Die Missionäre. Gerstäcker Friedrich

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Die Missionäre - Gerstäcker Friedrich

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in der Kirche herumgeht - eine der trostlosesten Einrichtungen unserer aufgeklärten Zeit, die jede möglicher Weise von Seite des Predigers erzielte Andacht rettungslos todtschlägt. Der Kirchgänger, der sich doch, allem Vermuthen nach, in den Text der Predigt vertieft hat und dem Ideengang mit Interesse folgt, muß plötzlich in die Tasche greifen und nach einem Stück kleiner Münze suchen, und bis er die gefunden, hat er auch sicherlich den Faden der Predigt verloren."

      „Aber Du wirst mir zugestehen, Franz, daß die Missionen nicht ohne Unterstützung bestehen könnten."

      „Es mag sein; aber deshalb berührt es mich doch peinlich, und ich hätte es des Mannes selber wegen gewünscht, daß es nicht nöthig gewesen wäre. Wir finden auch nirgends in der Heiligen Schrift, daß die Jünger des Heilands, als sie sich später ausbreiteten, Collecten gemacht haben."

      „Du bist unverbesserlich, Franz," sagte der alte Herr, vielleicht selbst darüber ärgerlich, daß er ihm nicht gut etwas entgegnen konnte, oder ihm wenigstens in der Geschwindigkeit nichts beifiel. „Mit Dir ist auch darüber nicht zu streiten, und Jugend hat einmal keine Tugend."

      „Mein lieber, guter Onkel," lachte Franz, „die Tugend, die erst das Alter nothgedrungen bringt, wäre auch nichts besonders Rühmenswerthes; aber Du hast Recht, wir wollen uns nicht mit religiösen Streitfragen befassen, wenn auch der Klingelbeutel eigentlich nichts mit der Religion selbst zu thun hat. - Wo steckt denn nur mein schönes Bäschen? Sie vernachlässigt ihren Vetter, der morgen schon wieder fort muß, auffallend."

      „Weißt Du, Claus, wo meine Tochter ist?" sagte der Freiherr.

      „Das gnädige Fräulein," erwiderte der Alte, „sitzt oben in ihrem Zimmer und liest Zeitungen."

      „Zeitungen?" rief Franz verwundert, „beschäftigt sie sich denn auch mit Politik?"

      „Das weiß ich nicht," meinte Claus; „aber der fremde Herr Prediger hat ihr ein ganzes Paket dagelassen, und in denen studirt sie jetzt."

      „Missionsschriften! Gott soll uns bewahren!" lachte Franz. „Aber das leid' ich nicht, Onkel. Die paar Stunden, die ich noch bei Euch bin, möchte ich auch mit Euch verleben. Ich hole sie. Zu der Lectüre hat sie noch immer genügend Zeit, wenn ich erst einmal wieder fort bin."

      Er machte auch in der That sein Wort wahr, und Berchta willfahrte gern seinem Wunsch, die Zeitungen beiseite zu legen. Sie hatte, wie sie sagte, nur darin geblättert. Es wurde aber auch an dem Tage kein Wort mehr weder über Religion noch Missionswesen gesprochen, was sehr natürlich war, da Franz nur sein holdes Bräutchen im Kopfe hatte, und Onkel wie Base ihm willig in diesem Ideengang folgten. War doch Selma selber ihrer Beider Liebling, als daß sie sich nicht hätten über das augenscheinliche Glück des lieben Verwandten freuen und herzlichen Antheil daran nehmen sollen.

      Die Hochzeit war, wie er ihnen sagte, auf über vier Monate angesetzt, und daß sie der beiwohnten, verstand sich doch natürlich von selbst. Bis dahin hatte er aber noch alle Hände voll zu thun, denn daß er sich selber seinen kleinen Hausstand auch neu und wohnlich einrichten wollte, konnte ihm Niemand verdenken, und es war unglaublich, wie viel da noch anzuordnen und zu bestellen blieb. Berchta versprach übrigens, Selma in der allernächsten Zeit zu besuchen und zu begrüßen, und Franz dankte ihr schon im Voraus dafür.

      Die wenigen Stunden, die Franz noch bei ihnen blieb, vergingen ihnen auch in der That fast zu rasch, und als er das alte Schloß am nächsten Morgen wieder verlassen, lag es so still und öde als nur je. Berchta aber behielt von da ab volle Muße, sich in die Hefte, die ihr der Missionär zurück-/45/gelassen zu vertiefen oder unten in Rothenkirchen, in der Pastorswohnung, die Angelegenheit der begonnenen Sammlung mit den verschiedenen dabei Betheiligten zu besprechen.

      So sehr beschäftigt sie auch zeitweise damit war, versäumte sie doch auch ihre sonstigen Studien nicht, wie der alte Baron eben so wenig den Diakonus Abends entbehren mochte; es wäre ihm sonst gar zu einsam auf dem Schölfenstein gewesen.

      Musik und Literaturgeschichte wurden deshalb wieder vorgenommen ; aber Berchta schien sich jetzt mehr als je für Geographie und Reisebeschreibungen zu interessiren, und besonders bat sie Kästner - und jeder ihrer Wünsche war für ihn ja ein Befehl - ihr Alles zu verschaffen, was er im Stande sei, über die Südsee-Inseln und ihre Bewohner aufzutreiben. „Sic wolle Alles darüber lesen," sagte sie lächelnd, „da sie sich als Vorsteherin eines, wenn auch noch so kleinen, Missions-Vereins doch auch genau mit den Verhältnissen jener Länder bekannt machen müsse."

      In dieser Zeit führte Berchta ihren Vorsatz aus und besuchte Selma, sah sich aber in ihren Erwartungen etwas getäuscht. Sie hatte gehofft, sich mit dieser, deren tiefreligiösen Sinn sie kannte, über Manches, was ihr auf dem Herzen lag, recht ordentlich aussprechen zu können, fand aber wunderbarer Weise, daß sie sich geirrt, denn Selma schien ihre ganze Natur verändert zu haben. Andere würden es freilich natürlich gefunden haben, daß ein junges Mädchen, wenige Monate vor ihrer Verbindung mit dem Geliebten, nicht gerade besondere Lust zeigte, sich mit Missionen in fremden Welttheilen zu beschäftigen, sondern weit mehr an ihre Aussteuer und die Liebe athmenden Briefe des Bräutigams dachte. Und trotzdem fühlte sich Berchta davon verletzt.

      Sie gehörte wahrlich nicht zu jenen bigotten Wesen, die schon das Heiligste beleidigt glauben, wenn nicht jeder äußern Form genügt wird, und denen der Ausdruck innerer Zerknirschung unablässig in den Zügen liegt. Sie war im Gegentheil stets mehr heiterer als ernster Natur gewesen, und fromm nur aus innerer Ueberzeugung, nie zum Schein für Andere, so daß sie sich auch fast stets bei Anderen ihrem fröhlich sinnigen Charakter überließ und ihre Andacht für stille, unbe-/46/wachte Stunden aufsparte. Aber es verletzte sie, daß die Freundin nicht mehr Theil an einer Sache nahm, die ihre ganze Seele erfüllte, und als sie nach einigen Tagen allein wieder zurück nach dem Schölfenstein fuhr, murmelte sie leise vor sich hin:

      „Der Missionär hatte Recht – wie selten, oh wie selten findet man in unseren Kreisen ein Herz, das im Stande ist, der Prüfung zu widerstehen, die ihm Rang und Reichthum auferlegen! Und ist das wahre Frömmigkeit, die sich so leicht – so entsetzlich leicht von ihrer Bahn ablenken läßt? Bedarf es denn nur eines einzigen verlockenden Schimmers dieser Welt, um uns Alle in den breiten Strom des Gewöhnlichen hineinzureißen, und bin ich selber nicht vielleicht genau so wie die Freundin, in der ich mich jetzt getäuscht zu haben glaube? Nein – ich nicht,“ setzte sie fest entschlossen hinzu, „ich will dem Manne mit dem eisernen Charakter beweisen, daß sein Urtheil zu rasch – wenigstens zu allgemein war. Es giebt Ausnahmen, und möge mich Gott stärken, daß ich das, was ich mir vorgenommen, auch mit frischem und entschlossenem Muthe durchführe. – Er wird dann weiter helfen.“

      Von dem Tage an war Berchta eine Andere. Heiter wie sonst und freundlich gegen Alle, schien ein gewisser Ernst über sie gekommen zu sein, der selbst ihrem Vater nicht entgehen konnte.

      „Was hast Du nur in aller Welt, Kind?“ fragte er eines Tages, indem er sie bewegt betrachtet hatte; denn noch nie war sie ihm der verstorbenen Mutter so ähnlich vorgekommen, wie gerade heute. „Du siehst immer so froh und glücklich aus, und doch hab‘ ich schon ein paar Mal bemerkt, daß Dir plötzlich eine Thräne in’s Auge steigt, und Du Dich dann abwendest, um sie zu verbergen. Fehlt Dir etwas, Herz? Drückt Dich ein Kummer? Sag mir’s, und wenn’s in meinen Kräften steht – Du weißt ja, daß ich Alles thue, was ich kann.“

      „Ich weiß es, mein lieber, guter Vater,“ sagte Berchta herzlich, „ich bin es fest und innig überzeugt. Aber mir fehlt in der That nichts; ja ich habe mich im Gegentheil noch nie so wohl, so mit mir selbst zufrieden gefühlt, wie gerade jetzt.“ /47/

      „Manchmal siehst Du so aus, ja“, nickte der alte Mann, „manchmal aber auch wieder nicht, und dann kommt mir oft unwillkürlich der Gedanke, daß Dich irgend ein tiefer, kaum verhaltener Schmerz drücke,

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