Brand und Mord. Die Britannien-Saga. Sven R. Kantelhardt

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Brand und Mord. Die Britannien-Saga - Sven R. Kantelhardt

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inzwischen nicht nur Vortimers Handlanger, sondern lasse jetzt schon selbst wehrlose Gefangene abschlachten. Warum tue ich das eigentlich?

      Einen Augenblick war er ratlos. Ja, weshalb tat er sich das an? Doch dann fiel ihm Rowena ein. Rowena war alle Mühen wert. Wie er sie vermisste! Außerdem wurde es höchste Zeit, den Hochkönig von dem in Kenntnis zu setzen, was er von den gefangenen Pikten erfahren hatte.

      Ad Abum, Juni 441

      Tallanus

      Der dichte Nebel hatte sich inzwischen zumindest teilweise aufgelöst, aber immer noch hingen schwere Regenwolken über den Hügeln zu beiden Seiten des Abus. Auf dem gegenüberliegenden Höhenzug sah Tallanus in der hereinbrechenden Dämmerung bereits die ersten Wachfeuer aufflackern. Das mussten die Sachsen sein. Das Übersetzen von Vortigerns Heer und Tross zog sich nämlich bereits Stunden hin. Nun endlich war auch der Bischof mit seinem Gefolge an der Reihe. Von den schwankenden Brettern des Bootes aus beobachtete er, wie sie sich langsam dem nördlichen Ufer näherten. Hier also hatten die Sachsen die Pikten ein weiteres Mal geschlagen. Eine große Übermacht, wie man sich im Heer erzählte, und die lähmende Furcht, die vor wenigen Tagen in Lindum Vortigerns Männer im Bann gehalten hatte, war einer Aufbruchsstimmung gewichen. Endlich legte das schaukelnde Boot an.

      „Wo sind denn unsere Quartiere?“, erklang da Albanus dünne Stimme. „Ich hoffe sehr, Vortigern hat an unsere Zelte gedacht. Von diesem Peturaria sollen ja nur noch Trümmer übrig sein.“

      Tallanus seufzte. Der alte Mann dachte nur an sein eigenes Wohlergehen. Dabei war es doch ihre erste Pflicht, den erschlagenen Britanniern ein christliches Begräbnis zu bereiten. Er blickte kurz auf die gebeugte Gestalt mit dem aufgedunsenen Gesicht und den hängenden Tränensäcken. Was war nur aus dem sicherlich einstmals mutigen Glaubensmann geworden? Er selbst würde einen viel besseren Bischof abgeben … Das Bewusstsein der eigenen Unvollkommenheit traf ihn wieder wie ein Stich. War er nicht genauso auf seinen persönlichen Vorteil aus?

      „Herr, sollten wir nicht nachsehen, ob die Pikten unsere gefallenen Krieger wenigstens begraben haben?“, schlug er respektvoll vor.

      „Ja, geh und kümmere dich darum“, winkte Albanus genervt ab.

      Rasch sprang Tallanus aus dem Boot, ebenso froh dem scheußlichen Schwanken des Bootes wie der üblen Laune seines Herrn zu entkommen. Während er an mehreren Gruppen sächsischer Krieger vorbei zügig den Hügel hinaufstrebte, genoss er die vom Regen gereinigte Abendluft. Selbst die kurze Bootsfahrt auf dem ruhigen Fluss hatte ihm zugesetzt. Er hasste diese schaukelnden Dinger. Dann konzentrierte er sich auf seine Aufgabe. Jenseits des Hügels, keine Meile weit entfernt im Norden, lag das Schlachtfeld und dort würde er die Überreste der gefallenen Britannier finden. Er versuchte sich innerlich auf den schauerlichen Anblick vorzubreiten, der ihn dort erwartete.

      Bei den Wachfeuern auf der Hügelkuppe traf er auf weitere Sachsen. Ceretics junger Freund, der mit ihm nach Durovernum geritten war, befand sich unter ihnen. Tallanus winkte ihm zu, froh, zwischen den Barbaren ein bekanntes Gesicht zu finden. Als Antwort erhielt er zwar nur einige sächsische Worte, aber das Lächeln verstand er auch über die Sprachgrenzen hinweg. Inzwischen jagten ihm die rohen sächsischen Laute keinen Schrecken mehr ein wie anfangs in Regulbium.

      Wortlos schritt er weiter und stolperte fast über die ersten Leichen. Er bekreuzigte sich. „Hier schon“, entfuhr es ihm. Aber es war kein Britannier, der dort in seinem Blute lag, sondern ein Pikte, wenn auch ohne die typischen blauen Muster. Vermutlich einer jener Unglücklichen, die sich den Sachsen am Nordufer entgegengestellt hatten. Tallanus blickte sich um und fuhr erschrocken zusammen. Da lagen noch weitere Leichen. Insgesamt waren es elf Stück. Das grausigste aber war, dass alle an Armen und Beinen gefesselt und brutal mit einem Hieb auf den Kopf getötet worden waren. Diese wilden sächsischen Barbaren hatten ihre gefangenen Feinde abgeschlachtet! Entsetzt starrte er zu den ruhig um ihre Feuer sitzenden Kriegern hinüber.

      Das Bild von Álainn und dem Überfall auf Regulbium erschien vor seinem geistigen Auge. Traurig schüttelte er den Kopf. Omnes enim, qui acceperintgladium, gladio peribunt. Wer das Schwert zieht, wird durch das Schwert fallen. Wie treffend war dies Wort des Herrn aus dem Evangelium des heiligen Matthäus. Wann würden endlich all diese Heidenvölker im Frieden Jesu Christi vereint werden?

      Er schrak zusammen, als ihn etwas an der Schulter berührte. Es war der junge Sachse. Tallanus hatte in seinen Gedanken versunken gar nicht bemerkt, dass dieser das Wort an ihn gerichtet hatte. Entschuldigend zuckte er die Schultern. Er verstand ohnehin nicht, was der Sachse wollte. Der gab aber nicht nach und gestikulierte. Dann versuchte er die Sprachbarriere durch lautere Artikulation seines unverständlichen Idioms zu überbrücken. Schließlich zeigte er mit dem Arm in die Runde nach Norden und schüttelte dann den Zeigefinger hin und her.

      „Ich soll nicht nach Norden gehen?“, fragte Tallanus erstaunt. Da hörte er eine bekannte Stimme hinter sich.

      „Tallanus!“ Es war Ceretic, der mit großen Schritten auf sie zu eilte.

      „Wie gut, dass du kommst!“, antwortete Tallanus erfreut. „Ich, oder besser wir“, dabei lächelte er den Sachsen an, der eine fragende Miene aufgesetzt hatte, „haben Verständigungsschwierigkeiten.“

      Ceretic bekam schnell heraus, wo das Problem lag. „Ordulf, so heißt dieser Sachse, meint, es sei zu gefährlich allein weiter nach Norden zu gehen. Etliche Pikten sind entkommen und er fürchtet, dass Prinz Kolomans Späher noch durch das Gebiet streifen.“

      Wieder unterbrach ihn der Sachse und Ceretic legte seine Stirn in Falten. Dann antwortete er ihm auf Sächsisch. Tallanus horchte fasziniert. Viele Kleriker sahen insgeheim auf die Leute herab, die kein Latein verstanden, aber diese barbarische Zunge musste noch viel schwieriger zu erlernen sein. Schließlich wandte sich Ceretic wieder ihm zu.

      „Ordulf meint, wir könnten einen kleinen Erkundungsgang wagen. Er will uns aber mit einem seiner Männer begleiten.“

      Der Sachse rief einen seiner Stammesgenossen herbei. Dann folgten sie Tallanus langsam in die Nacht hinaus. Als sie den Kreis der Wachfeuer verlassen hatten, hielt Tallanus an, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Eine graue Wolkendecke hing noch immer dicht über ihren Köpfen. Nur dann und wann drangen ein paar Strahlen des Mondes schwach durch die grauen Schwaden und die Mondhöfe erstrahlten gespenstisch in allen Farben des Regenbogens. Das lange Gras unter ihnen war feucht und verschluckte den Klang ihrer Schritte. Wie verwandelt erschien die Welt in den Nachtstunden. Überall sah er Hügel und Senken, in denen sich heimtückische Feinde verbergen konnten. Verwesungsgeruch drang ihm in die Nase. Seine Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten.

      „Dort drüben liegt etwas.“ Ceretic fasste Tallanus plötzlich am Arm und wies auf einen länglichen Gegenstand, der vielleicht fünfzig Schritt vor ihnen im Gras lag. Tallanus bekreuzigte sich, dann lenkte er seine Schritte zu dem Schatten. Der Gestank verriet ihm schon bevor sie den Kadaver erreichten, was sie vor sich hatten. Es war die Leiche eines britannischen Kriegers. Nackt und kopflos, das weiße, aufgedunsene Fleisch leuchtete fahl in die Dunkelheit. Tallanus bekreuzigte sich erneut, dann kniete er bei dem Leichnam nieder und sprach ein schnelles Gebet.

      Der Sachse riss Tallanus mit einer unverständlichen Bemerkung aus der Andacht.

      „Ordulf hat recht, wir sollten jetzt lieber wieder zum Lager zurückkehren. Wir wissen nun ja, wie es um unsere Gefallenen steht.“

      „Aber wir müssen ihn doch begraben“, protestierte Tallanus lahm, während sein Freund angestrengt in Richtung Norden blickte.

      „Scht“, fuhr er ihn unvermittelt an. „Dort bewegt sich etwas.“ Mit angehaltenem Atem sah Tallanus auf, doch Ceretic

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