die gekachelte Sonne. B. Born

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die gekachelte Sonne - B. Born

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schüttelte er sich wieder wach, drehte sich auf die Knie und raffte sich hoch.

      Peter und Gogo hatten einen Job angenommen. Am Vorabend beabsichtigten sie in der ‚Weserklause‘ ein ‚Abschlaffbier‘ zum besseren Einschlafen zu trinken. Nach 5 Bier beschlossen sie ins ‚Basement‘ zu ziehen und dort die Nacht durchzumachen.

      In einem Höllenlärm und Lichtorgel schrien sie drei giggelnden Freundinnen im Grufti-Look gestylt: schwarzer Tüll, toupierte Haare, silberne Kreuze, Totenkopfringe, violetter Lippenstift „ihr seid schön, wir sind lustig, die Musik ist dufte, alles ist dufte“ ins Ohr und diese lächelten wohlwollend in die Runde. Schnell kamen andere Männer herbeigeeilt, baggerten sie auch an und Gogo und Peter verloren das Interesse. Bald wurde es den Frauen zu blöd und sie wollten zum Ku'damm in die Bhagwandisco. Einige der Typen versuchten im Taxi mitzufahren, aber sie wurden daran gehindert und ausgelacht. Sie forderten einen zweiten Taxifahrer auf, sie zu verfolgen. Peter und Gogo hatten amüsiert vom Eingang der Disco aus zugesehen. Als das Spektakel vorbei war, gingen sie wieder rein, legten ihre Jacken über freigewordene Barhocker und bestellten mehr von dem abscheulichen Bier. Es war nun nichts mehr los. In den Ecken sackten Drogensüchtige immer wieder in sich zusammen. Verzweifelte Kerle, die alles gaben, um nicht allein im Bett zu enden, hampelten über die ganze Tanzfläche und verrenkten sich. Aber die verbliebenen zwei Psycho-Frauen wogten mit geschlossenen Augen vor sich hin. ‚The Cure‘ – ‚Mint Car‘ in Stroboskoplicht schluckte alles.

      „Das halt‘ ich nicht aus!“ schrie Peter hysterisch.

      „Ja, ja, aber ich brauch‘ die Knete“, sagte Gogo.

      „Ich auch. Aber überleg‘ mal, wie viel wir in dieser Nacht verprasst haben. 7,30 die Stunde ist nen Witz.“

      „Was für ein Schrott“, fluchte Gogo in sein Glas und legte seinen Kopf in seine Arme. Peter starrte die Schnapsflaschen vor dem Spiegel hinter der Theke an. Als sie die letzten waren und die Musik alleine den schwarz gestrichenen Raum bedröhnte, das Spiegelrad ungebrochene farbige Punkte über die schwarzen Bodenfliesen drehte, brachen sie auf.

      Draußen war es bitterkalt. Der Morgennebel ließ die Autos dampfen. Gogo und Peter stießen dicke Alkoholwolken aus. Die U-Bahn nach Mariendorf kam sofort und sie waren viel zu schnell vor der Firma. Frierend und rauchend schlugen sie vor dem Eisentor die Zeit tot.

      Ihre Aufgabe bestand darin Toilettenpapier, Papiertaschentücher und alles andere, was es in Drogerien gibt, auf Trolleys zu stapeln. Anschließend wurden die Trolleys mit einer dünnen Plastikfolie umwickelt, etikettiert und zum Warenausgang geschoben, wo Lastwagen warteten. In dem flackernden Neonlicht, der durchdringenden Kälte und dem Staub, der sich in die aufspringende Haut fraß, stieg in Peter ein enormer Kater auf. Am Trolley abstützend, schleppte er sich von Gang zu Gang und alle halbe Stunde schüttete er sich auf der Toilette Wasser ins Gesicht.

      Eine Sirene signalisierte die unbezahlte Mittagspause. In der Kantine kauften sie Brötchen mit Würstchen und Tee und setzten sich an einen von den Festangestellten abseits gelegenen Tisch. Peter kämpfte mit Kreislaufblitzen und kriegte keinen Bissen runter.

      Um halb fünf war es vollbracht. Es war wieder dunkel. Im Gehen rissen sie wütend ihren Gehaltsumschlag auf, grapschten die 65 Mark 70, warfen das Papier wütend auf den Boden, zerstampften es und schossen es eine Brücke hinunter.

      Peter klingelte bei Beate. Sie machte auf und er legte sich in ihr Bett.

      Mitten in der Nacht erwachte er. Deprimiert warf er sich hin und her und kämpfte mit den Tränen. Er weckte Beate und fragte sie, ob die Übersensibilisierung durch den Alkoholentzug an Katertagen auch bei ihr so etwas wie eine Parallelverschiebung zur Folge hätte, und dass sie sicher auch das Gefühl kenne, im Kater von einer parallelen Ebene aus, sich selbst zu quälen, nicht körperlich, die körperlichen Folgen wären ätzend aber bedeutungslos, aber psychisch stäche man sich doch immer wieder tief in sein Herz, wie mit einem Nagel in feines Gewebe. Beate tippte ihm wütend ihren Zeigefinger an die Stirn und sagte: „Schlaf!“

      In den nächsten Wochen arbeiteten Peter und Gogo täglich in dem Lager. Peter rechnete aus, wie viel Tampons Beate bis zu ihrer Menopause benötigten würde und stülpte Tamponpäckchen in seine Socken, leerte sie in eine Tasche in seinem Spind und holte mehr. Manchmal sechs Ladungen am Tag. Mit Beates Periode würde kein Geschäft mehr zu machen sein. Die Abende verbrachten Beate und er bei Bier, Jägermeister und Spagetti vorm Fernseher. Nachdem Beates Tampon-Lebensvorrat vollständig war, klaute er Ramonas und Einwegrasierer für sich selbst. Dann flog ein Fest-Angestellter auf. Bei einer Haussuchung beschlagnahmte man eine ganze Garage voller Drogerieartikel. Zwei Wochen später hörten Gogo und er auf zu arbeiten.

      In den Kleinanzeigen einer Szenezeitung hatte eine interessante Annonce für einen Synthesizer gestanden. Peter hatte angerufen und noch für den selben Nachmittag einen Besichtigungstermin ausgemacht.

      Beate und er trödelten die Straßen Zehlendorfs entlang. „Na, hat man auch mal gesehen“, kommentierte sie den Stadtteil. Sie nervte Peter damit aufzuzählen, warum ihre Eltern gemein waren und warum sie ausschließlich auf langhaarige Männer abfuhr. Das alles interessierte ihn überhaupt nicht. Es war ihm sowieso nicht ersichtlich, warum sie darauf bestanden hatte mitzukommen, wie konnte sich jemand nur so langweilen.

      Der Verkäufer, ein junger Technikfreak, sein Zimmer roch ungelüftet und war vollgepackt mit Keyboards und Gitarren beachtete sie kaum, sondern fummelte an einem Effektgerät. Aber Peter hatte ein gutes Gefühl, als er die 500 Mark abzählte.

      Zu Hause probierte er das Gerät gleich aus. Er stöpselte das Kabel in die Stereoanlage, stellte es auf einen Stuhl, drückte Tasten, Knöpfe und modulierte Töne.

      „Das ist ja nur Lärm“, stöhnte Beate. „Ich dachte, damit kann man Musik machen.“

      „Muss man sich mit beschäftigen“, erwiderte Peter gereizt, „die Gebrauchsanweisung lesen und so.“

      „Ich geh‘ dann jetzt“, sagte sie eingeschnappt und verschwand. Peter klimperte abwesend eine schräge Melodie und dachte darüber nach, was sie jetzt wohl machen würde: Glotzen, Haare färben, betrinken oder mit einer Rasierklinge den Arm aufschneiden.

      Er führte Gogo den Synthesizer vor. Sie tranken scheußliches Berliner Bier aus bauchigen Drittelflaschen

      Nach einem Halt bei einem Kebabfritzen begossen sie das Instrument und sprachen über die Band und wie sie heißen könnte. ‚Atome’, ‚Rotkehlchen’ oder ‚getrocknetes Brot’ schlug Peter vor. Gogo verwarf alles, hatte aber selber keine Idee. In dem nachfolgenden Vakuum wünschte Peter sich Tobias herbei, mit dem so etwas nie passiert war.

      „Nun wird es vorangehen“, wiederholte Peter immer wieder. „Es kann doch gar nicht so schwer sein, dufte Musike zu machen.“

      Gogo brummte. Sie tranken und spielten die ganze Nacht Pool Billard.

      Im Morgengrauen traf Peter vor der Haustür den Typ aus dem ersten Stock.

      „Hey Baldinger“, grüßte der ihn beim Nachnamen. „Hallo Padberg“, gab Peter zurück. Sie grinsten beide breit. Padberg war dürr und gelb im Gesicht. Er hatte gerötete Augen und seine blonden Haare waren schändlich verschnitten. Peter öffnete mit seinem Durchsteckschlüssel die Tür. Wie jedes mal, seit Padberg eingezogen war, verabredeten sie, dass Peter ihn bald mal besuchen käme.

      An diesem Abend aber klopfte Peter bei Padberg im ersten Stock. Verschlafen und in Rippunterhose öffnete der: „Ach, du bist es. Komm rein. Sind wir irgendwie verabredet? Ich kann mich

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