Im Eckfenster. Gerstäcker Friedrich

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Im Eckfenster - Gerstäcker Friedrich

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„Alle Wetter, dem Preis nach muss ja dein Bräutchen eine Nachtigallenstimme besitzen?“

       „Das tut sie auch, Hans“, rief Dürrbeck bewegt. „Du sollst sie nur einmal hören! Es packt dir die Nerven und hebt dich zu wahrhaft himmlischer Seligkeit oder zwingt dir, du magst wollen oder nicht, die Tränen in die Augen.“

       „Sieh da, sieh da, das Schwärmen habe ich dir gar nicht zugetraut. Aber hier an der Haustür können wir nicht stehen bleiben, Kamerad. Also, Mut gefasst, ich feure den ersten Schuss.“ Damit zog er ohne weiteres an der Klingel, erschrak aber dann selbst über die Wirkung. Es war so, als ob im Inneren des Hauses eine Legion von Glocken losgelassen wurde, einen solchen Spektakel machte es in den unteren Räumen, und die beiden jungen Leute sahen sich verwundert an. In dem Moment öffnete sich aber auch schon die durch eine Feder geschlossene Tür, und sie betraten das kleine Wohnhaus, das sich nur durch seine Tapete auszeichnete. Es war nämlich einzig und allein mit Theaterzetteln beklebt, und zwar von solchen Stücken, in denen der Herr Direktor, der auch das erste Heldenfach und überhaupt alle guten Rollen spielte, mitgewirkt hatte oder noch mitwirkte. Dabei hatte sich der betreffende Herr die Mühe nicht verdrießen lassen, auf jedem Zettel seinen Namen mit Rotstift zu unterstreichen, so dass man in sehr kurzer Zeit einen Überblick über sein sehr ausgedehntes Rollenfach bekommen konnte.

       Es wurde ihnen aber nicht langer Raum zu Betrachtungen gegeben. Ein sehr dürftig aussehendes Subjekt in einem abgetragenen, schwarzen Frack, der ihm aber nur oben auf den Schultern passte und einem viel größeren Mann, vielleicht einmal früher vom Direktor selber, gehört haben musste, mit ebenfalls zu langen, aber aufgekrempelten Hosen, kam die Treppe herunter und fragte, was die Herren wollten. Er war dabei augenscheinlich erstaunt, einen Offizier hier zu sehen, denn seinen Begleiter taxierte er augenblicklich für einen ersten Liebhaber, der ein Engagement suchte.

       „Wir wünschen den Herrn Direktor in einer Privatangelegenheit zu sprechen“, nahm Hans das Wort. „Ist er zu Hause?“

       „Nun ja“, sagte der Mann und zuckte dabei mit den Achseln. „Zu Hause wäre er schon, aber – er studiert.“

       „Und lässt sich da wohl nicht gern stören?“

       „Ne...“

       „Dann müssen wir lieber einen günstigeren Moment abwarten“, sagte Dürrbeck halblaut zu dem Freund. „Ich möchte ihm nicht gerade ungelegen kommen.“

       „Ja, er studiert immer“, warf der Mann ein, der die Worte gehört haben musste.

       „In dem Falle, mein lieber Freund“, nahm Hans das Wort. „Ersuche ich Sie, dem Herrn Direktor meine Karte mit hinaufzunehmen und ihm zu sagen, dass wir ihn nicht lange stören würden. – Hast du eine Karte bei dir, Dürrbeck?“

       „Schick nur deine hinauf, das genügt ja.“

       „Na, dann kommen Sie man mit in die erste Etage, ins Wartezimmer“, sagte der dienstbare Geist – wie sich später herausstellte, der Theaterdiener. „Es wird nicht so lange dauern. Der Herr Direktor ist noch weiter oben.“ Damit nickte er den beiden Freunden zu und stieg ihnen die schmale Treppe voran.

       Das kleine Eckzimmer in der ersten Etage stellte sich als Empfangssalon heraus. Es war wenigstens die ‚gute Stube‘ des Direktors, mit Mahagoni- und Plüschüberzogenen Möbeln. Die Wände aber ließen gar keine Tapete sehen, sondern hingen dicht gedrängt voll großer Ölgemälde, die jedoch wieder niemand anderen vorstellten, als den Direktor selbst, und zwar viermal allein in Lebensgröße in seinen Hauptrollen.

       Da hing er als Wetter von Strahl und König Lear, da hing er als Sohn der Wildnis und als Karl Moor, außerdem aber noch in kleinen Ölgemälden, Fotografien, Lithografien, Stahlstichen und Kreidezeichnungen in so viel verschiedenen Kostümen und kühnen Stellungen, dass einem ganz schwindelig wurde, wenn man bedachte, dass alle diese zahlreichen Personen mit den verschiedenen Gesichtern doch nur einen und denselben Menschen vorstellen sollten.

       Es blieb den beiden Freunden übrigens genügend Zeit, die Gemälde mit Muße zu betrachten. Ob sie der Direktor absichtlich so lange in der „Vorhalle seines Genies“ ließ, ist schwer zu sagen, aber es dauerte eine reichliche Viertelstunde, bis der Theaterdiener wieder bei ihnen erschien und die Herren ersuchte, noch mehr nach oben zu kommen.

       „Der Herr Direktor“, erklärte dabei der kleine Mann, „sind nämlich noch im Schlafrock, wie immer beim Studieren, und betreten dieses Zimmer nur im schwarzen Frack.“

       Hans warf dem Freund einen lächelnden Blick zu und zeigte auf seinen grauen, joppenähnlichen Rock, aber er sagte nichts, und eine Art von Wendeltreppe hinauf, denn der Weg schien wie bei einem Turm nach oben zu immer enger zu werden, erreichten sie endlich den Punkt, wo sie den Direktor finden sollten.

       Aber auch hier mussten sie noch warten, der Direktor war noch mitten im Studieren, und da er jetzt plötzlich mit gehobener Stimme laut und heftig sprach, konnten sie da draußen deutlich die einzelnen Worte hören:

      „Oh, nehmt ihn weg von meinem Haupte wieder,

      Nehmt ihn hinweg, er sengt mir meine Locken;

      Und wie ein Strahl der Sonne, der zu heiß

      Das Haupt mir träfe, brennt er mir die Kraft

      Des Denkens aus der Stirne, Fieberhitze

      Bewegt mein Blut – Verzeiht, es ist zu viel!“

       „Tasso“, flüsterte Dürrbeck leise dem Freund zu, während der Theaterdiener, der genau das Stichwort kannte, jetzt dreimal stark an die Tür pochte. Drin war in einem Moment alles ruhig, dann rief eine von den vorherigen Tönen sehr verschiedene Bassstimme ein gebieterisches „Herein!“ und im nächsten Augenblick öffnete der Mann die Tür und bedeutete die beiden Herren, einzutreten.

       Hans musste sich wirklich Mühe geben, nicht ein sehr verblüfftes Gesicht zu machen, denn eben erst wieder in die alte Welt zurückgekehrt, fand er sich hier einer Gestalt gegenüber, die er in seinen wunderlichsten Träumen nicht für möglich gehalten hätte. Direktor Sußmeyer gehörte allerdings einem etwas extravaganten Geschlecht an, dem der richtigen Komödianten, die ihr Streben weniger in der Kunst, als dem Erfolg suchen und dabei so entzückt von ihren eigenen Leistungen sind und sich für so groß und unentbehrlich halten, dass sie sich die um das Theater herumliegende Welt nur als ein notweniges Anhängsel zu dem Zentralteil, um eben das Publikum zu liefern, denken. Wer das Theater nicht besucht, gehört in ihren Augen zu dem ungebildeten Teil der Menschheit und kommt nicht in Betracht; man weiß überhaupt gar nicht, weshalb er auf der Welt ist. Aber selbst zwischen den Theatergängern werden noch feine Unterschiede gemacht und diese wieder in gebildete und rohe unterschieden. Das hängt aber einzig und allein vom Applaudieren ab.

       Direktor Sußmeyer stand über dem allen; er war der Dirigent eines Kunstinstitutes, wie die Theater in der Neuzeit genannt werden (und eigentlich gäbe es einen anderen Namen dafür, besonders wenn sie in einer Intendanz stehen), und lebte und webte nur in dieser Sphäre, aber er studierte auch seine eigenen Rollen in diesem Geiste und erwartete natürlich, dass das auch von der Mitwelt anerkannt würde.

       Wie er jetzt freilich dastand, bot er für jemand, der gerade nicht in diesen Kreisen lebte und eigentlich aus dem wirklichen und praktischen Leben direkt in dieselben hineinsprang, ein etwas wunderliches, jedenfalls auffallendes Bild.

       Er trug seinen gewöhnlichen, rotseidenen Schlafrock, aus Gardinenstoff gemacht, der aber in der Ferne, wie sich nicht leugnen ließ, mehr

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