Bob Lennce und der fremde Klang. Sanne Prag

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Bob Lennce und der fremde Klang - Sanne Prag

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langsam, leise, vorsichtig. Er schien mit Gott zu sprechen, während der vom Himmel nasse, kalte Launen los ließ. Vielleicht wollte er in Ruhe beten?

      Aber Bob drehte sich um, während Ezra näher kam.

      Er wollte über das Konzert reden. „Ich habe gerade überlegt, ob ein Chorgesang von dem Gerüst dort oben am Rand interessant wäre. Ein Engelschor von abgerissenen Personen, vielleicht in Arbeitskleidung. So wie Bühnenarbeiter. Die Fetzen des Gewandes sähen aus wie Flügel, graue Flügel…“ Kein Wort von der toten Eve.

      Ezra wollte den Todesfall auch verdrängen, daher überlegte er bereitwillig, wie ihm ein Chor von Bauarbeiterengeln gefallen würde. Ob er wohl das Akustikproblem besprechen sollte? Vielleicht war Bob aber zu hart aus seinen Überlegungen gerissen, wenn sein Arrangement zu hören bekam: „Kein Klang“. Außerdem hatte ja Wolfgang vielleicht eine Problemlösung, der sollte nicht vorgegriffen werden…

      Bob war weiter mit dem Konzert beschäftigt: „Der Raum ist einfach sehr hoch – über ihm der Himmel…“ Gedankenversunken blickte der Musiker nach oben, und feuchte Flocken tanzten in sein Gesicht. Gott wollte zu diesem Zeitpunkt gerade Schnee produzieren. Statt der glitzernden Schnüre begannen weiße Federn, niederzutreiben und sich sanft auf die Sandflächen, die Engeln und die Mosaike zu legen.

      Bob war ganz auf seine Pläne konzentriert. Er wollte seine Überlegungen diskutieren: „Es hält mich nur aufrecht, wenn ich etwas Besonderes mache“, murmelte er zu Ezra. „Todesfälle dürfen mich nicht leiden machen, es lenkt mich ab. Aber der Tod ist manchmal gut zu gebrauchen. Er bringt das notwendige Drama, damit Lieder unter die Haut gehen.“ Er ging einige Schritte in den feuchten Sand und überlegte ein Weilchen. „Tote sind dann schließlich auch Schauspieler auf der Bühne, sie bekommen Bedeutung, weil sie tot sind.

      Das mit Eve ist gute Werbung. Ich kann sie nicht beweinen, ich muss hier einen Popanz schaffen, der alle Träume aufnimmt. Und der Todesfall ist ein Stück der Bühnendekoration…“ Er streichelte im Gedanken eine Säule. „Was ist, wenn wir in einer riesen Gefühlsmaschine leben? Und ich bin der, der die Maschine bedienen kann? Vielleicht ist Gott überhaupt eine Gefühlsmaschine?“ Bob ging im Kreis und suchte mit den Augen den oberen Rand der Mauern ab. Der Rand war gerade noch zu erkennen im Licht der Scheinwerfer. Scheinbar unbeeindruckt von Gottes Aktivitäten und der Geburt des Popanz kletterte das winzige, schwarze Männchen weiter durch die Gerüste.

      Bobs Stimme war wieder da: „Ich habe mich mit Religion befasst, vor allem in den letzten Jahren. Zuerst habe ich immer gedacht, ich kann ohne leben. Aber dann war plötzlich der Ruf da. Ich wurde gerufen und frage noch immer, wohin.“ Er schüttelte den Kopf. Nach einer Weile sprach er weiter:

      „Warum sollte Gott ein Vater sein? Mit welchen Eigenschaften? Ich sehe von ihm etwas, das wir Evolution nennen, das uns leiden macht. Will er uns leiden machen? Ich sehe nicht wirklich klare Planung, sondern eine Reihe von Experimenten. Quälendes, trauriges Experiment, Ausmustern von Leben. Es wird immer etwas getötet, damit etwas Anderes leben kann. Das muss doch schmerzhaft sein. Konnte er sich kein anderes Modell einfallen lassen? Will er seine Fehler vertuschen? Wo soll da ein Vater sein?

      Vielleicht ist er ein blonder, deutscher Ausländer?

      Aber mit Sicherheit arbeitet er an der Schöpfung. Seelen flattern wohl frei in seinem Atelier wie Schwalben, fangen Gefühle wie Mücken und glauben, das ist Leben.“ Bob lief um eine Säule herum und schaute dabei in den Nachthimmel, den die Säule scheinbar trug. „Ich soll hier ein Mysterienspiel erschaffen, heilige Kunst. Wissen Sie, ob das da wirklich ein Spiel ist?“ Er kam auf Ezra zu und schaute ihm in die Augen.

      „Ein Spiel ist nur möglich, wenn man es wiederholen kann.

      Wiedergeburt ist ein Spiel, sie ist eine mächtige Hoffnung, man kann es noch einmal probieren und noch einmal probieren und kann alles fertig machen, was unfertig liegengeblieben ist.“ Er bremste hart in seinem Lauf: „Etwas fertig machen, das ewig ist, ist ein komischer Gedanke, kann so nicht sein, aber macht das Leid der Evolution erträglicher... Und es lässt mich hoffen, weil bei mir bleibt sicher einiges unfertig liegen, und lange kann das so nicht weitergehen...“, murmelte er zu sich selbst.

      Dann betrat er eines der Mosaike: „Arbeitet Gott allein oder hat er Helfer? Mordende Geister mit Flügeln, für die Auslese? - Vielleicht sind die auch inzwischen krank von dem was sie da tun und wollen Ruhe finden durch Gesang, wie der Soldat? Wollen die auch nach dem Mord ein Lulabei für den Schlaf?

      Ein Schlafgesang für Engel und für Krieger, gehört das zu einem Mysterienspiel? Der Klang schläfert sie ein und weckt sie vielleicht auch wieder. Das wäre dann für uns wohl ernster als für den Schöpfer…“

      Bob hatte einige Schneeflocken auf dem Hut. Er fixierte Ezra, der merkte, dass er hier eine Funktion hatte. Er war eine Hebamme für Bobs Mysterienspiele. Er war bedeutend, bekam Vertrauen, das fühlte er stolz. Bob Lennce war bekannt dafür, dass er sonst mit Mitteilungen sparte. Aber was bedeutete der Tod von Eve für dieses Genie? Was war Mord für ihn? Seine Gedanken waren seltsam. War er wohl in der Lage, einen Mord zu begehen, nur als Werbung für sein Konzert?

      Lennce sprach leise weiter: „Die genaue Planung des Zufälligen ist vor allem wichtig. Die Freude der Überraschung und das Abenteuer der Suche will ich hier haben, nicht ein mächtiges Bühnenbild mit vielen sinnlosen, bunten Lichtern…“ Unentschlossen lief er in einem kleinen Kreis.

      Dann wurde er menschlich. „Weißt du, ich habe die soziale Kompetenz von einem Star-Verkäufer. Ich kann nicht Rücksicht auf andere nehmen“, vertraute der Meister der Klänge Ezra an. „Der Mensch ist irgendwann Kompost, und ob ich hier ein Mysterienspiel über den blutigen Tod Gottes zu Stande bringe, ist eine wichtige Frage. Selbst mit Eves Hilfe war das nicht einfach.

      In einer Kirche ist der Tod als Thema nicht zu vermeiden. Ist Eves Tod als Kunst-Abenteuer zu gebrauchen?“ Zweifel klang in seiner Stimme.

      „Ich sollte besser Selbstmord begehen, damit ich mich nicht überlebe… Das wäre ein Mysterienspiel der anderen Art. Das gäbe einen unglaublichen Verkauf. Aber wer bedient dann Gottes Gefühlsmaschine?“ In dem Moment war ein leiser Klang zu hören. Der Ton blieb weit entfernt, aber er war deutlich. Es war, als ob gemeinsam mit den Schneeflocken Gesang von oben käme. Wind war spürbar, und ein fernes Grollen zeigte an, dass das Gewitter zurückgekommen war. Es war zwölf Uhr, der Beginn eines neuen Stundenreigens, einer neuen Uhrzeit.

      FRÜH

      Ezra hatte schließlich doch in sein Bett gefunden. Steif und kalt hatte er sich in die Decke gerollt, nachdem Bob Lennce ihn einfach stehengelassen hatte. Er hatte sich umgedreht und war gegangen, denn der Dienst seiner kreativen Hebamme war abgeleistet. Ezra fühlte sich benützt, aber schlief trotzdem.

      Er las die Morgenzeitungen, alle. Eves Tod ging durch die Blätter. Er erfuhr einiges über sie: frisch geschieden, Auslandskorrespondentin in Moskau. Hatte ein Buch geschrieben. Keine Kinder. Aber keiner wusste über den gestrigen Abend mehr als er. Nichts stand da über den Grund des Todes. Die Zeitungen bezeichneten den Todesfall als unerwartet, unbegreiflich, unerklärlich… Viele „un-“ und keine Fakten…

      Ezra versuchte, den Vorabend möglichst genau zu rekonstruieren. War ihm etwas Besonderes aufgefallen? Hatte er vielleicht gesehen, wer Eve ermordet hatte, und es bloß nicht wahrgenommen? Er müsste es gesehen haben, denn er stand fast die ganze Zeit am gleichen Platz in der Nähe des Tischchens.

      Eve war früh dagewesen. Natürlich konnte sie bereits mit Gift im Körper gekommen sein. Das musste Wolfgang klären. Sie stand die meiste Zeit an dem Tischchen mit Ro und Lennce. Viele Journalisten

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