"Die Stunde des Jaguars". Jens Petersen

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überhaupt, wie will wer denn so schnell über den Daumen gepeilt beurteilen können, wofür ich reif wäre und wofür nicht?)

      Der Duft, den die kokelnden Blätter aus dem verbotenen Korb verbreiteten, war noch herber, um nicht zu sagen ziemlich beißend. Obendrein entwickelten sie einen Rauch, der das ganze Umfeld leicht einnebelte. Nicht nur das sichtbare Umfeld, auch Daves Kopf fühlte sich etwas eingenebelt. Ihm war als blickte er auf verwackelte Fotos. Das dämpfte aber keineswegs seine Neugierde. Die wurde zunehmend aufdringlicher, geradezu penetrant. Was denn passieren würde, wenn er zur Seite den Blick abwand oder sich umdrehte?

      (Was sollte denn schon passieren? Es sieht doch niemand. Ich bin hier auf weiter Flur allein.)

      Die Beiden hatte er längst davonfahren gehört. Sonst war da, wer weiß wie weit, kein Mensch, auch keinerlei Geräusch zu hören.

      (Als wenn das irgendwas beweisen könnte. Wie denn? Bin ich denn bekloppt? Wollen die vielleicht nur testen, wie einfältig ich bin? Wie lang es dauert, bis bei mir der Groschen fällt? Und jetzt kommt es mir erst: Was hatten die denn noch geredet, nach dem sie hinausgegangen waren? Wo sie sich doch sonst immer so wortkarg gaben. Natürlich in irgendeiner Indianersprache, die ich nicht verstehe. Aber gelacht hatten sie daraufhin. Na, worüber wohl? Ich sitze hier Stunde um Stunde, gaffe dieses angeblich magische Objekt an und trau mich nicht ´mal, einfach aufzustehen und mich umzusehen.)

      Gesagt, getan. Er erhob sich und wendete den Blick auf die Eingangstür.

      Was er nicht wusste: Die Gefahr kam aus einer anderen Realität und besaß die Fähigkeit in verschiedenen Versionen zu erscheinen.

      Durchdringendes Rasseln abertausender Grillen ließ den ganzen Urwald vibrieren wie eine schrille Alarmsirene. Unberührt davon verharrte ahnungslos das ausgespähte Opfer immer noch wohlig grasend auf der Lichtung. In seiner Arglosigkeit näherte es sich sogar langsam, Schritt für Schritt immer mehr dem drohenden Unheil, dem es schon längst im Blick war. Eine leichte Brise trug dessen Geruch jedoch hinfort in die andere Richtung.

      Ein unschuldiges Tier war es, was er da lauernd im Visier hatte, von jugendlichem Wuchs und unerfahrenen Bewegungen. Es war nicht so, dass er kein Auge für so etwas und kein Wohlgefallen daran hatte. Nur war das Gesetz des Waldes unumstößlich. Und das besagte, die letzte Stunde dieses Geschöpfes war gekommen. So gesehen war er nicht mehr als ein zwangsläufiger Vollstrecker dieses Gesetzes, der sich jetzt lautlos noch ein wenig näher heran schlich bis auf Sprungnähe. Als er sich gerade tiefer duckte und seine Muskeln anspannte, zum Unausweichlichen, geschah etwas Außergewöhnliches, bisher noch nie Gekanntes. Das bedrohliche Rasseln der Grillen erstarb schlagartig. Kein Vogel war mehr zu hören. Betäubende, leblose Stille war nur mehr. Alle Wesen des Waldes spürten, da war etwas Neues, völlig fremdes. Ob es gut oder unheilbringend war, wusste keines von ihnen, nur so viel, dass es jenseits der Gesetze des Waldes lag. Das soeben noch todgeweihte Opfer entwich in dichtes Unterholz.

      Seit seinem dritten Lebensjahr, als er voll erwachsen wurde, gab es für ihn nie mehr einen Anlass zur Furcht. Dennoch packte ihn jetzt ein unbehaglich irritierendes Gefühl. Umsichtig in alle Richtungen witternd schlich er sich in das tiefste Dickicht, wo verborgen die alte Stadt lag. Unbekannt war sie immer noch außerhalb des Waldes geblieben. Nahe den Überresten eines größeren Bauwerks bot ein Spalt zwischen den riesigen Steinen den Eingang zu einer dunklen Höhle. Eine Stätte, an die er sich gut erinnerte, wurde er doch hier zusammen mit seinen beiden Brüdern geboren. In diesem Versteck wurde er aufgezogen, und es blieb für ihn zeitlebens der sicherste Rückzugsort. Diese Stadt war so lange schon verlassen, dass nichts mehr an ihre einstigen Bewohner erinnerte. Selbst der sonst so beharrlich anhaftende Geruch war längst verflogen.

      Für seine Mutter war es daher nichts anderes gewesen als irgendein Felsengebilde welches den erwünschten Schutz bot. Für ihn blieb es zeitlebens der Ort von Sicherheit und Geborgenheit. An der Wand gegenüber schaute ihn sein Abbild an, viele Generationen vor seiner Zeit als Relief in den Stein gemeißelt, den Gott der Unterwelt darstellend.

      Dave schüttelte sich, als wollte er sich erstaunt von etwas befreien.

      (Ein wenig benebelt fühl ich mich zwar. Aber wer weiß, sollte das vielleicht schon eine Offenbarung des Obsidiansteins sein?)

      Während er noch verstört darüber grübelte, den Blick auf die Eingangstür gewandt, erfasste ihn ein kalter Lufthauch. Krachend flog die Tür auf, und aus dem geöffneten Rechteck pechschwarzer Nacht heraus stürmte ein halbes Dutzend Männer herein. (Wo kommen die denn auf einmal her?)

      Wunderte er sich nur. Bevor er noch irgendetwas sagen konnte, hatten sie ihn schon mit geübten Griffen so fest eingeschnürt, dass er weder Arme noch Beine bewegen konnte. Jaguarfelle hatten die über die muskulösen, braunen Oberkörper gezogen. Soviel hatte er gerade noch sehen können, und dass ihre Köpfe ganz in Nachbildungen dieser Raubtierschädel verschwanden, bevor man ihm schon wieder die Augen verband. Wie er in der kurzen Zeit zu erkennen glaubte, waren weder Juan noch Benigno unter ihnen. Dann wurde er hochgehoben und nahm einzig diesen strengen Geruch wahr, der ihn an irgendetwas erinnerte. Wenn er nur wüsste an was?

      (Aber klar ist das die Öffnung des Obsidiansteins. Was denn wohl sonst? So unwirklich wie dies ist, kann es nur der erste Schritt in eine jenseitige Welt sein. Mann, denn hab ich es ja doch geschafft! Jetzt geht es echt los.)

      Jaguarmänner, dämmerte es ihm nun auch, das war doch eine geläufige Kriegerkaste bei den Azteken. Bisher kannte er sie nur von Abbildungen. Aber diese Kostümierung erschien ihm ziemlich perfekt.

      (Auch merkt man ihnen die Schauspieler gar nicht an. Allein diese zügellose Wildheit geben sie ziemlich gelungen wieder. Nur, wer hat die hierher geschickt? Und was wollen die? Oder ist das alles nur Fiktion? Durch den magischen Stein verursachte Imagination? Ich kann das gar nicht mehr auseinander halten. Wozu soll das auch wichtig sein? Wirklichkeit oder Imagination, ist da irgendwer, der das mit Gewissheit unterscheiden kann? Jedenfalls spannend ist es schon – und endlich Action!)

      Etwa eine halbe Stunde mochten sie ihn getragen haben, unentwegt im Laufschritt. Es war schwer, die Zeit abzuschätzen. Dann gewahrte Dave, wie es für eine kurze Weile steil bergauf ging. Als sie ihn schließlich ablegten, spürte er kalten, harten Stein unter seinem Rücken. Der musste stark abgerundet sein, denn er merkte, wie er sich darauf mit der Brust nach oben bog.

      Das erste, was er sah, als sie ihm die Augenbinde abnahmen, war ein nächtlicher Himmel über ihm, von wandernden Wolkenfetzen durchzogen. Nur hin und wieder schaute ein fahler Mond hervor, der die ganze Szenerie spärlich beleuchtete. Arme und Beine waren noch immer nicht zu bewegen. Nur waren es jetzt menschliche Hände, die sie umklammerten. Mehrere Gesichter sah er da um sich herum, alle seltsam bleich. Aber das mochte an dem Mondlicht liegen. Ihn fröstelte.

      Wenigstens den Kopf konnte er heben. Wenn er ihn etwas nach vorn neigte, erblickte er zu seiner Rechten, schräg gegenüber eine mächtige, dunkle Silhouette.

      (Sieht aus wie eine Pyramide.)

      Als der Mond aus einem Spalt der Wolken wieder hervortrat, konnte er deutlicher die vier Abstufungen bis zur abgeflachten Spitze erkennen. Kalkig weiß, wie Knochen wirkte in diesem Licht der Stein. Die Treppen und die Figuren daneben waren nur undeutlich zu erahnen. Die sanften Schrägungen ließen das ganze Bauwerk noch entrückter erscheinen.

      (Moment, das ist doch die Sonnenpyramide von Teotihuacan. Aber natürlich, kein Zweifel! Es gibt kein Bauwerk, welches ihr ähnelt. Also, muss ich folglich hier auf der Mondpyramide liegen.)

      Dave hatte genügend Bücher gewälzt und Fotos betrachtet, was die Überreste vorkolumbianischer Kulturen betraf, um sich da ganz sicher zu sein.

      (Teotihuacan,

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