Die Flusspiraten des Mississippi. Gerstäcker Friedrich

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Die Flusspiraten des Mississippi - Gerstäcker Friedrich

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waren die Kessel geplatzt“, sagte der Advokat. „Es sind, glaub’ ich, fünfzehn Personen dabei ums Leben gekommen.“

       „Ja, aber nichts Erhebliches weiter von Verwundungen“, meinte der kleine Doktor. „Zwei Negern die Köpfe ab – der eine hing noch an ein paar Sehnen und einem Stück Haut – einer Frau die Brust zerquetscht –“

       „Weshalb müssen wir denn das aber eigentlich so genau wissen?“ rief der Farmer und wandte sich in Ekel und Unwillen von ihm ab. „Sie verderben einem ja bei Gott das Abendbrot, Doktor.“

       „Bitte um Verzeihung“, sagte der kleine Mann, „für die Wissenschaft sind solche Fälle ungemein wichtig, und mir wäre in der Hinsicht auch wirklich kein besserer Platz in der ganzen Welt bekannt, um Beobachtungen an Verwundeten und Leichen zu machen, als gerade das Ufer des Mississippi. Ehe jener interessante Fall am Fourche la fave vorfiel, wohnte ich etwa drei Wochen in Victoria, der Mündung des Whiteriver und Montgomerys Point gerade gegenüber, und alle Wochen, ja oft einen Tag um den andern, kamen Leichen dort angetrieben. Einmal war ein Leichnam mit dabei, dem hatten sie gerade über dem rechten Hüftknochen –“

       „Ei so hol’ Euch doch der Teufel!“ rief der Blaue ärgerlich dazwischen. „Harpunen und Seelöwen – ich kann auch einen Puff vertragen, und manchen Tropfen Blut hab’ ich mein Leben lang fließen sehen; wenn man aber das Leiden und Elend so haarklein beschreiben und immer und immer wiederkäuen hört, dann bekommt man’s am Ende doch auch satt, und ekelt und scheut sich davor.“

       „An Menschen, die keinen Sinn für die Wissenschaft haben“, rief der hierdurch erzürnte kleine Mann, indem er sich den grauen Seidenhut noch fester in die Stirn hineintrieb, „Menschen, die von ihren Mitmenschen bloß die Haut kennen, und sich weiter nicht darum bekümmern, ob sie mit Knochen oder Baumwolle ausgestopft sind – an solchen Menschen ist auch jedes wissenschaftliche Wort, das irgend ein vernünftiger Mann so töricht ist, ihnen zu bieten, verloren, und ich sehe nicht ein, weshalb ich meine schöne Zeit hier vergeuden soll, solchen Menschen einen Gefallen zu tun.“

       Und ohne weiter eine Antwort abzuwarten, oder die Übrigen noch eines Blickes zu würdigen, ergriff er einen alten, am nächsten Stuhl lehnenden roten baumwollenen Regenschirm, drückte ihn sich unter den Arm und schritt rasch und dabei immer noch vor sich hin gestikulierend zur Tür hinaus.

       „Gott sei Dank, daß er fort ist. Mir graust’s immer in seiner Nähe, und – ich kann mir nun einmal nicht helfen, aber ich möchte stets darauf schwören, es röche nach Leichen, sobald er in’s Zimmer tritt“, sagte der Advokat.

       „Ist denn der hier praktizierender Arzt?“ frug der Farmer, der ihm erstaunt eine Weile nachgesehen hatte.

       „Arzt? Gott bewahre“, lachte der Blaue, „die Leute nennen ihn hier nur so, weil er von weiter nichts als Verwundungen, Leichen und chirurgischen Operationen spricht. – Dadurch haben sich aber schon ein paar Mal Fremde verleiten lassen, ihn bei wichtigen Krankheitsfällen zu Rate zu ziehen, und das ist ihnen denn auch verdammt schlecht bekommen.“

       „Es wird keiner zum zweiten Mal zu ihm gegangen sein“, meinte der Farmer.

       „Nein, wahrhaftig nicht – kein Lebender kann sich rühmen, von Doktor Monrove behandelt zu sein. Die Fünf, die er hier in der Kur gehabt – natürlich lauter Fremde, eben Eingewanderte – sind schleunig gestorben, und stehen jetzt in Spiritus und Gott weiß was alles aufbewahrt, teils ganz, teils stückweis in seinem Studierzimmer wie er’s nennt, herum. Keine Haushälterin hat deshalb auch bei ihm aushalten wollen.33 Selbst die letzte verließ voller Verzweiflung das Haus, als er ihr einmal mitten in der Nacht einen menschlichen und frisch abgeschnittenen Kopf in’s Zimmer brachte, den er, wie er später gestand, aus dem Grabe eines Reisenden gestohlen hatte. Eine Karawane von Auswanderern war nämlich hier durchgekommen und einer davon am Fieber gestorben, wonach sie ihn gleich an Ort und Stelle begruben und am nächsten Morgen weiter zogen.“

       „Das muß ein entsetzliches Vergnügen sein, sich so an lauter Greuelszenen zu weiden“, sagte der Farmer schaudernd.

       „Ja, und es ist bei ihm wirklich zur Leidenschaft geworden“, nahm der Advokat das Wort. – „Als er vor kurzer Zeit von dem am Fourche la fave gehaltenen Lynchgesetz und dem verbrannten Methodistenprediger34 hörte, hat er fast ein Pferd totgeritten, um noch zur rechten Zeit dort einzutreffen und die verkohlten Überreste des Mörders an sich zu bringen – was ihm auch wirklich gelungen sein soll. Seiner Wohnung, die eine kurze Strecke von Helena entfernt im Walde liegt, kommt denn auch niemand zu nahe als Wölfe und Aasgeier, und ich muß selbst gestehen, ich wüßte nicht, was mich bewegen könnte, eine so schauerliche Schwelle zu übertreten.“

       „Ich war ein paarmal dort“, sagte der Blaue, „es sieht scheußlich drinnen aus.“

       „Hat man denn von jenen, den Regulatoren entflohenen Mitschuldigen nie wieder etwas gehört?“ frug der Farmer. „In Little Rock hieß es, Cotton35 und der Mulatte seien entkommen.“

       „Ei gewiß“, fiel ihm hier der Advokat in’s Wort. „Die am Fourche la fave haben sich freilich nicht weiter um sie bekümmert, denn sie wollten das Gesindel nur los sein; was aus ihm wurde, war ihnen gleichgültig. Die Flüchtlinge sind aber in der Woche darauf im Hot Spring County36 gesehen worden, und da Heathcott – der erschlagene Regulatorenführer – gerade dort früher ansässig gewesen, so hat man sie beide mit einer Wut und einem Eifer verfolgt, die über ihre gute Absicht nicht den mindesten Zweifel ließen. Cotton ist jedoch ein schlauer Fuchs und wird wohl um diese Zeit schon über dem Mississippi drüben sein.“

       „Hm, ja“, fiel der Blaue ein, „man will ihn schon sogar drüben in Victoria gesehen haben. – Der wird sich nicht wieder in Arkansas blicken lassen.“

       „Hat denn der Indianer den Prediger wirklich verbrannt?“ frug der Helener Kaufmann immer noch zweifelnd. „Allerdings stand es hier in allen Zeitungen, aber ich habe es nie glauben wollen. Wie hätten die Gesetze nur je so etwas zugegeben!“

       „Die Gesetze – bah“, rief der Blaue verächtlich. „Was können denn die Gesetze machen, wenn das Volk seinen eigenen Kopf aufsetzt? Die Gesetze sind für alte Weiber und Kinder, die sich von jedem Dintenkleckser in’s Bockshorn jagen lassen. Wer sich hier nicht selbst beschützt, dem können die Gesetze auch keinen Pappenstiel helfen.“

       „Da bin ich doch sehr verschiedener Meinung“, sagte der Farmer. „Die Gesetze gerade sind’s, die unsere Union auf den Standpunkt gebracht haben, auf dem sie jetzt steht, und jedes guten Bürgers Pflicht ist es, sie aufrecht zu erhalten. Daß es freilich noch manchmal in der Wildnis Strecken gibt, auf die sie ihren wohltätigen Einfluß auszuüben nicht im Stande sind, glaub’ ich auch, und gewaltsame Handlungen erfordern dann gewaltsame Mittel. Sonst aber sollte es für einen Bürger der Union nichts Heiligeres geben, als gerade die Gesetze, denn sie allein sind ihm die Bürgen seiner Freiheit. Doch, Gentlemen, es wird spät, und ich möchte noch gern vor Dunkelwerden hinauf zu Colbys – also gute Nacht. – In einigen Tagen komme ich wieder hier vorbei, und dann Broadly“ – wandte er sich an den Helener Kaufmann, „können wir auch den Handel abschließen, denk’ ich. Ich habe nur noch einige alte Schulden dort oben zu bezahlen, so viel Geld bleibt mir aber wahrscheinlich noch. Also good bye“, und mit den Worten zahlte er an der Bar seine kleine Rechnung, ließ sich die Satteltasche wieder herausgeben, legte sie über den Sattel seines ungeduldig am Reck scharrenden Braunen, stieg auf und trabte, noch einmal herübergrüßend, Elmstreet hinab in den das Städtchen begrenzenden Wald.

      VIERTES KAPITEL

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