Im Eckfenster. Gerstäcker Friedrich

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Im Eckfenster - Gerstäcker Friedrich

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er eine ziemlich abgegriffene, sogenannte Rolle, das Manuskript, das seinen Text enthielt, aber das Merkwürdigste an ihm war unbestreitbar sein Kopf.

       Jeden Abend wickelte er sich nämlich sehr sorgfältig die Haare in eine Anzahl von Papilloten, mit denen er herumging, bis Nachmittags vor dem Theater der Theaterfriseur kam und in ‚adonisierte‘, wie er es nannte. In seinem Studium konnte er natürlich darauf keine Rücksicht nehmen, er war auch schon so daran gewöhnt, dass er es selber kaum mehr wusste, und nur heute gewannen diese Papilloten einen eigentümlichen Charakter, da er, ganz in den Geist seiner Rolle des Tasso vertieft, sich den Lorbeerkranz, den ihm eigentlich die Prinzessin Leonore von Este hätte aufsetzen sollen, selbst nicht in die Locken, sondern auf die Papilloten gedrückt hatte.

       So, mit etwas rotem, aufgedunsenen Gesicht und einem geringen Ansatz zu einer Stülpnase, stand er da, die Rolle in der Hand, den Lorbeerkranz auf dem Kopf, und erwartete seinen Besuch.

       Der Anblick war auch wirklich so absonderlicher Art, dass selbst der sonst nicht so leicht aus der Fassung zu bringende Hans Solberg einen Moment nach Worten zu einer Einführung suchte. Direktor Sußmeyer dagegen, die Rolle gesenkt, den rechten Fuß vorgesetzt, dass der rote Pantoffel und der untere Teil seiner Unterbeinkleider deutlich sichtbar wurde, den Oberkörper noch im Geiste des überschwänglichen Tasso zurückgebogen, sagte:

       „Mit was kann ich Ihnen dienen, meine Herren? – Pichler!“ wandte er sich dabei mit einer Bewegung der Hand, in der er die Rolle hielt, gegen den Theaterdiener.

      „Ab!“

       Pichler verschwand spurlos durch die Tür, und Dürrbeck, der doch wohl fühlte, dass er hier das Wort ergreifen musste, auch den etwas exzentrischen Charakter des Herrn schon von früher kannte, um nicht mehr davon verblüfft zu werden, sagte freundlich: „Herr Direktor, wir müssen Sie vorher dringend um Entschuldigung bitten, dass wir Sie hier in Ihrer, ich könnte sagen, geistigen Fechtschule stören, aber ich selbst komme mit einem Anliegen zu Ihnen, bei dem mich nur mein Freund hier, Baron von Solberg, begleitet hat.“ Der Direktor neigte leise den Lorbeerkranz gegen den Vorgestellten, ohne jedoch seine Haltung im Geringsten zu verändern.

       „Ich weiß nicht, ob ich selber Ihnen bekannt bin?“ fuhr Dürrbeck fort.

       „Wer kennt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen“, zitierte der Direktor.

       „Hauptmann von Dürrbeck“, stellte sich der Offizier vor. „Sie haben gewiss von mir gehört?“

       Um des Direktors lorbeergekrönte Stirn zogen sich düstere Wolken, leise neigte er sein Haupt und sagte: „Sie sind der Bräutigam von Constanze Blendheim.“

       „Allerdings, Herr Direktor“, erwiderte Dürrbeck, jetzt einmal im Zug. „Und der Zweck meines Besuches ist eben, Sie dringend zu bitten, jene Klausel, die das besagte Fräulein in ihren Kontrakt aufgenommen hat, diesmal mit freundlicher Nachsicht zu behandeln. Familienverhältnisse machen es dringend wünschenswert, dass Fräulein Blendheim bald die Meine wird.“

       „Und was hindert Sie,“ sagte der Direktor huldvoll, „das schon in dieser Woche ins Werk zu setzen? Ich würde Ihrem Glück wahrlich nichts in den Weg legen wollen, denn ich weiß, dass Sie eine Perle an ihr gewinnen.“

       „Sie sind sehr freundlich, Herr Direktor“, sagte Dürrbeck doch etwas verlegen, denn er wusste nicht, wie er diesen Ausgleich umgehen sollte. „Es ist nur das einzige Unangenehme bei der Sache, dass – dass meine Familie nicht wünscht – Sie wissen, ich bin Offizier, es würde, allen unseren gesellschaftlichen Rücksichten nach, nicht gut ausführbar sein, dass meine Frau noch öffentlich aufträte."

       „D a s ist des Pudels Kern!“ sagte der Direktor, die Augenbrauen mit einem eigenen Muskelspiel so hoch hinaufziehend, dass sie ihm fast unter die Papilloten gerieten. „Krasse Vorurteile der sogenannten haute volèe gegen die Kunst und die Künstler. Öffentlich auftreten nennen Sie das Sanktuarium der Bühne, der Bretter, die die Welt bedeuten, der einzigen Kulturschule unserer in Verderbnis begriffenen Zeit. Öffentlich auftreten, als ob es etwas nutzen würde, wenn sie ihre gottvolle Stimme im stillen Kämmerlein, von niemand gehört, ertönen ließe!“

       „Aber, bester Herr Direktor....“

       „Oh, ich weiß schon!“ fuhr aber dieser mit erhöhtem Pathos und die Rolle hebend fort. „Man hält eine der begabtesten Jüngerinnen Polyhymnias nicht für würdig, in den Kreis einer hochadligen Familie zu treten und dabei noch dem Beruf zu folgen, zu dem sie eine Gottheit selbst begeisterte, man nennt das öffentlich auftreten, und einem solchen Vorurteil verlangen Sie, dass ich meinen Kontrakt opfern soll?“

       „Aber wenn es selbst Fräulein Blendheims innigster Wunsch wäre?“

       „Es ist nicht denkbar“, sagte der Direktor, und die Augenbrauen kamen wieder herunter und zogen sich so fest zusammen, dass sie nur einen einzigen dunklen Strich über seine Nase bildeten. „Es wäre unnatürlich, und was gegen die Natur ist, lässt sich nicht denken.“

       „Aber wenn Sie sie selbst fragen wollten?“

       „Und alle die Opfer, die ich gebracht habe“, sagte der Direktor tragisch, „ja, die Verpflichtung, die ich selber gegen das Publikum eingegangen bin? Es wäre Selbstmord. Kain, wo ist dein Bruder Abel? Würde mich der Herr fragen, wenn ich ein solches Licht mit eigener Hand unter den Scheffel stellte; entschuldigen Sie den Vergleich, aber die heilige Schrift führt ihn selber an.“

       „Und ließe sich da kein Ausweg treffen, kein Vergleich schließen?“ sagte von Dürrbeck. „Sie zitieren mir eben die Bibel, lieber Herr, aber einer echt christlichen Gesinnung wäre es doch angemessen, dem Glück eines jungen Mädchens nicht im Wege zu stehen.“

       „Glück“, sagte der Direktor achselzuckend, „was ist Glück? Glück ist eine solche Stimme, wie sie Fräulein Blendheim hat, denn in ihrer Kehle trägt sie ein Kapital, und wenn sie das in den Kasten legt und nicht mehr verzinst, so hat sie das Glück von sich gestoßen.“

       „Aber, verehrter Herr“, sagte von Dürrbeck, dem das Gespräch unangenehm wurde, denn er kam dadurch zu keinem Ziel. „Wir sind ganz von dem Punkt, über den ich eigentlich mit Ihnen sprechen wollte, abgekommen. Ich meine den Kontrakt des Fräuleins. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie sehr ich die Verbindung mit der jungen Dame wünsche, und dass es uns beiden furchtbar sein würde, unsere Vereinigung noch auf Jahre hinausgeschoben zu sehen.“

       Der Direktor zuckte hoch hinauf mit den Achseln, und der Lorbeerkranz nahm sich dazu etwas sonderbar aus.

       „Meine Frage“, fuhr Dürrbeck bestimmt fort, „richtet sich deshalb auch nur direkt an Sie, verehrter Herr, ob Sie nicht doch vielleicht darauf eingehen würden, Fräulein Blendheim wenigstens im Laufe des nächsten Monats, wo doch die stille Zeit für das Theater beginnt, ihres Kontrakts und dessen Verpflichtungen zu entbinden.“

       Direktor Sußmeyer streckte den Arm pathetisch vor. „Raum für alle hat die Erde, was verfolgst du meine Herde?“ sagte er. „Wie komme ich dazu, aus reiner Gefälligkeit einer Dame den mit vollem Bewusstsein geschlossenen Kontrakt zu lösen, und noch dazu einen Kontrakt, bei dem ich einmal keinen Schaden habe? Sehen Sie, Herr Hauptmann,“ fuhr er lebhafter fort. „Da ist der Kontrakt unseres zweiten Liebhabers oder der der Soubrette, die noch auf zwei Jahre laufen, wenn Sie die gelöst haben wollen und mir die Einwilligung der Beteiligten bringen, mit dem größten Vergnügen.“

       „Dann entschuldigen Sie, dass wir Sie umsonst bemüht haben“, sagte Dürrbeck, ungeduldig werdend, indem er Solbergs Arm nahm.

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