschlürfte. "Wirst auch mal 'ne richtige Kaffeetante", sagte sie und fuhr fort. "Nein, dein Vater wollte überhaupt keine Kinder. Er wollte auch nicht heiraten. Er wollte ein Junggeselle bleiben. Mal 'ne Freundschaft, mal 'ne Liebe. Alles okay. Aber dann wurde ich schwanger und hab es zu spät gemerkt. Ich war schon im vierten Monat. Dein Vater hat später mal behauptet, ich hätte es mit Absicht verpasst. Aber es war wirklich so. Ich hatte die Menstruation immer sehr unregelmäßig und mich daran gewöhnt, mal kam sie und mal nicht. War eben so. Insofern ist mir erst sehr spät aufgefallen, dass nun schon monatelang keine Regel war. Ich ging zum Arzt und der sagte es mir."

      Fränzi sah die Mutter aufmerksam an. Sie sah so jung aus, wie sie das alles erzählte. So jung und so traurig. "Hast du dich gefreut?" fragte Fränzi.

      "Ich sagte doch, Vater wollte keine Kinder. Die Mark ist dann nur noch die Hälfte wert, hat er immer gesagt. Keine Heirat, keine Kinder, gesund bleiben und alt werden. Das war seine Devise."

      "Also hast dich nicht gefreut", konstatierte Fränzi, obwohl es ihr ein wenig stichig innerlich war.

      "Ach Gott", die Mutter seufzte, "was heißt freuen. Ich hatte das Alter allemal und einen Beruf auch. Ich hätte uns zur Not auch allein ernähren können. Aber es gab so Vorstellungen in mir. Ich wollte eine Familie, zwei oder drei Kinder, ein kleines Haus, einen Hund, na eben so, wie man das alles immer im Kino sieht. Heute ja nicht mehr, aber früher, zu meiner Zeit, eben sehr."

      "Und Oma?" fragte Fränzi, "hat sie dir nicht geholfen?"

      Die Mutter nickte. "Oma hat mir sehr geholfen. Kennst doch Oma. Sie hat doch immer gesagt, wenn man den Krieg überlebt hat, dann kann nicht mehr viel Schlimmeres kommen. Sie war die Einzige, die Tränen in den Augen hatte, als ich ihr sagte, dass ich schwanger bin. Na endlich mein Mädchen, hat sie gesagt und 'das kriegen wir auch noch groß'. Sie hat irgendwie nicht damit gerechnet, dass dein Vater und ich heiraten würden."

      "Habt ihr aber", sagte Fränzi zufrieden, "kann man ja sehen." Sie wies auf das golden gerahmte Hochzeitsbild über dem Vertiko, das sie so gern ansah, weil die Eltern so schön darauf aussahen.

      "Da war ich schon im achten Monat", sagte die Mutter und sah wehmütig auf das Foto. "Der Fotograf musste mich so stellen, dass man meinen Bauch nicht sah. Dein Vater wollte das Bild doch seinen Eltern nach Wuppertal schicken. Die hielten auf Anstand."

      "Aber als ich dann da war, da hatte Papa mich gleich lieb, ja?" Fränzi sagte es fast bittend.

      "So ähnlich schon." Die Mutter wich aus. Der Vater hatte überhaupt keine Anstalten gezeigt, zur Geburt seiner Tochter nach Haus zu kommen. "Die krieg ich noch früh genug zu sehen", ließ er die Mutter wissen. Fränzi war fast ein Vierteljahr, da sah er sie zum ersten Mal.

      "Als du dann größer wurdest, ein richtiges Mädchen, niedlich mit Schleifchen und Röckchen, da war er versessen darauf, dich zu zeigen, mit dir auszugehen, dich ins Bett zu bringen. Ich weiß auch nicht genau, wieso das so plötzlich. Aber von da ab war er ein leidenschaftlicher Vater." Die Mutter nickte. "Besser spät als nie", sagte sie, "und du bist ja auch so eine richtige Vatertochter geworden."

      Fränzi fiel das Spiel mit Dörte ein. Sie hatte das Zimmer verlassen, nicht ohne die Mutter heftig zu umarmen.

      Der Tag zeigte sich von seiner schönsten Seite, kurz nach der Mittagszeit lag der See spiegelglatt und die Sonne hatte ihn zur Hälfte umwandert. Fränzi ging zum Bootssteg und nahm sich den zweiten Kahn, ruderte weit auf den See hinaus, dann ließ sie sich treiben. Der Tag hatte ihr den Frieden zurückgegeben. Und sie wollte Frieden mit dem Vater. Er würde heute Abend mit einem Fisch kommen und sie wollte gewappnet sein und keine Angst haben. Sie würden, wie sie den Vater kannte, über nichts anderes reden, als über die Zubereitung des Fisches. Vielleicht ein Hecht oder ein Zander. Der Vater hatte sie gelehrt, Fisch zuzubereiten. Den letzten Hecht hatte sie ganz allein gebraten und er war ihr vorzüglich gelungen. Vaters Freund, Karl, hatte sie sehr gelobt und ihr wiederholt bestätigt, dass sie nicht nur bildschön sei, bildschön hatte er gesagt und den Arm um ihre Schultern gelegt, sondern auch vom Fisch solange gegessen, bis ihm eigentlich schlecht war. Karl vertrug selten Gebratenes.

      Fränzi musste lächeln, wenn sie an die Szene dachte. Sie hatte sich für die beiden Männer besonders hübsch machen müssen. Das Auge isst mit, hatte der Vater gesagt. Zieh nicht zu viel an und auch nicht zu wenig. Fränzi hatte ihre Lieblingsbluse angezogen. Hauchdünne Spitze mit einem blauen Seidenbändchen am Hals. So hatte sie den Hecht serviert und sich wie eine brave Hausfrau zu den Männern gesetzt. Der Vater hatte Karl gefragt, wer ihm wohl besser gefiele, das Mädchen oder der Hecht. Karl hatte nur gegrinst: "Alles zu seiner Zeit, erst den Hecht." Er hatte es auf eine Art gesagt, die Fränzi nicht angenehm war.

      Sie nahm die Ruder und trieb den Kahn wieder zurück auf die Mitte des Sees, dann sprang sie ins Wasser und genoss seine Weichheit und Klarheit. Die Großmutter hatte nie verabsäumt, bei jedem Baden auf die Qualität des Wassers hinzuweisen. Nun, nach ihrem Tod, kamen ihre Worte von allein.

      Gut, also der Vater würde mit dem Fisch kommen, sie würde ihm entgegengehen, sie würde keine Angst haben, sie würde so tun, als gäbe es nichts, als sei alles normal, alles wie immer. Sie wollte seinen Körper vergessen, sein verzerrtes Gesicht, seine heisere Stimme und den Geruch, diesen ekelhaften Geruch ...

      Da wusste sie mit einem Male, dass sie es nicht bringen würde. Eltern, so sagte sie sich, sind auch nur Menschen, machen Fehler, sind wie sie sind. Wie oft hatte ihr die Mutter eine Ohrfeige gegeben, für nichts und wieder nichts, nur weil sie nervös und überreizt aus der Kneipe kam, aus der sie seit Jahren schon wegwollte, weil ihr die Kerls auf die Nerven gingen. Sie war nicht gegangen, weil hier alles vertraut war, weil die Kollegen mit ihr alt geworden waren, weil man sich kannte und nichts mehr zu erklären brauchte. Hatte Fränzi jemals der Mutter ihre Ungerechtigkeit nachgetragen? Ihr fiel jene nächtliche Szene ein, die es ihr lange schwer machte, der Mutter, vor allem ihr, unbefangen in die Augen zu sehen.

      Es war schon hier, im Sommerhaus gewesen. Sie war nachts wach geworden von lautem Stöhnen und kleinen schrillen Schreien, denen sie erschreckt nachging bis vor die offene Badezimmertür. Sie sah die Eltern nackend vor der großen Spiegelwand. Die Mutter vornübergebeugt mit offenem Mund, aus dem die kleinen Schreie kamen. Hinter

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