die gekachelte Sonne. B. Born

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die gekachelte Sonne - B. Born

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griff einen Queue und wirbelte ihn herum, jagte lachend Gogos Genitalen.

      In einem fanatischen Billardfieber spielten sie etliche Stunden, bis sie so betrunken waren, dass es keinen Sinn mehr machte, da sie die Kugeln kaum noch trafen. Zurück am Tisch, fragte Peter Sabrina und Gogo, ob sie ein Instrument spielten. Sabrina schüttelte den Kopf.

      „Ich spiel' Geige“, sagte Gogo. „War Pflicht in der Schule. Was hab‘ ich es gehasst!“

      „Ich hab‘ die Idee, eine Band aufzumachen“, sagte Peter.

      „Kannst du denn ein Instrument spielen?“ fragte Gogo.

      „Eigentlich nicht richtig. Ich hab‘ mal Gitarrenunterricht gehabt. Aber Gitarre langweilt mich. Ich will mir einen Synthesizer kaufen und experimentelle Punkmusik machen.“

      „Ramona hat mal erwähnt, dass sie gerne Schlagzeug spielen würde“, sagte Gogo. Peter musterte Sabrina, aber es schien sie nicht im Geringsten zu irritieren, dass Gogo seine Exfreundin als Bandmitglied einplante.

      „Beate kann etwas singen, jedenfalls, wenn sie gut drauf ist, was leider selten passiert. Aber auch wenn sie besoffen ist, singt sie ganz ordentlich“, sagte Peter.

      „Man bräuchte einen Übungsraum“, sagte Gogo.

      Sabrina stellte gelangweilt ihre Arme auf den Tisch, legte ihren Kopf auf ihre Hände und stülpte ihre Lippen zum Kuss vor. Gogo lächelte bierselig und verfehlte die Lippen, als er den Kuss erwidern wollte.

      Peter betrachtete hinter den beiden, weiter oben eine Reihe mit Plastikefeu, die er versuchte nicht positiv sondern negativ zu sehen, also nicht den Efeu, sondern das Drumherum, die mit Rauch gesättigte Luft, die die negative Form des Efeus bildete. Die Strahler oben über den Fenstern streuten das Licht zu einer matten Lichtwand. Er dehnte seinen steifen Kopf und wankte zur Toilette.

      Dort urinierte er mehr neben, als in die Schüssel und selbst dafür musste er sich an der Wand abstützen. Am Wasserhahn faltete er seine Hände zusammen. Er kontrollierte diese Handlung ganz genau und schüttete sich Wasser ins Gesicht. Sein Denken war eigentlich ganz klar, aber sein Körper wollte nicht mehr mitspielen. Das kannte er schon. Es passierte immer dann, wenn er nicht genug gegessen hatte. Mit nassen, von der Wandfarbe milchig triefenden Haaren torkelte er zurück zum Tisch, wo Sabrina hemmungslos, geile Laute ausstoßend, Gogo bearbeitete.

      „Tschau. Ich muss ins Bett“, sagte Peter, seine Jacke greifend und hob eine Hand.

      „Vielen Dank fürs Helfen“, lachte Sabrina, kurz aufschauend.

      Draußen prasselten ihm waagerecht fliegende Schneeflocken ins Gesicht. Sein Körper gehorchte ihm kaum noch und er benötigte den ganzen breiten Fußweg, um vorwärts zu kommen. Am Mehringdamm wartete er auf den Nachtbus. Als er einstieg, rammte ihm eine Frau mit einer Fellmütze auf einem Dauerwellenkopf ihre Handtasche in den Rücken, so dass er gegen die Scheibe in der Tür bretterte. Mehr Erinnerungen hatte er nicht.

      In der nächsten Zeit nutzte Peter jede Gelegenheit, um auszugehen. Er wollte, nie mehr, und das schwor er sich, ohne ein Wort gesprochen zu haben, ins Bett gehen müssen. So etwas sei widernatürlich und abstoßend. Er verabredete sich in der Uni zum Kaffee, spielte mit Ex-Hannoveranern Doppelkopf oder half Gogo und Sabrina beim Renovieren.

      Er versuchte, in Szenekneipen Leute kennenzulernen: trieb durch gelbes Licht, rotes Licht, grünlich, bleiches Neonlicht, fackelndes Licht, Licht in Dreiecken, schummeriges Licht, stapfte durch nächtlichen Schnee, Schneematsch und Regen, hörte zerrissene Punkfetzen, jaulende Rockmusik und groovy Jazz, Trommeln die das Gehirn wegschlugen. Er trank Bier. Bier aus Plastikbechern, aus feinen Gläsern, aus Humpen, aus Tassen und Flaschen. Er beugte sich herunter, um zu quatschen. Weiche Haare und Schampooduft kitzelte seine Nase. Kirschige Lippen und oder weise Lippen sprachen zu ihm. Er gab sein Bestes, um geschickt zu antworten. Aber immer wieder entglitten sie ihm. Entweder in die Hände ihrer langjährigen Freunde, neuer Freunde, gerade kennengelernter Freunde oder nach Hause auf der Flucht vor ihm.

      Am Tag schlief er bis eins, frühstückte und malte.

      Er wollte Steinert besuchen. Das Gaslicht der Straßenlaternen durchflutete vom frischen Schnee reflektiert die Neuköllner Schluchten. Der Teer der selbstgedrehten Zigarette verklebte seine Fingerkuppe. Der Schnee knirschte wie Styropor. Mit Seitenstechen blieb er auf einer Brücke über dem Kanal stehen. Sie bildete die Grenze zwischen Neukölln und Kreuzberg. Das schwarze Wasser war an den Rändern mit grauem Eis überzogen. Enten hockten da, den Kopf unter die Flügel gesteckt. Er schlug die Hacken seiner Stiefel gegeneinander, bis die Schneeklumpen abfielen. Dabei sinnierte er über den Unterschied zwischen Kreuzberg und Neukölln nach und ärgerte sich, dass er in Neukölln wohnte, aber auch über den Kult, der um Kreuzberg gemacht wurde. Ein Doppeldeckerbus kroch vorbei, quetschte den Schnee durch das Profil seiner Räder.

      An einem türkischen Café reckte er sich hoch, um über den Store zu sehen: Drei alte Männer spielten Domino, eine Fleischberge-auf-Spieß-Reklame, eine Bauchtänzerin auf einem Kalenderblatt und ein Fernseher in dem ein Sänger türkische Schlager trällerte. In einer Arbeitereckkneipe kaufte er bei einer keifenden Berliner-Schnauze-Frau vier Flaschen überteuertes Bier.

      Vor Steinerts Haus stellte er die Flaschen in den Schnee, auch um sie noch etwas zu kühlen, da er sie zu warm fand. An den Balkonen waren große Teile vom Putz abgefallen. Neben der schweren Holztür legte er einen Finger in ein Einschussloch aus dem letzten Weltkrieg und bestaunte einen Steinengel mit zerschossenem Kopf.

      Die Tür war angelehnt. Also drückte er sie auf und machte sein Feuerzeug an. Da er keinen Lichtschalter finden konnte, tastete er sich hoch bis in den ersten Stock. Dort löschte er das Feuerzeug schnell, schüttelte seinen versengten Finger und drückte einen Lichtknopf. Da aber kein Licht anging, schritt er vorsichtig, nicht die Hand vor Augen sehend, Stufe für Stufe nach oben. Im vierten Stock, klopfte er und Steinert öffnete ihm.

      „Wie ist die neue Wohnung?“ fragte er geblendet und warf im Vorbeigehen einen Blick in die Küche: dreckiges Geschirr, Umzugskisten, ein Tisch und zwei Gartenklappstühle aus Metall mit verrotteten, weiß überlackierten Hölzchen. Im Zimmer neben der Küche stand ein altmodisches Bett und ein dritter Klappstuhl, darauf einige Bücher, eine Lampe und ein Wecker. Über dem Bett hing ein Poster von der Band ‚Rip, Rig and Panic‘. Es zeigte eine Hyäne komisch in der Hocke. Das dachte jedenfalls Peter. Aber dann sah er noch mal genauer hin: Es war eher ein Pavian der Weitsprung machte und dabei schrie.

      Die Wohnung hatte Steinert grob übergetüncht. Die nackten Glühbirnen an den Decken waren voller weißer Farbe, auf den Holzdielen war die Farbe breitgetreten.

      Im zweiten Zimmer öffnete Peter zwei Biere, indem er den Kronkorken der einen Flasche in den Kronkorken der anderen Flasche verhakte und sie weghebelte. Ein Stapel Bananenkisten mit Büchern neigte sich bedenklich zur Seite. Steinert hatte aus der Küche einen zweiten Stuhl geholt, er wirkte ausgemergelt. Sie setzten sich an eine freie Kante seines Schreibtischs dessen Schubladen vorne abgebrochen waren.

      „Die Wohnung ist insgesamt kalt“, begann er das Gespräch, „es gibt nur Allesbrenneröfen und die gehen dauernd aus. Überhaupt war es ein Fehler alleine zu ziehen. Ich mag das überhaupt nicht.“

      „Aber wieso denn? Ich dagegen kann mir gar nicht vorstellen, mit anderen Leuten zusammen zu wohnen“, erwiderte Peter.

      „Ich habe schnell festgestellt, dass ich die Nähe von anderen benötige. Ich kann besser arbeiten, wenn in der Wohnung was los ist, wenn Besuch kommt und geht, wenn gequatscht wird. In dieser Wohnung werde ich leer. So leer wie die Wohnung. Ich sitze da, stiere

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