Marrascas Erbe. Gerhard Schumacher
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Hinter der Küche, vom schmalen Flur begehbar, gleich neben der Tür zum Vorratsunterstand, befand sich ein Abort, dem sich eine Art Badestube mit einem zinkenen Zuber und Wasserreservoir samt Kohleofen anschloß.
Eine schmale Treppe führte ins erste Stockwerk, in dem sich insgesamt drei Zimmer befanden. Das ehemalige der Dona Maria, in dem nun der Chauffeur Álvaro seinen liebeskummerbedingten Rausch ausschlief, und jenes, das Don Xavier als Arbeitszimmer genutzt hatte, welches ich nun bewohnte. Beide Räume waren in etwa gleich groß und zeigten, nebeneinander liegend und mit jeweils zwei Fenstern versehen, zur Straße hinaus. Über den Treppenabsatz war das dritte Zimmer erreichbar, das sowohl begehbarer Kleiderschrank als auch An- und Umkleidezimmer gewesen sein mochte, denn an die Wände waren Schränke eingepaßt, die eine beträchtliche Anzahl von Kleidungsstücken, für Mann und Frau getrennt, enthielten, gleichwohl deren Zuschnitt auf ein älteres Entstehungsdatum schließen ließ und keinesfalls den derzeit aktuellen modischen Gepflogenheiten entsprach.
In Fortsetzung der schon erwähnten Treppe gelangte man in die über der ersten liegende Etage, deren drei Zimmer eine fast gleiche Größe aufwiesen. Zwei davon waren offensichtlich als Gästezimmer gedacht gewesen, denn sie enthielten neben Tisch und Stuhl auch jeweils Bett und Schrank. Der dritte Raum aber beherbergte eine recht umfangreiche Bibliothek, in die ich mich sofort verliebte und die zu erforschen ich mir als vordringlich vermerkte. Neben den Buchregalen, die jede freie Wandfläche, sogar den Platz über der Zimmertür, bedeckten, gab es einen ledernen Sessel, der bequem und behaglich daher kam und seitlich davor ein gediegenes Rauchertischchen, gerade groß genug, ein Glas Wein und den Aschenbecher für eine gute Zigarre darauf abzustellen.
Über einen weiteren Treppenabschnitt gelangte man dann auf die Dachterrasse, die mit einer hüfthohen Brüstung versehen war. Ringsum hatte Dona Maria tönerne Schalen und Amphoren unterschiedlicher Größe aufgestellt, die mit prachtvollen Exemplaren der heimisch mediterranen Flora bepflanzt waren. Eine erdbraune Steinbank und ein ebensolcher Tisch luden zum Verweilen. Gleichzeitig schützten die Pflanzen vor den Blicken allzu neugieriger Nachbarn, gaben aber dennoch genügend freie Sicht auf die Dächer der Stadt, Don Remigios nahe Kirche Transformaciò del Senyor und dem etwas höher gelegenen Santuari. Eine Therme fing das Regenwasser auf und leitete es bei Bedarf in die Badestube im Erdgeschoß.
Als ich die Dachfläche betrat, wußte ich sofort, noch bevor ich zum ersten Mal auf der steinernen Bank gesessen hatte, daß sie, neben der Bibliothek ein Stockwerk tiefer, mein bevorzugter Aufenthaltsort im Haus, beziehungsweise außerhalb desselben sein würde.
Allmählich fand ich wieder in meinen alten Trott, die neu getroffenen Arrangements mit Consuela und Bienvenida spielten sich nach den üblichen Anfangsschwierigkeiten im Lauf der Zeit ein.
Vormittags begab ich mich auf Erkundungstour in die nahe Umgebung, ohne allerdings planvoll und mit einem bestimmten Ziel vorzugehen. Ich ließ mich einfach treiben und träumte vor mich hin. Mittags, wenn die Hitze am Größten war, trank ich in der Bar El Ultim meinen Kaffee, um anschließend in meinem kühlen Heim ein erfrischendes Schläfchen zu halten. Nachmittags begab ich mich auf die schattige Dachterrasse, trank kalten rosado und schmökerte in einem Buch aus der Bibliothek. Abends schließlich traf ich mich mit Don Remigio zum Nachtessen im El Ultim und abwechselnd leisteten uns auch Don Basilio, der advocat, der alcalde oder der metge Gesellschaft.
Es waren, je nach dem, besinnliche oder feucht fröhliche Abende, die sich oft bis in die frühen Morgenstunden hinzogen und nicht selten kam es vor, daß Don Remigio oder auch Don Basilio in meinen Gästezimmern nächtigten, weil ihnen in ihrem Zustand der Heimweg hügelaufwärts mit den steilen Treppenstufen zu mühselig erschien. Eine vernünftige Einschätzung, die sicherlich zutraf und in ihrer Weisheit dazu beitrug, Verletzungen von Körper, Geist und Ansehen der beiden Geistlichen auf ein Minimum zu reduzieren.
Eines Tages, mir stand der Sinn nach einem kleinen Ausflug über die Insel, ließ ich mich von Álvaro über Pollenca nach Sóller, von dort weiter über den Coll de Sóller nach Deia und schließlich bis nach Valldemossa fahren. Da ich ihn immer wieder anzuhalten hieß, damit ich mir in Ruhe die wilde klippenreiche Landschaft ansehen konnte, gelangten wir erst abends am Zielort an, und waren gezwungen, in der Herberge Can Mario Zimmer zu nehmen, um dort die Nacht zu verbringen. Das paßte Álvaro nun rein gar nicht, konnte er doch den Abend nicht in der Nähe seiner großen Liebe Bienvenida verbringen. Nach einer Weile aber sah er ein, daß eine Rückfahrt in der Dunkelheit zu gefährlich war und fügte sich seinem Schicksal.
Wir verlebten einen angenehmen Abend mit gutem Essen und viel Wein, während wir uns angeregt unterhielten.
Ich schlief tief und fest in der frischen Luft, die das Meer herüberschickte und erwachte am anderen Morgen ausgeruht und guter Dinge.
Anderntags besuchten wir noch die Einsiedelei mit der Kartause, in der Frédéric Chopin und George Sand einige Zeit verbracht hatten, schlenderten ein wenig durch die Gassen des malerischen Örtchens Valdemossa und begaben uns mittags auf die Heimfahrt. Ohne Zwischenfälle erreichten wir am frühen Abend Artà und Álvaro eilte zielstrebig in die Bar El Ultim, um seiner Angebeteten Bericht zu erstatten und seine Abwesenheit am Abend zuvor zu erklären.
Ich selbst aber begab mich in den kühlen Schatten meiner Dachterrasse und ließ den Besuch auf dem Coll de Sóller und in der Einsiedelei von Valldemossa im Geiste nochmals Revue passieren.
Natürlich hatte sich mein Erbe schnell im Städtchen herumgesprochen, ebenso wie die vierteljährlichen Zuwendungen, über deren Höhe zwar niemand genau Bescheid wußte, über die aber, dessen ungeachtet, abenteuerliche Gerüchte in Umlauf waren. Die Leute tuschelten und überboten sich gegenseitig in Vermutungen und Unterstellungen, wie das in jeder Kleinstadt dieser Größenordnung der Fall gewesen wäre. Man lebte eben nicht anonym und unerkannt als einer unter vielen gleich Unbekannten. Man lebte hier mittendrin in der Gemeinschaft und bekam das auch tagtäglich zu spüren. Aber mich scherte der Klatsch der Leute auf dem Markt wenig, zumal er sofort verstummte, sobald ich in Hörweite vorbeiging.
Die Leute wußten außerdem um meine Freundschaft zu den beiden pares und den anderen Honoratioren des Ortes und waren daher vorsichtig genug, es sich mit diesen durch allzu gewagte Äußerungen nicht zu verscherzen, zumal an meinem Lebenswandel nun wahrlich nichts auszusetzen war.
Nach und nach verstummten dann auch die Gerüchte und die Alltagsgespräche der Menschen nahmen ihren Verlauf, auch wenn ich hinzukam, denn sie hatten die ewig gleichen Themen zum Inhalt, das Wetter, die Orangenpreise und die verfehlte Politik der Zentralregierung.
Mein Erbe, die Umstände, wie ich es erlangt hatte und die Höhe der Zuwendungen gehörten nicht mehr dazu.
„Bon dia, com va?“ Bald schon war ich als einer der ihren akzeptiert, von den Alten auf der Placa d’ Espanya respektvoll mit Don Diego angesprochen, wenngleich sie mich hinter meinem Rücken unter sich nur el alemany nannten. Aber, erklärte mir Don Remigio, daran sollte ich mich nicht stören, sondern diesen Beinamen vielmehr als Ausdruck höchster Wertschätzung verstehen. Ich verstand in diesem Sinne.
Zuerst nur vereinzelt, dann vermehrt erhielt ich an den Wochenenden Einladungen zu der einen oder anderen festa auf einer finca in der nahen Umgebung oder einem menjar a l’aire lliure, einer Art Picknick auf einer Wiese vor der Stadt oder an der Küste. Dabei hatte ich stets den Eindruck, man behandelte mich wie einen Ehrengast, was mir zunehmend peinlich war. Nicht nur, daß mir immer