Im Eckfenster. Gerstäcker Friedrich

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Im Eckfenster - Gerstäcker Friedrich

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und können nicht wissen, welche Leiden der Dirigent einer Bühne, eines Kunsttempels durchzumachen hat, wie schwer es ist, in jetziger Zeit wirklich tüchtige und, was in der Neuzeit fast ebensoviel sagen will, jugendliche Kräfte zu gewinnen und zu halten. Die Hoftheater schnappen uns mit ihren enormen Gagen außerdem alles wirklich Gute fort, was nicht niet- und nagelfest ist, und selbst Kontrakte schützen dagegen nicht immer, denn die Herrschaften brennen zuweilen selbst mit diesen durch.“

       „Was wollen Sie also machen“, sagte hier Hans, der sich über den exzentrischen Menschen zu ärgern anfing, „wenn Ihnen Fräulein Blendheim einfach durchgeht?“

       „Dafür bürgt mir ihr Bräutigam“, sagte der Direktor pathetisch.

       „Oder heiser wird“, fiel Solberg ein, „ein ganzes Jahr lang als krank auf dem Zettel steht, nur regelmäßig ihre Gage bezieht und keinen Ton dafür singt?“

       Dem Direktor wurde das Gespräch, da es diese Wendung nahm, wie es schien, nicht angenehm. Er trat nicht weit von da, wo er stand, auf einen kleinen Knopf, den Hans, als er den Fuß wieder davon nahm, am Boden bemerkte, und es kam ihm fast vor, als ob er im unteren Geschoss eine feine Glocke hätte anschlagen hören, dann streckte er die Hand, in der er noch immer die Rolle hielt, pathetisch aus und sagte mit hohlere, theatralischer Stimme in der Rolle des Tasso weiter:

      „Hältst du mich für so schwach, für so ein Kind,

      Dass solch ein Fall mich gleich zerrütten könne?“

       „Übrigens“, setzte er dann mit seiner natürlichen Stimme und in seine gewöhnliche Weise fallend, d.h. grob werdend, hinzu. „Haben wir hier im Ort auch noch Polizei und einen Theaterarzt und Strafen und Abzug, um Theaterdamen, die absolut schikanieren wollen, ihren Standpunkt klar zu machen. Ha!“ fuhr er dann wieder, in Pathos fallend, fort:

      „Ich will den Schein, ich will nicht reden hören,

      Ich will den Schein, und darum sprich nicht mehr.

      Ich will kein sanfter Narr – kein Schwärmer sein,

      Der’s Haupt verdreht und jammert, und sich doch

      Ergibt den christlichen Vermittlern. Fort, sag‘ ich,

      Ich will kein Reden – meinen Schein will ich!“

       Er hatte bei den letzten Worten eine wahrhaft imponierende Stellung eingenommen; ehe ihm aber einer der beiden jungen Leute auch nur ein Wort erwidern konnte, löste sich plötzlich der Boden in einem regelrechten Viereck um ihn her und sank ein.

       Solberg erschrak im ersten Moment und wollte zuspringen, aber mit großer Geschwindigkeit ging die ganze Gestalt in dem roten Schlafrock in die Tiefe nieder, nur der Kopf mit dem Papilloten und dem Lorbeerkranz war noch einen Moment sichtbar, dann verschwand auch er, und in denselben Moment auch schlug eine Klappe vor und füllte den eben geöffneten Raum wieder vollständig aus.

       „Bei Gott!“ rief Hans. „Durch eine richtige Versenkung abgegangen. Hahaha, Dürrbeck, das ist zu göttlich! Der Kerl ist himmlisch!“

       „Er ist verrückt“, sagte der Hauptmann, in diesem Augenblick gar nicht in der Stimmung, das Komische der Situation zu fassen. „Rein verrückt, und mit einem solchen Menschen ist natürlich nichts anzufangen. Was jetzt? Ich fürchte, du hast ihn durch deine Drohung nur noch mehr gereizt.“

       „Der Knauser hielte doch an dem Kontrakt“, sagte Hans kopfschüttelnd. „Den Burschen hat er gleich von Anfang an hinuntergeschickt, um im entscheidenden Moment die Maschinerie arbeiten zu lassen. Aber die Idee ist wirklich prachtvoll, geht durch eine Versenkung ab wie Hamlets Geist.“

       „Komm“, sagte Dürrbeck. „Mir wird’s unheimlich in diesen Räumen, das ist keine Kunst mehr, das ist Komödiantenspiel, und je eher ich Constanze diesem Treiben entziehen kann, desto besser – komm!“ Und den Arm des Freundes ergreifend, verließ er mit ihm das Haus.

      Sechstes Kapitel

      Constanze.

       Am Brink, der Hofapotheke direkt gegenüber, wohnte in der zweiten Etage der Kalkulator Obrichter mit seiner Familie, der Frau Kalkulatorin und drei noch nicht erwachsenen Töchtern von sechs bis zwölf Jahren, wie einem jungen Kalkulator, dem aber hinten die Höschen zugeknöpft wurden, da er erst vier Jahre zählte.

       Der Kalkulator bezog natürlich ein sehr kümmerliches Gehalt, hatte aber nichtsdestoweniger eine sehr hübsche und geräumige Etage gemietet, um einen Teil derselben wieder an Untermieter abzugeben und daraus einen kleinen Nutzen zu ziehen. Er riskierte allerdings dabei, dass ihm die einmal ausblieben; bis jetzt war es ihm aber immer noch geglückt, und in diesem Jahre sogar doppelt, da er die erste Sängerin am Stadttheater als Einzug bekam.

       Die junge Dame stand allein in der Welt, und da sie in eine Familie einzuziehen wünschte, und dort auch zugleich ihre Mahlzeiten zu haben, und eine ganz anständige Pension dafür zahlte, eröffnete sich der Familie dadurch eine neue, bis jetzt noch nicht gekannte Erwerbsquelle. Aber beide Teile befanden sich darunter wohl, denn die Frau selbst war wirklich das Muster einer Wirtin, bis aufs Peinlichste sauber, sorgsam dabei und immer mit einer gutmütigen Freundlichkeit, während Constanze Blendheim dagegen, mit sehr bescheidenen Ansprüchen, jede kleine Aufmerksamkeit dankbar erkannte und sich bald recht wohl in einem ihr doch sonst wohl fern liegenden Kreise fand.

       Sie bewohnte zwei sehr hübsche Zimmer – das Eckzimmer mit dem daranstoßenden Gemach – und ihre Wirtin hatte sich dadurch allerdings sehr einschränken müssen, bekam aber auch von ihr fast die ganze Miete für die Etage gezahlt, Kostgeld exklusive, und ließ sich da gern eine kleine Unbequemlichkeit gefallen – was der Kalkulator selber nicht gerade von sich sagen konnte.

       Er war von Herzen eigentlich ein ganz guter Mensch, den ganzen Tag aber, ja, das ganze Jahr draußen von seinen Vorgesetzten hin- und hergestoßen und über die Achseln angesehen und trotzdem gezwungen, nur stets devot mit ihnen zu verkehren. Dafür tat er sich in seinen eigenen vier Wänden etwas Gutes, schüttelte die devoten Bücklinge ab, hielt den Rücken steif und spielte den Haustyrannen en miniature – etwas, was wir im Leben leider nur zu häufig finden. Er zeigte das aber nicht etwa durch ein raues Betragen gegen seine Frau – das kleine, gemütliche Weibchen würde ihm auch nie Gelegenheit dazu geboten haben – nein, er betrachtete sich nur einfach als die gesetzgebende Gewalt im hause, um die sich eben alles drehen musste, als den Ernährer der Familie, der die einzige Arbeit dafür tat, wie er meinte. In der Tat arbeitete seine Frau aber in einer Stunde mehr, als er den ganzen Tag in seinem Büro, wo sich die verschiedenen Beamten oft selbst im Wege saßen und mit Gähnen den Schluss der Geschäftsstunden abwarteten, der sie aus ihrer ‚Marterkammer‘, wie sie scherzhafterweise das Büro nannten, erlöste.

       Mit der täglichen Kost war es bis dahin sehr knapp gegangen, denn seine paar hundert Taler Gehalt wollten eingeteilt werden, wenn sie überhaupt ausreichen sollten, und Fleisch zum Beispiel kam früher nur Sonntags auf den Tisch. Jetzt dagegen hatte sich das geändert, denn ihre Untermieterin, die auch reichlich dafür bezahlte, verlangte, wenn auch einfache, doch nahrhafte Kost, besonders abends, wenn sie aus dem Theater kam, etwas Warmes in Fleischspeisen, und wem das daneben zugute kam, war allein der Kalkulator. Er hatte seit dieser Zeit jeden Mittag sein Stück Fleisch, denn die junge Sängerin aß entsetzlich wenig, und außerdem kargte er auch noch seiner Frau, auf den Zuschuss fußend, einen kleinen Teil des bis jetzt gezahlten Wirtschaftsgeldes ab, was er, wie er sagte, notwendig brauchte, um seinen durch die Büroluft angegriffenen Körper mit einem Glase Lagerbier zu stärken.

      

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