Niemand schaut in mich rein. Steffen Kabela
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Niemand schaut in mich rein - Steffen Kabela страница 6
Was wird bei der nächsten Entlassung? Kommt da wieder ein ganzer Löschzug der Feuerwehr? Oder kommt wieder die Rettungsdecke zum Einsatz, weil Schkeuditz mit dem Rettungsstuhl schon Feierabend hat? Was wird, diese Frage stellt sich mir. Deutschland hat das beste Gesundheitssystem der Welt, die besten Krankenhausserien im TV, die besten Krankenhausreportagen, nur krank und alt darf man nicht werden und nicht außerhalb von Großstädten leben. Die Politik sollte sich schämen und braucht sich nicht zu wundern über die Entscheidungen der Wähler.
Ich bin gerade wieder nach Hause gekommen, ich war wie so oft am Grab meiner Familie. Täglich bin ich mehrmals an unserem Grab. Mich zieht es richtig dort hin, ich pendele förmlich zwischen meinem Zuhause und unserem Familiengrab. Es gibt mir Halt und Kraft. Außerdem muss ich sehr viel Gießen, alles ist sehr trocken, richtig dürr. Es fehlt sehr viel Regen. Delitzsch hatte einen sehr schönen Friedhof, angelegt wie ein Park. Und er war sehr gepflegt. Herr Zenker, der damalige Friedhofsverwalter, er arbeitete, lebte und wohnte auf dem Friedhof, hatte alles fest im Griff. Es war ein friedlicher, verwunschener und sauberer Ort der Ruhe und Stille, ein gepflegter Gottesacker. Das ist über 30 lange Jahre her. Jetzt ist der Friedhof nur noch heruntergekommen. Schade darum. Heute wird Rasen gemäht, es stand so im Kalender, im Arbeitsplan. Und da wird auch gemäht, obwohl kaum Rasen nachgewachsen ist. Das letzte bisschen Rasen muss weg, die kahlen Dreckstellen kommen hervor. Alles kein Problem, die Stadt und ihre Stadtverordneten haben mitgedacht. Koste es was es wolle, Geld ist vorhanden. Erst im Frühjahr hat die Stadt für eine satte Preiserhöhung gesorgt. Es ist ja das letzte Mal, wo die Stadt dem toten Bürger so richtig in die Tasche greifen kann! Wenn Herr Zenker das Chaos sieht, dann dreht er sich so schnell in seinem Grab herum, dass ihn der Himmel als Ventilator nutzen kann. Es ist richtig traurig, aber wahr.
Immer öfter kommt die starke Sehnsucht nach meiner Mami, sie fehlt mir so sehr und ist jetzt in meinem Herzen. Ich weine sehr oft und viel, bekomme richtige Attacken. Ich kann es nicht verstehen, ich kann es nicht begreifen. Mein Kopf signalisiert mir immer wieder eine vorübergehende Abwesenheit, so wie es immer war. Ich weiß, dass das biologische Ende der Tod ist. Und genau damit habe ich ein Problem. Zu oft und zu viele Beerdigungen und Trauerfeiern von Familienangehörigen, Bekannten, Verwandten und Freunden habe ich erlebt, das hat mich verändert und geprägt. Ich kann es nicht begreifen und verstehen, bei mir kommt es einfach nicht an. Ich stehe am Grab und weine, es ist alles so surreal. Die vielen „W“ – Fragen kreisen in meinem Kopf. Wieso, Weshalb, Warum – ich finde keine Antwort. Die vielen Fragen bleiben unbeantwortet. Omis und Papis Tod waren und sind ein schwerer Schlag, ein großer und herber Verlust. Vor allem, was alles Geschehen war. Mamis Tod ist der größte und schwerste Verlust, mein Herz blutet, es tut so unendlich weh. Die Mutti war und ist es. Ich habe ein gebrochenes Herz. Es ist zu viel drumherum geschehen, was alles mit Mami und auch mit mir gemacht wurde, war anormal. Das Erlebte geht nicht zu verarbeiten, auch wenn die Seelenklempner auf Verdrängen plädieren. Kann man das verdrängen? Geht das überhaupt. Die Schmerzen sind zu derb und das Loch in dem ich sitze und noch tiefer gefallen bin ist zu tief, dunkel und kalt. Warum nur! Die Gedanken zermürben mich in meiner unendlichen Trauer. Ein großer Teil von mir ist gestorben, ich bin leer und von einer großen Dunkelheit umgeben. Das Leben geht weiter, ohne Frage, aber wie! Immer neue Schicksalsschläge kommen hinzu. Kann das noch normal sein? Halt finde ich im Glauben, das ist mir wichtig.
Immer wieder hörte ich den Spruch „Das ist ja ganz schön hart, Du kannst doch ein Buch schreiben“ oder „Schreiben Sie doch mal alles auf in einem Buch, das wird helfen“. Der Entschluss keimte in mir und ich befasste mich erst einmal damit. Nun ging ich den Schritt und schrieb mein erstes Buch, ich wollte einfach nur von meinem Leben erzählen und mir alles von der Seele schreiben. Schon bald erkannte ich, dass ich alles noch einmal durchleben muss und das tat furchtbar weh. Ich beschloss, nicht alles Durchlebte aufzuschreiben, es etwas abzumildern und auszublenden. Aufgeben kam nicht in Frage, dass wollte ich mir nicht antun. Und so veröffentlichte ich mein erstes Buch mit dem Titel „Warum hat mich das Glück vergessen“. Ich hänge sehr an diesem Buch und fasste den Entschluss, ich schreibe weiter. Es tut mir schrecklich weh, ich erlebe noch einmal alles eins zu eins – aber in meinen Gedanken bin ich bei meinen Eltern, meiner Omi und meiner Familie. Das ist schön. Das es mir gut tut und ich mir tatsächlich etwas von der Seele schreibe, kann ich nicht feststellen. Ich schaffe ein Denkmal,