Marrascas Erbe. Gerhard Schumacher
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Als ich mich auf den Weg in die Bar El Ultim machte, war mir, da ich die Haustür hinter mir zuzog, mit einem Mal klar, daß ich, wenigstens zur Zeit, nicht in der Lage gewesen wäre, alleine in dem Haus des Raben zu wohnen und entwickelte für Álvaros liebesbedingte Anwesenheit eine gewisse Form der Dankbarkeit.
Erst als ich schon einige Schritte die Carrer Major entlanggegangen war, fiel mir auf, daß ich mein Heim mit dem Beinamen Don Xaviers bedacht hatte. Und es war auch das erste Mal, daß mir das Synonym durch den Kopf schoß, wenn ich an Senyor Marrasca dachte.
Wie sich schnell herausstellte, war der Weg Álvaros hinauf zur Kirche insofern vergebens, weil Don Remigio schon geraume Zeit in der Bar El Ultim saß und auf mich wartete. Etwas außer Atem nahm der Chauffeur diesen Umstand nach seiner Rückkehr zur Kenntnis und begab sich verärgert auf seinen Stammplatz nahe der Küchentür, aus der ab und zu Bienvenida ihr, zugegeben, hübsches Köpfchen steckte. Überhaupt war sie seit den Bemühungen ihres Verehrers sichtlich schöner geworden, schöner jedenfalls, als ich sie noch von früher in Erinnerung hatte. Diese Einschätzung konnte jedoch auch auf einem gewissen Wunschdenken beruhen. Ich war mir nicht ganz sicher.
Man sah Don Remigio deutlich an, daß er schon eine gut bemessene Zeitspanne gewartet haben mußte, seine Augen schauten etwas verschwommen durch die Umwelt und als ich die Bar betrat, gestikulierte er sogleich etwas wild mit beiden Armen, gab mir zu verstehen, er müßte mir etwas Wichtiges mitteilen und kippte dabei schwungvoll sein Weinglas über der Tischdecke aus.
„Setzen Sie sich Don Diego, nehmen Sie Platz“, er winkte Consuela, den Tisch neu einzudecken, „ein Gläschen, trinken Sie ein Gläschen von diesem hervorragenden tempranillo, Sie werden es nicht bereuen.
Ich habe nachgedacht, Don Diego, ich habe über unser Gespräch vor einiger Zeit nachgedacht, Sie erinnern sich, die Existenz Gottes betreffend und natürlich auch über die dann notwendige seines Gegenspielers, des Herrn Luzifer, oder wie immer man den einen oder den anderen bezeichnen will, ich bin ja in dieser Frage nach allen Seiten offen, wie Sie wissen, trotz meines Berufs, anders im Übrigen als mein Vorgesetzter in der Ewigen Stadt. Also ich habe nachgedacht und bin zu dem Schluß gekommen…“
Ich unterbrach den Redeschwall des pare mit einer Geste, wartete, bis Consuela die neue Tischdecke glattgestrichen hatte und legte dann auf das saubere Tuch die beiden Fotografien vor Don Remigio hin.
Während er die Bilder betrachtete, lehnte ich mich zurück und trank von dem wirklich vorzüglichen tempranillo, der pare hatte nicht übertrieben. Ich hatte mich inzwischen wieder so weit beruhigt, daß ich den verführerischen Duft des Zickleinbratens aus der Küche wahrnahm. Auch Álvaro hatte also die Kochkünste Bienvenidas nicht übertrieben. Beides, der Wein und das bevorstehende Mahl erfüllten mich mit einer inneren Befriedigung, die ich noch vor wenigen Minuten mit meinem weiteren Dasein für unvereinbar erklärt hätte. So schnell kann sich eine angenehme Umgebung im Gemüt niederschlagen.
Don Remigio holte mich schnell aus meinen Träumereien in die Wirklichkeit zurück.
„Wer ist das da auf den Bildern? Ich meine nicht Don Xavier und seine Gattin, sondern den Dritten da im Hintergrund, der so aussieht wie Sie aussehen. Ich frage Sie erneut, Don Diego, wer ist der Kerl?“
Und schon war’s vorbei mit dem harmonischen Gefühl, der gemeine Schrecken hatte mich wieder.
„Offensichtlich bin ich es ja wohl, wer sollte es sonst sein? Bitte beachten Sie den Ring des Senyors, der eine nicht zu verwechselnde Ähnlichkeit mit dem aufweist, den ich hier an gleicher Stelle trage. Ich weiß zwar nicht, wie das gehen soll, aber offenbar bin ich faktisch die Person dort auf den Fotografien. Einmal ungeachtet der Tatsache, daß ich zum Zeitpunkt der Aufnahmen wahrscheinlich noch gar nicht geboren war, oder aber mich erst im zarten Alter von ein oder zwei Jahren befand. Auf jeden Fall jedoch war meine Erscheinungsform vor dreißig Jahren eine andere als sie heute ist. Das kann keiner abstreiten, obwohl die Fotografien es anders darzustellen scheinen.
Und nun, Don Remigio, können Sie Ihre neu gewonnenen spirituellen Erkenntnisse über Gut und Böse, schlecht und noch schlechter, auf Teufel komm raus sozusagen, an meinem konkreten Fall ausprobieren. Tun Sie sich keinerlei Zwänge an, ich erteile Ihnen jede erdenkliche Vollmacht und, wenn es Sie beruhigt, im Voraus die Absolution. Letzteres aber nur, wenn irgend etwas nicht so laufen sollte, wie Sie es sich vorgestellt haben. Te absolvo, hin oder her.“
Der pare schaute mich irritiert an, runzelte die Stirn und sprach dann:
„Nun beruhigen Sie sich doch, Don Diego. Alles wird sich aufklären. Ihre Flucht in den Sarkasmus bringt uns keinen Schritt weiter. Nun erzählen Sie mir erst einmal, wie Sie zu den Aufnahmen gekommen sind, dann sehen wir weiter.“
Ich berichtete ihm von dem Unterschrank mit den zwei Schubladen, den ich heute eher zufällig bemerkt hatte, der Kiste mit den Fotos und meiner Entdeckung darin, die ich ja eigentlich dem Chauffeur Álvaro zu verdanken hatte.
Don Remigio fragte, ob ich der Meinung sei, der Schrank hätte schon immer dort gestanden und war erst jetzt von mir bemerkt worden, oder ob ich es für möglich hielt, daß der Schrank neu an dieser Stelle stand.
„Aber Don Remigio, natürlich muß der Schrank schon immer dort gestanden haben, er dient als Unterschrank zu einem Regal voller Bücher. Mir ist er bisher nicht aufgefallen, weil es zufällig die dunkelste Ecke im Raum ist und ich in meiner Durchsicht der Bibliothek noch nicht bis dahin gekommen war. Wer sollte denn nachträglich einen Schrank ins Haus schmuggeln und ihn mit großem Aufwand unter dem Regal einbauen? Warum sollte der Unbekannte das tun und vor allen Dingen, wann, ich bin ja ab mittags immer im Haus. Ich bitte Sie, das scheint mir nun doch sehr weit hergeholt. Machen Sie mich nicht konfuser als ich ohnehin schon bin.“
Der pare sagte nichts zu meiner Erwiderung, zuckte lediglich mit den Schultern und machte ein zweifelndes Gesicht. Nach einer Pause, in der er nochmals eingehend die Fotografien studierte, sprach er:
„Die abgelichtete Person hat ohne Zweifel eine sehr große Ähnlichkeit mit Ihnen, das steht außer Frage. Es bedeutet aber nicht, daß Sie selbst mit dieser Person identisch sind. Nach allem, was die Naturgesetze uns lehren, wissen wir, daß so etwas nicht möglich ist. Genauso wenig wie es möglich ist, an zwei verschiedenen Orten zur gleichen Zeit zu sein.
Und kommen Sie mir nicht mit irgendwelchen okkulten Sperenzchen, dem Teufel und seinem Schabernack zum Beispiel. Falls es diesen Herrn wirklich geben sollte, wäre er nicht so blöd, mit derart einfältigen Spielchen den Verdacht auf sich zu lenken. Genauso wenig übrigens wie sein Gegenpol Tränen aus Statuen fließen läßt oder anderer Blödsinn arrangiert, den man einfältigen Gemütern als Wunder verkaufen kann. Hokuspokus, Gaukeleien, Jahrmarktsniveau, das wissen Sie ebenso, wie ich es weiß.
Nein, da steckt etwas anderes dahinter. Die einfachste Antwort heißt: Doppelgänger. Sie hatten einen Doppelgänger, der seiner Zeit und damit Ihnen um mehr als dreißig Jahre voraus war. So etwas hat es schon gegeben, Doppelgänger. Wenn da nicht der Ring wäre. Der Ring, der ja nun beweist, daß zwischen der abgelichteten Person und Ihnen irgendeine Verbindung besteht. Und, daß es eine Verbindung zwischen dem Fremden, Ihnen und den beiden Marrascas gibt. Da bin ich mir ziemlich sicher. Wo haben Sie den Ring eigentlich her?“
In diesem Moment brachte Consuela den Braten vom Zicklein, er roch sehr stark nach all, in unseren Landen als Knoblauch mehr verkannt denn beliebt. Eine Pflanze, die ich zwar kannte, die in meiner