Niemand schaut in mich rein. Steffen Kabela

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Niemand schaut in mich rein - Steffen Kabela

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wurde geklärt, ich konnte mit akzeptiertem Schwerbehindertenausweis die heiligen Räume der Behörde, des Amtes, betreten. Nun streikte aber die Technik und das richtig. Das Geld musste ich bezahlen, eine Quittung bekam ich nicht. Technik halt.

      Vor einem Jahr war meine Mama zu Hause und alle waren froh darüber. Mami ging es den Umständen entsprechend gut, sie war schlapp und ihr Lebensmut war ungebrochen. Sie versprühte so viel Energie, auch schon wegen mir. Trotzdem spürte ich ihre Angst und Traurigkeit. Ich war immer in ihrer Nähe und machte alles, Haushalt, Einkauf, Wäsche, Kochen, Pflege. Ich war für meine Mami immer da. Mama war sehr glücklich darüber. Bei jeder Anstrengung setzte sofort die Luftnot ein und das ist etwas ganz Schreckliches. Ich kenne das Gefühl selber. Ich passte den Tagesablauf so an, dass es nur noch wenige Möglichkeiten einer Anstrengung gab. In der Nacht saß ich oft und viel an ihrem Bett, wenn sie schlief. Ich wachte für sie, um gleich reagieren zu können und zu helfen. Jede kleinste Bewegung registrierte ich, es war schon jahrelange Erfahrung. Unsere Hausärztin kannte die Luftnot und versteckte sich nach wie vor hinter ihrer Aussage, dass die Krankenkasse keine Sauerstoffgabe bezahlt. Ich sollte immer noch die Balkontür groß aufmachen oder so einen Automaten selber kaufen. Kurz, knapp, dreist. Ich versuchte es mit Sauerstoff aus der Sprayflasche, es half kurzzeitig und das machte Mut. Mami konnte durch den O2-Spray etwas mehr durchatmen. Es war eine Unterstützung, Frau Doktor war nämlich keine. In der Zwischenzeit ging mir diese Person auch schon richtig am Arsch vorbei. Ich hatte nur noch Wut auf diese Frau. Ein Wechsel war in dieser Situation auch nicht möglich. Also: Augen zu und durch. Jeder weitere Hausbesuch wurde nur noch zur Qual, irgendetwas versaute sie immer. Ich hatte hinterher nur noch zusätzliche Wege zu erledigen. Natürlich teilte ich das ihr auch entsprechend mit, was sie überhaupt nicht bewegt. In der Zwischenzeit ist mir bekannt, dass es noch viel mehr gleichgelagerte Fälle wie bei uns gibt. Es ist bekannt und wird auch noch geduldet. Nichts passiert, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Es ist Realität, bewiesenen Realität.

      Titel

       Die Nächte werden länger

       Mami war froh zu Hause bei mir zu sein. Wir genossen jeden Tag aufs Neue. Ich war für meine Mami zu jeder Zeit da, Mami freute sich sehr. In Mami floss ostpreußisches Blut, sie kämpfe immer und gab nie auf. Mami wurde zu Weihnachten 2018 von der Psychologin beim Hausbesuch alles Gute gewünscht , viel Gesundheit und noch eine schöne Zeit mit der Familie. Mami erwiderte darauf hin, dass Gesundheit für sie sehr wichtig sei und sie schon noch auf der Erde bleiben möchte. Das ruckte mich sehr, denn ich kannte Mami ihren Kampfgeist und Lebenswillen. Mami war mit allem zufrieden, immer zufrieden, genügsam, mochte keinen Zank und Streit, für alle da, gab das Letzte und machte anderen Menschen immer eine Freude. Kurz gesagt: Mama war ein ganz liebevoller Mensch. Und nun erlebte ich wieder mit, wie sie täglich schwacher wurde, das Wasser anstieg, ihr rechter Arm und die Hand immer dicker und die Luft immer knapper wurden. Schon lange hatte ich mit Mami alles besprochen, dass sie keine Angst haben braucht, muss und haben soll. Ich passe auf sie auf, bin immer bei ihr oder in ihrer Nähe. Mami hatte Angst, irgendwann in ein Heim zu müssen. Sie musste mir versprechen, diesen Gedanken zu streichen in ihrem Kopf. Omi und Papi mussten in kein Heim und meine Mami gleich gar nicht. Das wusste sie und ich versprach es ihr auch. Mami kommt immer wieder nach Hause, dafür sorge ich und dafür bin ich auch da. Kraft hatte ich schon lange keine mehr, das war aber so was von egal. Mami kommt zu mir, bleibt bei mir, in ihrem schönen Zuhause. Punkt und AUS. Sonntagmittag, es war der 13. Oktober, sagte sie zu mir, dass ihr wieder so kalt unter der Haut ist, sie schlechter Luft bekommt, „Steffleinchen, nun ist es wieder soweit, ich muss wieder in das Krankenhaus. Rufe doch bitte an, sie sollen mir doch helfen. Ich will doch wieder noch etwas gesünder werden und wieder nach Hause kommen“. Ich rief den Notarzt. Es dauerte sehr lange, fast eine Stunde bis Hilfe eintraf, aber es geschehen auch noch Wunder. Der Arzt, die Rettungssanitäter waren sehr nett und freundlich. Es stellte sich heraus, sie waren nicht von hier und auch nicht der Rettungswagen. Die Erstversorgung erfolgte ohne Stress und Angst, Mami war sehr ruhig. Der Abtransport erfolge sehr behutsam, sorgsam und leise mit einem Rettungsstuhl. Ich sollte sogar gleich mit dem Notarzt ins Krankenhaus fahren. Das war der beste Beweis, dass es auch anders funktioniert. Woran das wohl liegt? Ich packte die Tasche und fuhr unverzüglich hinterher ins Krankenhaus. Als ich in der Notaufnahme ankam, holte mich die unbekannte Ärztin in den Schockraum zu meiner Mami. Die Untersuchungen waren noch im vollen Gange, Mami ging es gut. Sie wurde sofort mit Sauerstoff versorgt. Mami sah mich, ich drückte und küsste sie, was die Ärztin auch aufnahm. Jetzt sprach die Ärztin mit uns Beiden, nebenbei wurde auch schon begonnen, das Wasser wieder auszuschwemmen. Die Ärztin war sehr freundlich, einfühlsam, kommunizierte mit uns, behilflich – alles Eigenschaften, die wir von dem Standort überhaupt nicht kannten. Kein Wunder, die Ärztin war auch nicht aus dieser Klinik, sie war eine „Leihgabe“ aus der Messestadt Leipzig. Nun fragten wir uns langsam, was hier wohl geschehen war. Bald sollte sich herausstellen, dass es eine Eintagsfliege und ein Ausrutscher war! Unverständlich war der Ärztin, warum ich Mami nicht schon zu Hause mit Sauerstoff versorgte. Ich sagte ihr, dass ich dies bereits tat, genauso, wie es unsere Hausärztin vorschlug und empfahl, ich öffnete die Balkontür. Nun stellten sich die Symptome bei dieser Leipziger Ärztin ein, Hecheln, Atemnot, Maulsperre und Muskelversagen, der Kuli fiel ihr aus der Hand. Es war eine Art Schockstarre … als sie wieder zu sich kam, fragte sie mich, ob das mein Ernst sei. Meine Mami sprach ein klares „JA“. Die Ärztin hob ihren Kuli wieder auf und vermerkte es in der Krankenakte. Nun musste sich die junge Ärztin noch um die anderen eingelieferten Patienten kümmern. Sie war flott unterwegs, auch das kannten wir nicht. Ich denke da nur an die Oberärztin von der Inneren, die ist so pfeilschnell, der kann man während dem Laufen die goldenen Schuhe besohlen. Nur zum Feierabend bewegt sie sich schneller. So manch ein Leser meint jetzt, dass ich ganz schön frech bin. Ich antworte dazu gerne mit „Ja“, dass musste ich lernen, aber es ist ehrlich und die volle Wahrheit. Ich lüge nicht, brauche ich nicht und kann es auch nicht. So wie ich alles beschreibe, haben wir es auch erlebt. Und nicht nur wir, oft gab es dazu nur ein quittierendes Kopfschütteln. Keiner hat den Mut sich dagegenzustellen. Ich habe den Mut, wenn dieser auch gepaart ist mit Kraftlosigkeit, Angst, Panik, Unmut, Selbstzweifel, Wertlosigkeit und Schuldgefühle … auch in mir fliest ostpreußisches Blut und ich kämpfe, vor allem für meine Familie. Nun kam Mami auf Station und ich ahnte schon die bevorstehende Katastrophe. Mami wurde verlegt auf die Station 3 und ich bekam die Ehre, gleich mit hoch zu fahren. Ich traute meinen Augen nicht, Mami kam in das Zimmer, in dem unser Papi für immer eingeschlafen ist. Das konnte nicht sein, das ging überhaupt nicht. Ich hatte keine Chance, mir wurde gleich sehr unfreundlich mitgeteilt, ob ich nicht wisse, was für ein Tag sei, Sonntag, da schieben sie keine Betten hin und her, „die bleibt dort wo sie ist!“ - und die Pflegekraft in Weiß ging ab Richtung Kaffeetasse. Das ist keine Vermutung, nein, dort fand ich sie wenige Sekunden später vor. Ich bestand auf einen Arzt, sie sagte ohne Aufzuschauen „Montag“. Sprachlos zog ich von Dannen. Mami lag alleine in dem Zimmer. Ich packte die Tasche aus, räumte den Nachttischschrank ein, legte Taschentücher und Handy bereit. Jetzt setzte ich mich zu Mami und blieb bei ihr. Mami sagte ich natürlich nicht, dass es das Zimmer ist, indem unser Papa verstarb. Am Abend schaute noch einmal die junge Ärztin vorbei und stellte fest, dass die Schwestern überhaupt noch nicht mit den verordneten Maßnahmen begonnen hatten. Jetzt klärte sie es und es begannen die Verordnungen. Sie versprach mir auch eine Klärung der Zimmerangelegenheit am folgenden Tag. Nach unendlich vielen Aufforderungen, das Zimmer zu verlassen durch die Schwestern, packte ich kurz vor 22 Uhr zusammen, verabschiedete mich von Mami und fuhr unter Tränen nach Hause. Mit Mami verblieb ich so, dass sie mich wie immer jederzeit anrufen kann und ich am nächsten Morgen gegen 10 Uhr Auftauchen, wie aus dem Nichts zur Freude der Frühschicht-Schwestern, werde. Mami strahlte vor Freude. Unser Zuhause war dunkel, kalt und leer für mich. Ich fand weder Ruhe noch Schlaf, sorgte mich um Mami, hatte große Wut im Bauch, weil mir alles wieder durch den Kopf ging – Danke Grübelzwang für die Grübelschleife. Es war eine ganz unruhige Nacht, ich konnte einfach nicht schlafen. Ich hätte nach Glashütte gehen können und dort als innere Unruhe im Uhren-Kombinat Geld verdienen! Am Morgen rief ich erst einmal Mami auf ihrem Handy an und freute mich, sie zu hören. Sie freute sich auch. Ich erfuhr, das gegen Morgen eine schwer kranke Frau mit zu Mami ins Zimmer gelegt wurde. Jetzt packte ich kleine Leckereien

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