Die Missionäre. Gerstäcker Friedrich

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Die Missionäre - Gerstäcker Friedrich

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Missionen - ein Beweis mehr, wie gewaltig der fremde Geistliche verstanden hatte das Interesse der Zuhörer zu fesseln und ihre Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Berchta aber blieb ziemlich einsilbig und schützte bald darauf Kopfschmerzen vor, mit denen sie sich auf ihr Zimmer zurückzog.

      Johnson kehrte übrigens an dem Abend gar nicht wieder nach dem Schlosse zurück und hatte nur einen Boten hinaufgesendet, um ihn zu entschuldigen. Er war so von den Leuten unten in Anspruch genommen, daß er sich nicht losreißen konnte oder wollte. Was lag dem Manne auch an häuslichen Bequemlichkeiten, der nur mit eiserner Consequenz sein einmal vorgestecktes Ziel verfolgte!

      Und der Erfolg war wirklich für einen so kleinen Ort ein außerordentlicher; denn nicht allein, daß seine dort gleich auf dem Platz angestellte Sammlung reicher ausfiel, als in mancher großen Stadt, nein, es gelang ihm auch, einen „Frauenverein" zu gründen, der diese Sammlung sowohl fortzusetzen versprach, als sich auch bereit erklärte, dafür zu sorgen, daß nur alle erdenklichen Bedürfnisse für die Eingeborenen angefertigt oder von anderen Orten erbeten würden. Später sollten sie dann an eine von Johnson aufzugebende Adresse befördert und den „armen Heiden" zugesendet werden, und man beschloß zuletzt noch, das „gnädige Fräulein" zu ersuchen, die Präsidentenstelle in diesem Verein zu übernehmen.

      Am nächsten Morgen suchte sie Johnson selber auf, um sie darum zu bitten, und fand sie, als er sich bei ihr anmelden ließ, allein in ihrem Zimmer. Berchta versprach auch mit Freuden seinen Wunsch zu erfüllen, und konnte ihm dabei nicht verhehlen, wie tief sie von seiner gestrigen Rede ergriffen sei, und wie sehr ihr am Herzen liege, das Wenige, /36/ was sie selber im Stande sei zu leisten, zur Förderung des schönen Werkes beizutragen.

      „Mein gnädiges Fräulein," erwiderte der Missionär, und ein eigener, wenn auch unmerkbarer Zug von Bitterkeit umzuckte seine Lippen, „wir Alle sind wirklich im Stande, das Höchste zu leisten, wenn wir nur auch den festen Willen dazu haben; aber wir finden es gewöhnlich weit bequemer, uns mit der Unmöglichkeit zu entschuldigen. Viele werden freilich berufen, aber Wenige sind auserwählt, und den wenigen Auserwählten gehört dann das Himmelreich."

      „Ich verstehe Sie nicht," sagte Berchta scheu.

      „Es ist schon dankenswerth, mein gnädiges Fräulein," wich aber der Geistliche aus, „daß Sie sich in Ihrer Stellung so weit herablassen, an der Sache armer, freundloser Missionäre in fremden Welttheilen durch eine Form, wie hier der Vorsitz eines Frauenvereins ist, oder selber durch freundliche Gaben sich zu betheiligen. Wir könnten wirklich gar nicht mehr von Ihnen verlangen."

      „Und ist das Ihr voller Ernst?" sagte Berchta und sah dabei den Geistlichen fest und forschend an. „Sprechen Sic jetzt - wie Sie es gewohnt sein müssen - die reine, lautere Wahrheit?"

      „Wir dürfen wenigstens nicht mehr verlangen," erwiderte Johnson, „wenn Ihnen das aufrichtiger klingt."

      „Und weshalb nicht?" rief Berchta rasch. „Trauen Sie mir weniger Muth, weniger Aufopferungsfreudigkeit zu, als sie andere Frauen bewiesen haben?"

      „Mein gnädiges Fräulein," sagte der Missionär, „wir selber wissen nie, was wir uns zutrauen dürfen oder können, bis wir es nicht auch an uns selber erprobt haben. Oft ist der Geist wohl willig, aber das Fleisch schwach, und mancher selbst starke Geist sinkt nachher unter der Wucht der Wirklichkeit zu Boden und verzagt."

      „Und trauen Sie mir das zu?"

      „Möge Sie Gott nie auf so harte Probe stellen," sagte der Missionär, leicht und wehmüthig das Haupt neigend, „und nicht allein Ihret-, sondern auch der Ihrigen wegen, denn es ist schwerer fast, da Zeuge zu sein, als es selber zu tragen." /37/

      „Und waren Sie einst Zeuge eines solchen Leides?" fragte Berchta bewegt, denn der sonst so ruhige Mann mit den eisernen Zügen schien heftig erschüttert.

      „Ja," flüsterte Johnson, fast mehr mit sich selber, als zu der Jungfrau sprechend, „ich war Zeuge, wie ein junges, liebes Leben langsam dahinwelkte, und - mußte dann später trotzdem noch Gott danken, daß er sie früher zu sich genommen. ehe sie das Furchtbarste erlebte."

      „Das Furchtbarste?"

      „Sie sollen es hören, mein gnädiges Fräulein," sagte der Missionär, „es sind wenige Menschen, denen ich das anvertraut habe, was schon länger als ein Vierteljahrhundert hinter mir liegt, - aber," setzte er leise hinzu, „es mag Ihnen auch beweisen, daß ich nicht nur für die Mission werbe, sondern auch eine Warnung für die habe, die vielleicht zu fest auf sich vertrauen und dann der guten Sache nichts nützen, sondern selber zu Grunde gehen würden, - und in Ihren Augen gerade liegt etwas, das mich Aehnliches fürchten läßt."

      „Ich verstehe Sie wirklich nicht."

      „Lassen Sie mich Ihnen eine kurze Skizze aus meinem Leben geben," wich der Missionär aus, „ich werde Ihre Zeit nur für wenige Minuten in Anspruch nehmen, und dann betrifft es gerade jenen Tag, an welchem ich diese Wunde erhielt, nach der mich Ihr Herr Vater schon fragte. Es ist gerade, als ob mir der Allmächtige selber ein Erinnerungszeichen gegeben habe, damit ich nie - nie jene Zeit und Alles, was damit zusammenhing, vergessen möge. -

      „Es sind jetzt dreiunddreißig Jahre," fuhr er nach kurzer Pause fort, „daß ich meine erste Missionsreise antrat. Der Verkehr mit jener wilden Welt war damals noch sehr unbedeutend und das Leben, besonders auf den Inseln, um Vieles wilder, als es gegenwärtig ist. Ich hatte eine junge Frau, die mich begleitete; sie war aus guter Familie - reich und wunderbar schön, ich war selber damals noch jung - wenigstens in meinen besten Jahren. Ich wollte das Amt eines Missionärs nicht annehmen, weil ich eben für meine Frau fürchtete; sie selber drängte mich dazu. Wir gingen damals nach Neuseeland - es lebte dort - und lebt noch - ein wildes Volk, /38/

      das sich der Cultur nur schwer zugänglich zeigte, ja so wild und gehässig gegen uns auftrat, daß wir mehrmals in Lebensgefahr schwebten, von ihnen überfallen zu werden. Meine arme Frau zeigte sich dieser ewigen Furcht und Aufregung nicht gewachsen; sie sollte jetzt nach Europa zurückkehren, aber nun konnte ich den übernommenen Posten nicht verlassen, ohne mich einer Pflichtverletzung schuldig zu machen. Was früher freier Wille bei ihr gewesen, wurde nun zum Zwang und rieb ihre Kräfte auf. Sie siechte dahin und - starb -"

      „Armer Mann!" sagte Berchta tiefbewegt.

      „Ich glaubte damals, daß Gott das Schwerste über mich verhängt habe, was möglich sei," fuhr der Missionär nach kurzer Pause fort; „ich wußte noch nicht, was eine Menschenseelc im Stande wäre, zu tragen. Acht Tage später überfielen die Maoris meine Hütte - meine selige Frau hatte mir zwei liebe engelgleiche Kinder hinterlassen - zwei Mädchen - ich vertheidigte - weniger mein Leben, als das ihrige, mit der Kraft der Verzweiflung - ein Keulenschlag streckte mich zu Boden - meine ärmliche Heimath war in den Händen der blutdürstigen Wilden, und sie - machten Gebrauch davon. Eine Abtheilung englischer Marinesoldaten war in der Nähe und vertrieb sie endlich, aber sie konnten das Schlimmste nicht von mir abwehren, denn sie retteten nur mein Leben. Als ich wieder zum Bewußtsein erwachte - und zu welch' furchtbarem Bewußtsein - sah ich meine beiden Kinder todt - erschlagen an meiner Seite. Von da ab wurde unsere Mission verlegt, ich kam, aus Rücksicht vielleicht auf das, was ich in Neuseeland gelitten, nach einer der Stationen in der Südsee - nach den Tonga-Inseln - von dort aus besuchte ich die Marquesas-, die Gesellschafts-Inseln, die Gruppe der Freundlichen Eilande und viele andere. Ich hatte keine Ruhe mehr, ich führte ein rastloses Leben, aber das ganze Ziel desselben war nur dem Einen Streben geweiht, jenen unglücklichen Menschen das Licht der Religion zu bringen und sie von dem Verderben zu retten, dem sie so unwiderruflich entgegengingen."

      „Und trotzdem," rief Berchta, die der kurzen, aber ergreifenden Schilderung mit dem gespanntesten Interesse gelauscht und /39/ deren Wangen Leichenblässe

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