die gekachelte Sonne. B. Born

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die gekachelte Sonne - B. Born

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„Hach, einkaufen ist doch eine echt miese Tätigkeit, schlimmer als putzen. Finden Sie nicht? Und Kleidung kaufen ist am Abscheulichsten von allem. Nicht auf dem Flohmarkt, das mein ich nicht, da ist es ja ein Teil eines Spaziergangs, aber Klamottenabteilungen in Kaufhäusern oder Boutiquen, die verursachen mir einen echten Brechreiz. Da lungern Verkäuferzombies rum, die einem unbedingt etwas andrehen wollen und hinter getönten Scheiben lauern Aufpasser. Wohltuende Gerüche werden versprüht und das Kunstlicht retuschiert alles....“

      Als er an der Reihe war, knöpfte die Kassiererin den obersten Knopf an ihrem Kittel zu, befingerte einen ihrer Ohrringe: eine orange Feder an einem Silberring, und starrte eine Weile ins Leere, bis sie endlich anfing, die Waren über den Laserstrahl des Piepsgeräts zu schieben.

      „Jeeht das och schneller! Mach doch mal die anderen Kassen uff“ schrie ein Mann von hinten.

      „Hälst es keene fünf Minuten ohne deenen Stoff aus wat?“ fauchte die Kassiererin zurück und „Macht 70.65“ zu Peter.

      Er gab widerwillig einen Hundertmarkschein hin und verstaute alles in seine mitgebrachten Tragetaschen.

       Vor dem Laden hängte er sie an den Lenker seines Fahrrads. Da an jeder Seite vier Taschen hingen, wurde selbst das Schieben zu einem Balanceakt. Das Gewimmel von einkaufswütigen Menschen machte es nicht leichter. Hunde, hinterher oder vor sich her bewegte Einkaufsroller und Kinderwägen. Die Neuköllnerinnen griesgrämig schnalzend, voller Abszesse, die türkischen Frauen fett, mit Kopftüchern und pausenlos plappernd. Männer öffneten Kofferräume oder Motorhauben, parkten ein oder gurkten scheinbar ziellos herum.

      Im Treppenhaus lehnte er das Fahrrad an die Wand, schleppte die Hälfte der Taschen hoch und hetzte besorgt wieder hinunter, denn letzten Monat war ihm der zweite Teil seines Einkaufs gestohlen worden. Dabei hatte er vorher die Haustür zugedrückt, weshalb er annahm, dass es jemand aus dem Haus gewesen sein musste.

      Als alles eingeräumt war, nahm er Stiefel, die er beim Schuhmacher neu besohlen lassen wollte und eilte wieder los.

      Eine Fußgängerampel hatte rot, aber er ging trotzdem hinüber. Auf der anderen Seite stand ein Polizist mit einer Ledertasche, der ihn anranzte:

      „Sie wissen, dass das verboten ist!“

      „Ja, tschuldigung“, beeilte sich Peter zu sagen.

      „Macht also 50 Mark“, sagte der Polizist trocken, „geben Sie mal Ihren Ausweis her.“

      „Was! Ist doch gar nichts passiert! Ich mach‘s auch nie wieder!“ erwiderte Peter.

      „Das ist mir wurscht, werden Se nich‘ patzig, sonst wird‘s teurer. Den Ausweis, also.“

      „Den hab‘ ich jetzt grad‘ nicht dabei“, sagte Peter und im nächsten Augenblick rannte er los über die Kreuzung, Autos hupten, in die nächste Seitenstraße, am Gardinengeschäft vorbei und nach rechts in die Vorhalle des Rathaus Neuköllns. Der Polizist hatte keinerlei Anstalten gemacht, ihm zu folgen.

      An einer Steinsäule schnappte er nach Luft. „Mist!“ fluchte er. Jeder Schritt hallte und er drehte sich zittrig eine Zigarette. Eine Hochzeitsgesellschaft kam durch die Drehtür herein. Die Braut in Rosa kicherte hysterisch und Peter bahnte sich einen Weg ins Freie.

      Auf der Straße prallte er fast mit Beate zusammen.

      „Hi“, sagte sie und machte einen Augenaufschlag aus der Rubrik ‚geheimnisvoll‘.

      ‚Damit beißt du auf Granit‘, dachte Peter und sagte: „Na, wie steht‘s! Poh, mir ist da grad‘ was passiert...“ und er erzählte die Geschichte mit dem Polizisten.

      „Irre“, sagte Beate nicht sehr aufmerksam. „Hast du grad‘ was vor?“

      „Na ja, ich wollt‘ zum Schuhmacher, zur Post und ...“.

      „Ich will in den Pornoladen da drüben“, unterbrach Beate ihn und zeigte auf das Geschäft, das direkt gegenüber vom Standesamt neulich aufgemacht hatte. Im Fenster stand eine Frauenpuppe in Dessous und Strapsen vor einem dunkelroten Vorhang.

      „Das ist nicht dein Ernst“, schmunzelte Peter.

      „In letzter Zeit habe ich viel nachgedacht“, fuhr Beate fort, „und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich ein seelischer Krüppel bin und frigide dazu.“ Peter sah sie erwartungsvoll an.

      „Was ist nun?“, sagte sie wirsch, „ich hab‘ etwas Schiss da allein reinzugehen!“

      „Okay, okay“, willigte Peter ein.

      Die Ladentür klingelte freundlich beim Eintreten. Auf Auslagebrettern, akkurat nebeneinander ausgerichtet, lagen Pornomagazine. Weiter unten gab es Sachen wie Dildos und Gleitcremes. Die Frau hinter der Kasse am Eingang beäugte sie feindselig. Ihre Schminke war verkrustet und ihre hochgestützten Mammutbrüste stellten sich auf wie bei einer Oktoberfest-Zeltbedienung. Beate schlenderte betont lässig umher, während Peter mitten im Laden stehen blieb, seine Tasche mit den Stiefeln über die Schulter hängte und sein bestes Ichhabdamitnichtszutun-Gesicht machte.

      „Ich suche was, was Frauen antörnt. Dies hier scheint mir alles mehr für Männer zu sein“, sagte Beate an die Verkäuferin gewandt. Die schlug ihre aufgeklebten Wimpern zu. Peter spürte, wie er rot wurde.

      „Da inner Ecke Schätzchen sind Hefte speziell för die Dame. Jipt‘s och Komplett-Pakete“, sagte sie mit piepsiger Stimme.

      Aus den hinteren Räumen erschien ein Goldkettchen-Muskelprotz. Er verschränkte seine Arme, sein T-Shirt spannte, sein Blick heftete sich an Peter und ruhte dort. Peter tat so, als würde er den Vorhang am Fenster ungemein interessant finden, bis ihm Beate ein ‚Komplett-Paket‘: ein Dildo, zwei Metallkugeln an einem Band und drei Pornohefte, unter die Nase hielt. „Viele Schwänze!“ stand mit großen Lettern auf einem Etikett. Peter fragte sich sofort, ob die Verkäuferin oder der Mann abends in der guten Stube Pornos nach Frauentauglichkeit durchblätterte und mit einem Plastikeinschweißgerät eintütete.

      „Wofür sind wohl die Kugeln?“ fragte Beate und als Peter die Achseln zuckte, fragte sie die Kassiererin. Die erklärte in breitem Berlinerisch, dass sie aus China kämen und wie gut es wäre, wenn man sie ‚drinnen‘ hätte und zum Beispiel ‚einkoofen‘ ginge. Ohne länger zu zögern, zückte Beate die ausgepreisten 35 Mark aus ihrem kleinen Strickbeutelchen und legte sie, dabei ein zweites mal sorgfältig durchzählend, auf den Tresen.

      „Ciao Kleene“, rief die Frau, als sie durch die Klingeltür, das Geschäft verließen.

      „Kommst du noch mit zu mir?“ fragte sie als nächstes. Ängstlich blickte Peter in eine Seitenstraße, ob der Polizist noch irgendwo lauerte.

      „Aber nur ganz kurz“, antwortete er und schon bereute er es.

      „Kannst du das einpacken?“ fragte Beate und überreichte Peter die Pornotüte. Er stopfte sie zu den abgelatschten Stiefeln.

      Die ganze Straße duftete nach türkischen Backwaren und sie kauften einige der klebrigen, mit grünen und weißen Raspeln bestreuten Teilchen.

      In dem Eckhaus, in dem sie wohnten, Peter auf der einen Seite und Beate auf der anderen, war unten ein Möbelgeschäft. Sie feixten über die altmodischen und ultrahässlichen Sessel, Lampen, Zeitungsständer, Fußpucks und Regale. Der einzige Verkäufer in einem braunen

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