Niemand schaut in mich rein. Steffen Kabela

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Niemand schaut in mich rein - Steffen Kabela

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schon ihre Tasche für ihre Entlassung. Ich setzte mich zu Mami ans Bett und schaute sie an. Ich konnte es einfach alles nicht fassen. Fragen über Fragen und keine Antworten – Wieso das alles, wieso gerade wir, wieso meine Mami, warum, weshalb? Mich zerriss es fast. Und genau jetzt merkte ich, Mami wusste und spürte das ich bei ihr war. Ich hielt ihre Hand unter der Bettdecke fest und sprach mit ihr. Ihre Hand bewegte sich und drückte meine Hand. Ich wusste, Mami gibt nicht auf und kämpft. So aufgeben wollte ich auch nicht. Ist wirklich die Zeit schon gekommen, dass der liebe Gott Mami holen kommt und uns trennt. Das kann er doch nicht wollen! Meine Entscheidung war schon längst gefallen, ich bleibe bei meiner Mami, komme was wolle. Und immer wieder die vielen Fragen in meinem Kopf: Wacht Mami noch einmal auf? Schläft Mami gleich über? Sehen wir uns noch einmal? Spürt Mami das ich bei ihr bin? Können wir noch einmal miteinander reden? Am Nachmittag ging die andere Mitpatientin nach Hause und verabschiedete sich von mir. Sie machte mir Mut, wünschte mir Gottes Segen und Kraft und für Mami Stärke , Willenskraft und alles Gute. Das war sehr nett von ihr. Jetzt waren wir alleine in dem Zimmer. Zwischendurch wachte Mama immer wieder auf, freute sich mich zu sehen. Mami hatte keinen Hunger, allerdings Appetit auf ihren Schinken, Obst und ihre Eier. Und das fütterte ich ihr ganz langsam. Ich war sehr froh darüber. Das Wochenende stand vor der Tür. Langsam dämmerte es mir auch, das Mami nun bereits separiert war im Zimmer. Es war also sehr ernst. Irgendwie begriff ich es alles nicht. Für mich stand fest, ich bin für Mami da, wir machen alles gemeinsam. Ich blieb neben ihr sitzen, passte auf sie auf und wachte an ihrem Krankenbett. Mir war alles egal, ich schiss einfach auf alles, nur Mama war wichtig, mehr nicht. Kurz nach 23 Uhr fuhr ich nach Hause und war vollkommen aufgelöst. Kurz nach Mitternacht rief ich auf Station an, Mami schlief ruhig, so die Auskunft. Kurz vor 2 Uhr fuhr ich wieder in die Klinik um nach Mami zu schauen. Das Vertrauen in die Klinik war verspielt. Mama schlief ganz ruhig und ich war nach einer halben Stunde wieder zu Hause. Mein Bett blieb unbelegt, um kurz nach Halbvier stieg ich unter die Dusche und eine Dreiviertelstunde später war ich bereits wieder auf Station. So begann der Samstag für uns, ich setzte mich ganz dicht neben ihr an ihr Bett und schaute sie an, wie sie schlief. Was sollte ich ihr sagen, wenn sie aufwachte, ich wusste es nicht. Mami wusste, dass ich bei ihr bin, dass spürte und merkte ich. Natürlich wusste Mama, dass etwas nicht stimmt und ihr nicht gut geht. Ich konnte es ihr nicht sagen, dass sie im Sterben liegt. Das brachte ich nicht fertig. Ich konnte noch nicht einmal daran denken, dass Mami bald nicht mehr bei mir sein wird. Der Gedanke belastete mich sehr, machte mich sehr traurig und die Gedanken kreisten in allen Richtungen. Das Mami im Krankenhaus von mir geht, das wollte ich nicht für sie. Ich wusste, der liebe Gott steht uns bei und hilft uns. Ich betete alleine und auch mit Mama ihrer Hand. So saß ich nun den ganzen Tag und die halbe Nacht bei ihr. Erst wieder gegen 23 Uhr fuhr ich heim, rief zwischendurch auf Station an und fuhr auch zwischendurch kurz zu meiner Mama ans Bett. Nun war es nicht mehr ihr Krankenbett, ihr Pflegebett, nein es war ihr Sterbebett, was ich nicht akzeptieren konnte und wollte. Auch ich gab nicht auf. Das war keine Option. Spätestens früh Halbfünf saß ich wieder bei Mami am Bett, ich war bei ihr, wir kämpften gemeinsam. So ging es die nächsten Tage weiter, Montag, Dienstag, Mittwoch. Mein Bett sah mich in dieser Zeit nicht, die Arbeit zu Hause musste auch weitergehen und so kümmerte ich mich in den Stunden um Mitternacht um die Wäsche, Haushalt, Wohnung. In Zeiten der Ruhe schlief ich auf dem Stuhl sitzend neben Mama ein. Jede kleinste Bewegung bekam ich mit. Wachte Mami auf, freute sie sich, mich bei ihr zu haben. „Bist du schon lange da?“ - war dann ihre Frage, wunderte sich und schlief wieder ein. Ich wusste genau, sie spürte meine Anwesenheit. Mami wusste, dass ich sie nie allein lassen werde und das machte sie glücklich. Sehr viel bekam ich in dieser Zeit natürlich auch auf Station mit. Es gab auch Pflegekräfte, Personal, was mir Trost spendete und sich um mich kümmerte und mich mit Tee und Kaffee versorgte. Nur leider gibt es zu wenig Menschen mit Herz, Verstand und Mut. Die Weißkittel sprühten über vor Arroganz und Wichtigtuerei. Hauptsache die weißen Kittel wehten beim Gehen hinterher, es sah wichtig aus. Der nette Praktikant, der farbige junge Kerl, kam oft zu mir, brachte mir auch etwas zu Trinken und unterhielt sich sehr gerne mit mir. Er vertraute mir viel an, Privates, seine Pläne und die Schikanen mancher Pflegekraft auf der Station. Auch ich war Hetze und Schmäh ausgesetzt, weil ich mich so um meine Mami kümmerte. Eines Morgens hörte ich, wie sich die beiden Schwestern über mich unterhielten. „Die Beiden tun mir so leid, es ist so schön zu sehen, wie der um seine Mutti kämpft und sich um sie kümmert, dass macht sonst niemand. Einmal in meiner ganzen Zeit als Schwester habe ich so etwas erlebt. Hut ab vor ihm“ – das machte mich natürlich stolz. Sie wussten nicht, das ich es mitbekam. Andere Schwestern sprachen da schon härtere Töne aus, wie: „Der Arsch sitzt doch immer noch bei der“ oder „Was will der hier, der soll sich Heeme scheren“. „Hat das faule Schwein Heeme nischt zu dun!“ - auch das gab es . Mich störte es nicht. Sie mussten nur auf die Retourkutsche aufpassen, die kam nämlich auch. Dann wussten sie, dass ich es mitbekommen hatte. So meinte ich dann nur. „Achtung, der Arsch steht am Servicewagen und hört mit“ … schlagartig war Ruhe im Schwesternzimmer oder Aufenthaltsraum und die Köpfe waren hochrot. Natürlich nicht vor Scham, sondern vor Peinlichkeit. Das nette Personal bekam auch von mir kleine Aufmerksamkeiten, wie Kuchen, Pralinen aus der Schoko-Bude oder Plätzchen und das machte ich sehr gerne, als kleiner Dank. Manchmal ging auch die Zimmertür ganz leise auf, eine Schwester schaute herein und meinte nur: „Der ist da, sitzt am Bett und pennt“ – ja, er war da, saß am Bett und schlief nicht. Eines Abend saß ich auf dem breiten Fenstersims innen im Fenster und die Übergardine verdeckte mich. Im Zimmer war nur die kleine Spiegelbeleuchtung an. Ich beobachtete das Treiben auf dem untenliegenden Parkplatz und konnte meine Tränen nicht bändigen. Die Tür wurde ganz leise geöffnet und eine Schwester schaute Richtung Bett und dann Richtung Toilette, ich beobachtete es im Spiegelbild des Fenster. Dann sprach es mit rauer Stimme „die Alte is alleene, der ist weg“ , sie kamen rein und schauten im Nachtisch nach einem Zettel nach, wo ich am Nachmittag etwas aufgeschrieben hatte. Der Zettel war allerdings weg, er war in meinem Beutel. Jetzt steckte ich meinen Kopf hervor, die waren ganz schön erschrocken und hauten sofort ab. Jetzt stellte sich für mich die Frage nach dem Sinn der Aktion. Nachdem sich die Schwestern überzeugten das ich am Bett saß und schlief und der Folgeschicht mitteilen konnten, dass ich immer noch da bin, bekam ich mit, wie die Arbeitseinteilung erfolgte. „Bimbo“ oder „der Neger“ oder „der Schwarze“ muss putzen, aufräumen oder noch niederer Arbeiten erledigen. Oft genug verschlug es mir die Sprache. Ich sprach mit ihm darüber, es war ihm allerdings bekannt. Auch solche Sprüche musste er von manchem Mitarbeiter einstecken wie „ich trete dir gleich in den Arsch dann wirste schneller“. Bohh eh, da fällt mir nichts mehr dazu ein. Er berichtete mir auch von seinen Plänen, das er sich das in dieser Klinik nicht mehr antun wollte. Er war stolz auf seine Pläne und erduldete somit die Art der Mitarbeiter. Früh freute er sich schon auf seinen Feierabend, es richtete sich immer danach, wer Dienst hatte. Es waren nicht alle Pflegekräfte so menschenverachtend und unverschämt. Der Mittwoch war der Tag der Herausforderung für mich. Das Personal machte sehr lange Pause, die Zeit war schnell vorbei und die Patienten noch nicht für den Nachmittag versorgt wurden. Das Schichtende nahte, nun musste alles sehr schnell gehen. Ich war auf dem Weg zum Servicewagen auf dem Gang um eine Flasche Wasser zu holen. Der Pfleger schoss mit dem Urineimer um die Kurven in die Zimmer und verfehlte vor Hektik den Türpfosten. Der Urin der kranken Patienten spritze viele Meter weit und ergoss sich über den Boden, die Wände , den Materialwagen, den Pfleger und auch mich. Mein rechtes Hosenbein bekam einiges ab, der Pfleger musste seine Arbeitskleidung wechseln gehen. Er war furchtbar schlecht gelaunt. Eine andere Schwester versuchte mein Hosenbein zu putzen. Als er wiederkam war seine Laune komplett unten und er ließ es sich so richtig anmerken. Er war doch selbst schuld. Ich fuhr schnell heim, zog mich um und zurück in die Klinik. Spät an diesem Abend ging ich wieder zum Servicewagen um mir einen Tee zu machen. Auf der Station war es ganz ruhig, eine Schwester war in den Überwachungszimmern unterwegs und die andere Schwester saß im Aufenthaltsraum der Schwestern. Bei ihr war ein Doktor. Der Weißkittel säuselte etwas und die Schwester kicherte leise vor sich hin. Anmache! Liebesgeplänkel! Ich hatte dafür keine Erklärung, machte mir meinen Tee und ließ ihn kurz ziehen. Die Beiden waren so sehr mit sich beschäftigt, dass sie mich nicht bemerkten, wie ich auf dem Gang an der halb geöffneten Tür stand. Nun offenbarte sich mir, was dort so los war. Herr Doktor saß mit geöffneten Schenkeln am Tisch und die Schwester saß ihm gegenüber an der anderen Tischseite. Ihr Gummischuh stand alleine unter dem Tisch, ihr Bein hatte sie auf dem

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