die gekachelte Sonne. B. Born

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die gekachelte Sonne - B. Born

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„Und hast du was von Katharina gehört?“

      „Ach, Katharina. Sie war letztes Wochenende hier. Wir haben im Bett gelegen, uns gegenseitig gewärmt und sie hat geschnarcht. Sonst war eigentlich nichts. Sie war schrecklich müde von ihrer neuen Arbeit und der Reise. Am nächsten Tag haben wir gestritten. Über dies und das, ohne wirklichen Grund. Nur, weil wir uns nicht ausstehen konnten. Sie zieht in einem Monat von Hamburg nach Zürich und macht eine Ausbildung als Bühnenmalerin an einem Theater dort.“

      „Vielleicht nimmt dir die noch größere Entfernung eine Entscheidung ab“, sagte Peter.

      „Da bin ich eher skeptisch“, sagte Steinert und fuhr sich übers Kinn. „Seit klar ist, dass man eine sehr lange Reise in Kauf nehmen muss, um sich zu sehen, da vermisse ich sie. Nun ist es an ihr. Sie muss herausfinden, was sie will. Durch die Distanz könnte es sogar sein, dass ihre Gefühle für mich neu erwachen - durch die Abwesenheit gewissermaßen. Ich denke, wir werden viel in Briefen klären können und uns dann wieder zusammenraufen. Aber denke ich das nicht schon seit Jahren?“

      „Lass uns aufbrechen, die Lesung fängt gleich an“, sagte Peter und Steinert zog einen schweren Mantel mit Hahnentrittmuster an.

      Am Ende der Wrangelstraße am Schlesischen Tor war das ‚Fischbüro‘. In einem leerstehenden Laden hatten einige Leute ein Rednerpult gezimmert und veranstalteten abgedrehte Lesungen und Diskussionen.

      Ein Typ mit zerzaustem Haar informierte über neue Projekte, Lesungen und Konzerte. Die Lesung hielt ein Mann, der sich Gustav nannte und eine kleine, nackte Puppe an den glattrasierten Kopf geklebt hatte. In seiner Rede informierte er über die Bedeutung von Fischen im Arbeitsalltag. Er untermauerte seinen Vortrag mit Bildern von Fischgerippen. Die Leute im Raum brüllten vor Begeisterung.

      Hinterher schlitterten Peter und Steinert über den vereisten Schnee in den ‚Elefanten‘ am Chamissoplatz. Punks stampften auf den Tischen zu Pogorhythmen, kickten Biergläser umher, eine Frau zeigte Nippelpiercing - Holzstühle barsten.

      Sie zogen ins ‚Wiener Blut‘. Durchgefroren und gierig tranken sie an der Theke stehend Weizenbier und sprachen darüber, ob sie sich im ‚Fischbüro‘ engagieren und vielleicht eine Lesung organisieren sollten. Steinert sagte, er arbeite an einer neuen Erzählung über wilde Beeren und lila blaue Himmel. Peter nickte und sagte, dass er eine Geschichte über eine Amsel schreibe, die auf der Fensterbank eines einsamen Mannes ein Nest errichtet habe. „Es entsteht dabei ein Zwiegespräch mit dem Fremden. Die ständige Präsenz des Vogels verändert das Leben des Mannes und er fängt an, sich komisch zu seinen Mitmenschen zu benehmen. Später bricht er aus, er wird wieder menschlich und macht sich über den Vogel lustig.

      Die schöne Bedienung stellte ihnen ein Bier hin, das versehentlich zu viel gezapftes worden war. Geschmeichelt prostete Peter ihr zu und trank davon. Aber Steinert stieß ihn von seiner rosa Wolke, denn er meinte, dass sie eben noch ihren Freund im dunklen Ende der Kneipe geküsst hätte.

      Sie wechselten ins ‚Casino‘. Zitronengelbes Neonlicht durchflutete die Bar wie greller Meeresschaum. Sie bestellten zwei Flaschen Bier und stiegen mit den grünen Flaschen die drei Stufen rauf, wo die Tische waren. Das Blut pochte in Peters unterkühlten Ohren und es zischte. Unter einem Plakat mit Botticellis ‚Geburt der Venus‘, die Peter mit der ‚bezaubernde Jeannie‘ verglich, erörterte er seine neuste Absicht eine Magisterarbeit über das ‚Nichts‘ zu schreiben. Seinen Vorstoß, eine Arbeit über das ‚Spiegelmotiv‘ in der Philosophie zu verfassen, hatte er als zu umfangreich verworfen und die noch ältere Bemühung mit einer Arbeit über Nietzsches ‚Wille zur Macht‘ abzuschließen, hatte er längst begraben. Steinert stellte geschickte Fragen, die auf den existenzialistischen Ansatz des Problems abzielten und Peter konnte sie nur ausweichend beantworten. Er meißelte die Anregungen in sein benebeltes Gedächtnis, damit er sie am nächsten Tag auswerten könnte. Doch drehte sich die Bar und der Schachbrettkachelboden um sich selbst, er wogte in einem warmen Meer des Suffs. Ein durch und durch prachtvolles Wattegefühl, ein Bett aus weichen Busen, wie er fand und dass er mit mehr Bier, auszubauen beabsichtigte. An den anderen Tischen schwatzen ausschließlich Pärchen, manche tranken gar Milchkaffee. Höhnisch lachte er und trampelte die Stufen runter, um Bier zu holen. Steinert lehnte sich über das Geländer und sagte: „Für mich nicht mehr.“

      Also bestellte er bei der ‚ach so schnuckeligen‘ Bedienung, ein Bier, einen Espresso und ein Glas Leitungswasser.

      Steinert griff dann erneut das ‚Beziehungskistengespräch‘ auf.

      „Ich weiß einfach nicht, woran ich bei ihr bin“, sagte er kopfschüttelnd, den Kaffee mit Zucker auffüllend.

      „Wir müssen Katharina und Beate einfach vergessen, ausblenden und neu anfangen!“ lallte Peter enthusiastisch, „Wegblenden gewissermaßen. Nervt doch langsam, mein‘ ich, oder?“ Sein Fingernagel schob das Silberpapier am Hals der Flasche herunter und ein schleimiger Kleber quoll hervor.

      Steinert sog den Espresso mit einem Schluck weg und das Leitungswasser hinterher.

      Beim Bezahlen schob die Bedienung, die Peter wirklich höchst attraktiv fand, Steinert einen Zettel zu, auf dem ‚METTE’ und ihre Telefonnummer stand. Peter starrte ihr eifersüchtig in ihre wasserblauen Augen, die Steinert anstrahlten. Der faltete fast beiläufig den Zettel zusammen und steckte ihn in seine Manteltasche, wo er sicher in Sekunden in den Eingeweiden des Mantels verschwände.

       Als sie die ‚Bronx‘, eine Althippy-Disco erreichten, schlug Steinert überraschenderweise vor, hineinzugehen. Peter trug das Bier im Plastikbecher, das ihm den Rest geben würde, an den Rand der Tanzfläche. Steinert vergrub seine Hände in den Hosentaschen seiner hochgekrempelten Jeans, so dass die Arme den schweren Mantel offenhielten und fing an zu einem Song von Elvis Costello zu tanzen. Verblüfft, da Peter Steinert nie zuvor hatte tanzen sehen, beobachtete er, wie er sich vor einer ganz in Lilatönen gekleideten Frau, die sich ähnlich abgehackt wie Katharina bewegte, aufbaute. Dort wogte er sinnlich, weit nach vorne gebeugt hin und her. Die Frau wirkte irritiert. Hilfesuchend bemühte sie sich mal rechts, mal links an Steinert vorbeizutanzen, was dieser aber geschickt zu verhindern wusste, bis er sie in einer Ecke regelrecht eingekeilt hatte. Als das Stück zu Ende war, nahm er die Hände aus den Hosentaschen, drehte sich um und schlurfte zurück zu Peter, dem er ins Ohr schrie, dass er, seit er in der neuen Wohnung wohne, jeden Abend diese Discothek aufsuche und dieser einsamen Frau einen Tanz schenke. Peter lachte auf. Aber Steinert schrie weiter, dass er fest an den Erfolg seiner Methode glaube und irgendwann würde diese wilde Beere ihn schon ansprechen. Bis Peter alles im Musiklärm verstanden hatte, war fast eine halbe Stunde vergangen und Neonlicht flackerte auf.

      „Das Zeichen für den letzten Song“, sagte Steinert wissend. Das Weihnachtslied ‚Merry Christmas everybody‘ von ‚Slade‘ ertönte. Die begehrte Frau hatte sich aus dem Staub gemacht.

      Vor der grauen Stahltür der Disco, der Himmel war aschfahl, wurde Steinert melancholisch. Ein Nasenloch zuhaltend rotzte er in den Schnee. Der Frost ließ den Schweiß auf Peters Wangen gefrieren, schwankte betrunken hin und her. Steinert schlug vor, dass Peter bei ihm übernachtete, er faselte sogar etwas von gegenseitiger Wärme in solch kalten Nächten. Aber Peter dachte mit Grausen an Steinerts garantiert inzwischen ausgekühlte Wohnung.

      „Ach, lass uns lieber noch ein Kebab essen“, sagte er deshalb.

      Sie stützten sich auf ihre Ellenbogen und nippten an einem türkischen Tee in einem kleinen Glas mit Goldrand. Peter ließ sich das Kebab mit allen Salaten, weißer Knoblauchsoße und roter Chilisoße präparieren und schüttete auch noch einen Löffel getrocknete Chili dazu. Steinert aß seinen ‚ohne alles‘. Hinterher und es war inzwischen hell, tranken sie Raki-Schnaps. Dann verabschiedeten sie sich voneinander und gingen jeder ihrer Wege.

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