Marrascas Erbe. Gerhard Schumacher

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Marrascas Erbe - Gerhard Schumacher

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mechanisch Lage für Lage abräumte, um dann eine neue an die Plätze der alten aufzulegen.

      Allmählich näherte ich mich dem Rest der noch in der Kiste verbliebenen Bilder. Und auch dem in der Weinflasche. Als ich die Treppe hinabstieg, eine neue aus dem kellerartigen Verschlag zu holen bemerkte ich einen leichten Rausch in Kopf und Beinen, über den ich völlig unmotiviert plötzlich laut auflachen mußte. Daraufhin steckte Álvaro den Kopf aus seinem Zimmer und fragte, was los sei und ob er helfen könnte. Ich verneinte, immer noch lachend, setzte zu einem Erklärungsversuch an, und als dieser nicht so recht gelingen wollte, lud ich Álvaro ein, die nächste Flasche Wein zusammen mit mir auf der Dachterrasse zu leeren.

      Erfreut über die Einladung sagte der Chauffeur sofort zu, und nachdem ich eine neue Flasche rosado aus dem Verschlag geholt hatte, begaben wir uns beide gemeinsam nach oben auf das Dach.

      Während ich die Weinflasche entkorkte, erklärte ich Álvaro, wo ich die Bilder gefunden hatte und wer darauf abgebildet war. Der Chauffeur räumte die Fotos vom Tisch ab und legte den in der Kiste verbliebenen Rest nebeneinander auf. Aufmerksam betrachtete er die Bilder und murmelte Unverständliches in mallorquin vor sich hin. Als wäre er kurzsichtig, hob er Bild für Bild hoch, hielt es sich vor die Augen und nachdem er es eingehend betrachtet hatte, legte er es zurück auf den Tisch, um das nächste aufzunehmen.

      Ich hatte mein Interesse inzwischen zur Gänze von den Bildern weg zum Wein hin verlagert und hielt gerade das Glas in die untergehende Sonne, um die hellrote Farbe des rosados zu prüfen, als mich Álvaro aus meinen Betrachtungen riß.

      „Komisch“, sagte er und betrachtete zwei Fotos, die er sich abwechselnd vors Gesicht hielt, „es ist zwar nach allem, was Sie mir erzählt haben, eigentlich nicht möglich, aber ich würde meinen, auf diesen beiden Bildern sind Sie mit drauf.“

      „Unsinn Álvaro, das kann nicht sein.“

      „Sag ich ja, aber die Ähnlichkeit ist schon verblüffend. Schauen Sie doch selbst“, antwortete er und hielt mir die beiden Bilder hin.

      Die Aufnahmen waren augenscheinlich in einem Straßencafé gemacht. Im Vordergrund an einem kleinen runden Bistrotischchen saßen, vom Betrachter aus gesehen, rechts Dona Maria, ein Bein über das andere geschlagen, die Knie züchtig durch den Rock bedeckt und links Don Xavier, den linken Arm auf die Tischplatte gestützt, in den Fingern eine Zigarette. Auf dem Tisch standen Kaffeekännchen, Tassen und Cognacgläser. Im Schatten des Hintergrunds aber saß ein Mann an einem Tisch, der auf dem einen Bild direkt in die Kamera schaute und auf dem anderen rechts aus dem Bild hinaus, so daß sein Profil recht deutlich zu erkennen war. Und dieser Mann, ich konnte es kaum leugnen, sah mir ähnlich, erstaunlich ähnlich sogar. Wenn ich ehrlich war, was mir in diesem Fall schwer fiel, sah es in der Tat auf den ersten Blick so aus, als hätte ich dort an dem Tischchen unter der Markise des Straßencafés gesessen. Auf dem zweiten Blick sah es immer noch so aus.

      „Das ist unmöglich“, ich begann zu stottern, „das kann ich gar nicht sein, wo immer diese Aufnahme gemacht wurde, ich war niemals dort, ganz sicher nicht. Es muß sich um eine Verwechslung handeln, um einen Doppelgänger, eine Halluzination, was weiß ich.“

      Álvaro nahm mir die Fotos aus der Hand und betrachtete sie nochmals eingehend. Dann tippte er mit dem Finger im Wechsel mal auf das eine, mal auf das andere Bild und schüttelte den Kopf, als könnte er nicht glauben, was er sah.

      „Haben Sie eine Lupe zur Hand, Don Diego?“

      Ich nickte und verschwand verwirrt die Treppe hinab, um aus meinem Zimmer zu holen, was er verlangte, kam wieder nach oben und gab dem Chauffeur das Gewünschte.

      „Da, sehen Sie hier“, sagte Álvaro und reichte mir die Lupe und ein Bild.

      Er deutete auf den rechten Arm des unbekannten Mannes, der nachlässig an der Lehne des Korbsessels herunterhing. Unter der Vergrößerung der Lupe kam die grobkörnige Unschärfe der Aufnahme deutlich hervor. Doch ebenso deutlich zu erkennen war der Ring, den der Fremde an dem Ringfinger der rechten Hand trug. Eine schlichte Fassung, die einen großen ovalen Stein hielt. Nicht besonders auffallend, aber markant.

      Álvaro wies erst auf das Foto und dann auf den Ring, den ich am Ringfinger der rechten Hand trug. Einen ovalen Stein in einer schlichten Fassung, nicht besonders auffallend, aber markant.

      Es handelte sich bei dem Ring, den ich trug und bei dem, der am Finger des Unbekannten steckte, ohne Frage um ein und denselben Ring.

      Das zweite Bild zeigte nichts anderes, sondern beschränkte sich lediglich darauf, das erste zu bestätigen.

      Unfähig zu begreifen, was ich da vor mir sah, starrte ich auf die Bilder und dann wieder auf meine Hand, die nun doch recht stark zitterte. Als ich nach dem Weinglas griff und dabei einen Gutteil seines Inhalts verschüttete, kamen mir die Vorkommnisse der letzten Wochen wieder ins Bewußtsein zurück, die Geschehnisse, die ich weder einzuordnen wußte, noch verstanden, sondern deren mysteriösen Umstände ich einfach nur verdrängt hatte.

      Die Umstände meines Erbes, der Brief des Don Xavier an mich und nun dies, zwei Fotografien, die unzweifelhaft zu beweisen schienen, daß ich vor mehr als dreißig Jahren zusammen mit dem Ehepaar Marrasca in einem Straßencafé gesessen haben mußte, woran ich mich allerdings mit keiner Windung meines Gehirns auch nur in Bruchstücken erinnern konnte. Kein Wunder, zum Zeitpunkt der Aufnahme war ich höchstens zwei Jahre alt, vielleicht noch jünger, im durchaus denkbaren Fall sogar noch gar nicht geboren.

      Wie sollte ich mich da an irgend etwas erinnern können?

      Verzweifelt versuchte ich Ungewißheit in mir zu schüren, kramte alle möglichen Eventualitäten aus dem Zauberkästchen der Irrtümer und Illusionen hervor, konstruierte Zufälle der unwahrscheinlichsten Art und suchte Entschuldigungen und Ausflüchte, indem ich schlichtweg die Realität zu leugnen trachtete. Indes, es half alles nichts. Immer wieder wurde ich, so ich einen Moment die Augen nicht verschloß, ohne Mitleid auf die fotografisch festgehaltene Unmöglichkeit gestoßen, die da vor mir auf dem Tisch lag und sich weigerte, mittels geträumter und von weit her geholter Argumente ihrer Existenz beraubt zu werden.

      Was ich auch anführte, wie ich mich auch wand und wendete, Álvaro wies mich immer wieder mit einem Kopfschütteln auf die Tatsachen hin. Es war zum Verzweifeln.

      Über all mein Lamentieren hatten wir auch die zweite Flasche rosado geleert und ich wollte schon eine dritte aus dem Verschlag holen, doch der Chauffeur machte mir einen anderen Vorschlag. Ich sollte, bis auf die beiden mysteriösen, die Bilder wegräumen und im Anschluß daran in die Bar El Ultim kommen, da sowieso bald die Zeit des Nachtessens gekommen sei. Von Bienvenida wüßte er, daß sie eine Delikatesse besonderer Art, nämlich rostit de cabra, Zickleinbraten, im Rohr habe, das würde mich hoffentlich ein wenig ablenken. Er, Álvaro, ginge in der Zwischenzeit in die Pfarrkirche, Don Remigio zu holen, damit er mir in meiner schweren Stunde mit seinem geistlichen Ratschlag und, wer weiß, vielleicht sogar einer Lösung zur Seite stünde. Der Glaube, versuchte er mir Mut zu machen, versetze ein manches Mal Berge, und er zwinkerte mir mit Optimismus zu.

      Mochte der Glaube auch Berge versetzen, auf Fotos abgelichtete Personen würde er kaum verschwinden lassen, wollte ich dem braven Chauffeur schon erwidern, unterließ es dann aber, denn ich konnte seinen gut gemeinten Aufmunterungsversuchen schwerlich mit meinem profanen Weltgeist entgegentreten. Auch war der in Glaubensfragen eher zweifelnde Charakter des pare, von dessen ketzerischen Gedankengängen ich ja ausreichend Kenntnis besaß, meines Erachtens nicht einmal dazu angetan, kleinere Sandhäufchen umzuschichten, geschweige denn, ausgewachsene Berge aus Felsgestein, Geröll und Erdreich von einem Ort an einen anderen zu verbringen. Aber mit diesen grundlegenden Fragen konnte und wollte ich

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