"Die Stunde des Jaguars". Jens Petersen

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ihn nach wie vor an. Nur schien der sich inzwischen umgezogen zu haben. Denn er trug jetzt ein langes schwarzes Gewand, ähnlich einem Talar. Das auffallende Federgebilde auf seinem Kopf musste er abgelegt haben. Auch die Anderen, soviel konnte Dave in dem wechselhaft beleuchteten, düsteren Ambiente feststellen, hatten ihre Jaguar- und Adlerkostüme abgelegt. Einige trugen dunkelbraune Kutten, die mit einem einfachen Strick um die Taille gerafft wurden. Die Restlichen hatten nur eine grobe Hose an übersäht mit dunklen Flecken. Darüber war der schwitzende, freie Oberkörper.

      Ebenfalls die Umgebung, fiel ihm jetzt auf, hatte sich verändert. Weder die Sonnenpyramide rechts gegenüber war auszumachen, noch eine Mondpyramide, auf deren Spitze mit dem gewölbten Stein er gelegen hatte. Jetzt fühlte er eine gerade, hölzerne Platte unter seinem Rücken, wahrscheinlich eine Art Tisch oder Kasten. Auch die Kälte des harten Steins war gewichen. Dennoch war ihm übel und er zitterte am ganzen Körper. Als wüsste dieser mehr über das, was bevorstand.

      (Ich muss lange bewusstlos gewesen sein, denn ich hab‘ gar nicht gemerkt, dass man mich irgendwohin getragen hat.)

      Er lag hier nicht mehr unter freiem Himmel, keine Wolken waren mehr über ihm, zwischen denen gelegentlich ein fahler Mond hervorragte. Soweit das flackernde Licht der Fackeln es erlaubte, vermochte er die Wände eher erahnen als genau sehen. Bizarre Gegenstände konnte er darauf ausmachen, vermutlich eine Art ihm unbekannter Werkzeuge. Über sich gewahrte er eine gewölbte Decke. Die Schwärzungen darauf stammten wahrscheinlich vom Ruß der Fackeln. Alles was von denen beleuchtet wurde erschien grellrot und flackernd, der Rest verschwand im Dunkel. Nur dieser unangenehme, penetrante Geruch war noch immer da und bedrängte die Nase.

      Auch wenn der Schock des ersten Augenblicks sich etwas gelöst hatte, das Grauen war unvermindert geblieben. Völlige Ungewissheit, wo er hier war, und was das alles zu bedeuten hätte, ließen ihn allein in hilflosem Entsetzen. Sein ziellos umherirrendes Bewusstsein suchte verzweifelt nach irgendeinem Haltepunkt.

      „Du gibst also zu, diesem Teufelskult gedient zu haben?“

      Fuhr ihn die schneidende Stimme des Oberpriesters an. Er trat erneut heran, und sein ausgemergeltes Gesicht beugte sich mit seinen unangenehmen Ausdünstungen aufdringlich über Dave. Auch die Anderen näherten sich in gespannter Erwartung des Kommenden.

      „Ist es nicht so?“

      Dave verstand überhaupt nichts mehr.

      „Gestehe!“

      Insistierte wieder der Oberpriester, so als könnten seine Worte sich in Dave hineinbohren.

      „Wir werden ohnehin die Wahrheit aus dir herausholen.“

      Erneut hatte Dave diese kurze Einblendung, in der er auf dem Boden der Hütte lag.

      Über sich das steinerne, antike Gesicht mit den Zügen Juans. Viel zu kurz, wie ein Aufflackern der Fackeln erschien es.

      Umgehend wurde diese Vision wieder verdrängt durch das vorherige, eindringlich fordernde Gesicht über ihm und die abschätzigen Mienen der Gaffer ringsherum.

      Nur langsam dämmerte es Dave, was der überhaupt meinte.

      „Nein, aber nein, ich sollte vielmehr geopfert werden!“

      „Du gibst also zu, an diesem vermaledeiten, heidnischen Treiben beteiligt gewesen zu sein?“

      „Nein! Ich war das Opfer. Ich sagte doch, man wollte mich opfern! Man hat mich gezwungen dazu!“

      Wenigstens erhob sich jetzt das aus dem schwarzen Talar herausgestülpte Gesicht, und mit ihm entfernten sich die unangenehmen Ausdünstungen. Aber dann verkündete es salbungsvoll:

      „Mit diesem Geständnis ist unserer heiligen Pflicht Genüge getan.“

      (Von was für einem Geständnis redet der da?)

      Zu Dave gewandt:

      „Du hast noch die Gelegenheit während der Stunden der Nacht in dich zu gehen und deine Sünden zu bereuen. Reinigen jedoch, kann dich nur das Feuer des Scheiterhaufens am folgenden Morgen. Nutze also diese Zeit mit Gebeten und Übungen der Buße.

      Er nickte den Männern zu, deren Schweiß im Lichte der Fackeln auf den nackten Oberkörpern speckig glänzte. Mit resoluten Griffen packten sie Dave, zerrten ihn von dannen und warfen ihn angewidert wie von einem Stück Unrat in die vergitterte Zelle. Das Letzte, was er noch hörte, bevor ihm wieder die Sinne schwanden, waren die Worte des Inquisitors:

      „Wir werden für deine Seele beten.“

      Als er wieder zu sich kam, lag er erneut auf dem gleichen Tisch, scheinbar in der gleichen Umgebung. Aber nein, die Decke war jetzt nicht mehr gewölbt und zeigte keinerlei Rußspuren. Sie war glatt, hell und weiß. Überhaupt war jetzt alles heller beleuchtet, und Fackeln waren nirgends auszumachen. Vor sich bemerkte er das schon allzu bekannte, ausgezehrte Gesicht des Oberpriesters. Statt des schwarzen Talars trug der nun eine Uniform.

      „Jetzt kommt er endlich wieder zu sich“,

      verkündete der den Umstehenden, die auch alle Uniformen anhatten, nur mit weniger Goldquasten und Orden versehen als die des Oberpriesters.

      „Es sah schon so aus, als hättet ihr ihn ein wenig zu hart rangenommen. Fehlte nicht

      viel und er wäre uns entglitten.“

      Wieder trat er näher heran, beugte sich über Dave, der keine Möglichkeit hatte diesem unangenehmen Mundgeruch zu entkommen.

      (Hat dieser Alptraum überhaupt noch ein Erwachen? Mir geht die Kraft aus, mich zu wehren. Wenn doch irgendwo ein Ausweg zu erkennen wäre.)

      „Hast du mich nicht gehört?“

      Dann mit verstärkter Stimme:

      „Also, jetzt raus mit der Sprache. Wer war noch dabei, bei eurem Komplott?“

      Als könnte sein System es nicht mehr ertragen, war in Dave das Grauen einer matten Resignation gewichen.

      (Nur noch in Ruhe gelassen werden will ich. Alles andere ist mir egal.)

      Endlich brachte er doch kaum vernehmbar eine müde gehauchte Antwort hervor.

      „Welches Komplott?“

      „Stell dich nicht dumm! Du hast ja gesehen, wie wir deinem Gedächtnis nachhelfen können. Also was ist? Dass ihr eine Versammlung klerikal konservativer Ultras wart, wissen wir bereits. Und auch, dass ihr in diesem Kellergewölbe ein vaterlandsverräterisches Komplott geschmiedet habt mit dem Ziel, unseren geliebten Präsidenten und Generalissimo zu stürzen.“

      Nach einer Weile, in der er offenbar vergeblich auf eine Antwort gewartet hatte, setzte er noch hinzu:

      „Deine Chance ist es jetzt, uns zu informieren, wer daran alles beteiligt war.“

      Vollends verwirrt musterte Dave seine Umgebung. Heller beleuchtet wurde zwar die ganze Szenerie, anstatt mit Fackeln jetzt durch elektrische Lampen mit einem Gitterüberzug an der Decke. Irgendwer hatte Kolonnen von parallelen Strichen in die Farbe der Wand gekratzt, wie eine Zahlenreihe. Etwas in ihm hatte es aufgegeben, auf diesen Wahnsinn noch zu reagieren. Er hatte sich innerlich einfach ausgeklinkt. Was sollte er auch sagen? Es war ohnehin

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