"Die Stunde des Jaguars". Jens Petersen

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gut, du sollst haben, was du suchst.“

      Dann drehte der alte Indianer sich um und ging wortlos weiter. Dave nahm das als Aufforderung, ihm zu folgen.

      Nicht lange, und sie hatten das Ende des Dorfes erreicht. Der ungepflasterte Weg führte weiter gerade hinaus, um sich leicht ansteigend zu verlieren in den kahlen Bergen. Nach wenigen Minuten hielt Juan vor einem einsamen, unbeleuchteten Haus an der linken Seite des Weges, so ärmlich und unscheinbar wie alle anderen, an denen sie vorbeigegangen waren. Immer noch wortlos öffnete er die Tür und schob Dave hinein.

      Ein anderer älterer Indianer saß in dem kahlen Raum an einem Tisch.

      „Das ist Benigno“,

      sagte Juan und zu diesem gewandt:

      „Das hier ist Dave.“

      Benigno nickte nur ohne aufzusehen und widmete sich weiter seinem Teller mit Frijoles.

      Erst wesentlich später kam es Dave in den Sinn:

      (Woher konnte der eigentlich meinen Namen wissen?)

      Juan deutete nur zu einem leeren Stuhl am gleichen Tisch und ging nach nebenan. Zurück kam er mit zwei Tellern Frijoles. Einen schob er Dave hin sowie einen Löffel. Jeder aß wortlos. Als sie damit fertig waren, unterbrach Juan das Schweigen.

      „Es wird eine längere Fahrt.“

      Und:

      „Wir müssen dir die Augen verbinden.“

      Nachdem sie ein Tuch um seinen Kopf so fest verknotet hatten, dass er auch bei bestem Bemühen weder irgendwo durchschauen noch etwas verschieben konnte, ohne jedoch das Atmen zu beeinträchtigen, führten sie ihn hinter das Haus und auf den Rücksitz eines Autos.

      Die Fahrt währte die ganze Nacht und den längsten Teil des folgenden Tages. Nur einmal unterbrachen sie für ein paar Minuten, vermutlich um den Fahrenden abzulösen. Zu Dave sagten sie, wenn er austreten müsse, wäre das jetzt die Gelegenheit. Dave hatte keine blasse Ahnung, wohin es ging, noch nicht einmal in welche Richtung. Aber er war in seinem Glück. Wie so manch anderer seiner Generation, hatte er jahrelang die Kultbücher von Castaneda verschlungen. Wie man so sagt, sie waren seine Bibel geworden. Jetzt endlich glaubte er erreicht zu haben, wovon die Anderen nur träumten.

      Unvermutet flackerte ihm dazwischen auch der Gedanke auf:

      (Was ist, habe ich mich vielleicht am Ende in die Hände des Mörders von Gonzalves begeben? Weiß ich, was diese beiden Typen mit mir vorhaben? Ich wäre denen, wenn es drauf ankommt, doch hoffnungslos ausgeliefert. Quatsch! Solche Ängste sind nur dazu angetan mir den ganzen Trip zu versauen.

      Ich bin dran! Ich bin dran!

      Das große Abenteuer, von dem die Anderen alle nur träumen, dem rolle ich jetztentgegen. Ist doch wohl klar, dass ich diese einmalige Chance auch genießen will.)

      Die Wunschvorstellung von dem so lang ersehnten großen Abenteuer erwies sich als übermächtig. Er war jetzt dran, in den Fußstapfen Carlitos. Keine noch so lange Fahrt vermochte diese aufregende Erwartung zu dämpfen. Vor lauter Erregung hatte er kaum Schlaf gefunden, verbrachte die lange Fahrt in den schillerndsten Tagträumen, von keinerlei Wahrnehmung getrübt.

      Die Beiden auf den Vordersitzen wechselten kein einziges Wort. Auch das Radio, so es denn überhaupt eines gab, blieb stumm. Das Tuch um seinen Kopf war so dicht, dass er nicht einmal in der Lage war, den Stand der Sonne als Orientierungspunkt auszumachen. Das Einzige was er wahrnehmen konnte, am Nachmittag des folgenden Tages hatten sie scheinbar die Asphaltstraße verlassen. Jedenfalls rumpelte der Wagen die letzten Stunden stark.

      Am Ziel angekommen, halfen sie ihm aus dem Auto und nahmen das Tuch um die Augen ab. Jedoch zu sehen gab es da wenig, eine öde Berglandschaft von trockenen Büschen bewachsen. Einsam darin eine Hütte, die nur aus einem Raum bestand.

      Aus dem Kofferraum holten die Beiden einen Behälter mit den Zutaten einer einfachen Mahlzeit. Gebratene Hühnerteile, etwas Chilisoße, gemischten Salat und Tortillas legten sie auf den Tisch. Ein 5-Liter-Gefäß mit Wasser kam noch dazu. Nachdem sie, wiederum wortlos das Mitgebrachte verzehrt und alles abgeräumt hatten, brachte Juan ein Bündel herbei. Bedächtig schlug er das Tuch auf und platzierte den Inhalt auf den Tisch: Den Obsidianspiegel.

      Eindringlich klärte er Dave auf über Bedeutung und Funktion, prägte ihm ein, was er zu tun hätte. Vor allem aber, was er nicht zu tun hätte, nämlich sich umdrehen. Abschließend stellte er noch die Petroleumlampe auf den Tisch und eine Schachtel Streichhölzer. Die könne er anzünden, wenn das Tageslicht bald nachlassen würde und seine Beobachtung einschränkte. Auch das wäre einfach zu bewerkstelligen ohne sich umzudrehen. Dann ließen sie ihn allein. Er hörte den Wagen starten und davonfahren.

      Das war nun schon geraume Zeit her. Doch immer noch tat sich auf der Oberfläche des Obsidiansteins so gar nichts. Bewegungslos blieb sie, von unergründlicher Schwärze, einst in unzähligen Stunden und Tagen spiegelglatt poliert.

      Mittlerweile war es schon dunkel geworden. Dave hatte die Petroleumlampe entzündet und starrte immer noch auf diesen makellos glatten, schwarzen Stein vor sich. Den Blick konzentriert darauf halten sollte er und auf keinen Fall sich umdrehen. So war ihm eingeschärft worden. Nicht nur die gewünschte Wirkung würde dann ausbleiben. Unmöglich vorauszusagen, was dann geschehen könnte. Auf jeden Fall Bedrohliches würde man damit heraufbeschwören, Dinge, auf die man sich besser nicht einlassen sollte. Aus noch voraztekischen Zeiten stammte dieser magische Stein. Von den Tolteken, die für ihre Fähigkeiten so berühmt waren, dass bis zum heutigen Tage herausragende Handwerker oder Künstler Toltecatli genannt wurden. Mehr noch aber, als auf diese Fähigkeiten der Fertigung, verstanden sie sich auf die Anwendung magischer Praktiken. Dieses vulkanische Glasgestein war dabei eines ihrer bevorzugten Materialien. Generationen solcher der Magie kundigen Tolteken hatten an diesem Spiegel gearbeitet.

      Was immer es auch damit auf sich haben sollte, besser er hielt sich daran, dachte Dave. Zu sehen gab es ohnehin nichts in dieser einfachen Hütte. Leere Adobewände und den Tisch vor ihm, auf dem dieser Obsidianspiegel lag. Auf dessen Oberfläche sollten die Erscheinungen auftreten. Sie würden Dave in jene magische Welt führen, nach der er so fieberte. Irgendwann würde es passieren, wenn er nur konsequent seinen Blick darauf hielte. Bislang tat sich immer noch nichts. Aber wie Dave gesagt wurde, war es für ihn das Tor in jene andere Welt.

      (Wenn sich diese Schemen vielleicht noch zu blass, zu zart abzeichneten, um bei dem dürftigen Licht der Petroleumlampe erkannt zu werden?)

      Dave bewegte die Lampe und verschärfte den Blick, ohne erkennbare Resultate. (Diese Generationen von Brujos werden genau gewusst haben, was sie da anfertigten. Möglich auch, dass es bei einem Newcomer wie mir länger dauert. Auf jeden Fall geduldig dran bleiben, nicht nachlassen mit der Konzentration. Dann wird sich dieses Tor auch für mich öffnen.)

      Ach ja, dann war da noch auf dem gleichen Tisch, etwas weiter entfernt zu seiner Rechten, dieses kleine Keramikgefäß mit der glühenden Holzkohle darin. Der herbe Geruch, den das langsam verbrennende Kraut darauf ausströmte, sollte ihm Moskitos vom Leibe halten. Wenn es völlig ausgebrannt wäre, könnte er das Kraut ersetzen aus dem Schälchen daneben. Auf keinen Fall aber, so wurde ihm eingeschärft, sollte er Blätter aus dem Korb dahinter auf die Glut legen. Deren beim Verbrennen entstehender Rauch verursachte ganz spezielle Wirkungen. Magische Wirkungen für die Dave noch nicht reif wäre.

      Gar zu gern hätte er gewusst, was das denn für Wirkungen sein sollten. Je

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