Die Flusspiraten des Mississippi. Gerstäcker Friedrich

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Die Flusspiraten des Mississippi - Gerstäcker Friedrich

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es sein eigenes Wohl und Wehe gälte. Nein, der Farmer oder vielmehr das Volk hält den Staat – nicht die Constitution, und ein Land, das kein Volk hat, dem hilft auch die beste Constitution nichts.“

       „Nun ja, das sag’ ich ja eben“, fiel der Mailrider, der nicht recht verstand, was jener meinte, mit seiner dünnen Stimme ein. „Deshalb wundert’s mich ja gerade, daß sich das Volk so von einem einzelnen Menschen leiten und einschüchtern läßt – Donnerwetter – ich sollte dazwischen gewesen sein – ich hätte dem Yankee“ – und er sah sich dabei um, ob der Wirt nicht etwa im Zimmer sei – „zeigen wollen, was es heißt, sich an freien amerikanischen Bürgern zu vergreifen.“

       „Gerad’ im Gegenteil“, erwiderte ruhig der Farmer, „mich hat’s gefreut, daß die Leute Vernunft annahmen. Was ich früher von Helena gehört, ließ mich fast glauben, der ganze Ort bestehe aus lauter – Gesindel. Es ist mir lieb, daß ich jetzt eine andere Meinung davon nach Hause tragen kann, denn daß die Köpfe eines freien, sorglosen Völkchens einmal überschäumen, ei nun, das ist kein Unglück, wenn sie nur immer wieder in’s richtige Bett zurückkehren.“

       „Verdammt wenig von denen, die heut Nacht in einem Bett schlafen!“ lachte hier der im blauen Frack dazwischen. – „Die lustigen Burschen fangen mit der Gallone Brandy an, und es sollte mich gar nicht wundern, wenn sie mit einem ganzen Faß aufhörten. – Ihr Gejubel und Geschrei schallt ja sogar bis hier herüber.“

       „Was ist denn hier eigentlich heute vorgegangen?“ frug jetzt der Farmer, sich an die Übrigen wendend. „Ich kam gerade, wie sie den Irländer draußen in der Klemme hatten, und trug dann meine Satteltasche in die Hinterstube. – War denn heute Gerichtstag?“

       „Gerichtstag?“ sagte der im blauen Frack. „Nein, das weniger, aber ’was ganz Anderes – Holk’s Haus und Land wurde verauktioniert.“

       „Holk’s? Des reichen Holk Haus?“ rief Howitt verwundert. „Ih, das ist ja gar nicht möglich. – Alle Wetter, vor acht Tagen kam ich erst hier durch, und da war ja noch kein Gedanke daran.“

       „Ja, Sachen ändern sich“, lachte der Blaue. „Holk ging, wie Ihr wißt, mit einem Flatboot nach New Orleans. Unterwegs muß er aber wohl auf irgend einen Snag gelaufen oder sonst zu Unglück gekommen sein, kurz das ganze Boot ist spurlos verschwunden, und vor fünf Tagen kam Holk’s Sohn hier an.“

       „Hatte denn Holk einen Sohn?“ frug der Farmer. „Er war ja gar nicht verheiratet?“

       „Aus früherer Ehe“, erwiderte der Blaue. „Mehrere Leute hier kannten die Familie. Der junge Holk wäre auch gern hier geblieben, er bekam aber schon am zweiten Tage das Fieber32 und damit zugleich einen solchen Widerwillen gegen das niedere Land selbst, daß er schon auf den dritten Tag die Versteigerung seines sämtlichen Grundbesitzes feststellte. Die Auktion fand an diesem Morgen statt, und mit demselben Dampfboot, das heute Mittag hier landete, ist der junge Holk wieder hinunter nach Baton Rouge gegangen.“

       „Potz Blitz, der hat seine Geschäfte schnell abgemacht. Da ist auch wohl der schöne Platz um einen Spottpreis weggegangen?“ frug der Mailrider, der ebenfalls erst während des Streites gekommen war.

       „Das nicht!“ erwiderte der Advokat. „Die Baustellen sind fast die besten in Helena und es fanden sich mehrere Bewerber – ich selbst habe geboten, Richter Dayton schien auch große Lust zu dem Handel zu haben. Der Wirt hier hat sie aber zuletzt noch erstanden und – was die Bedingung war – gleich bar bezahlt. Smart muß einen hübschen Taler Geld in Helena verdient haben.“

       „Wunderbar, wunderbar“, murmelte der Farmer vor sich hin. – „Mir hat Holk einmal gesagt, er hätte weder Kind noch Kegel in Amerika und wolle alles das, was er sein eigen nenne, verkaufen und wieder nach Deutschland zurückgehen.“

       „Nun ja“, lachte der Blaue, „es war so eine schwache Seite von ihm, noch für einen jungen Mann zu gelten. Er leugnete immer, daß er schon verheiratet gewesen – Ihr kennt doch die junge Witwe drüben – gleich neben Daytons“, und er verzog dabei, während er mit dem Daumen der Hand über die eigene Schulter deutete, das keineswegs schöne Gesicht zu einem häßlichen, boshaften Lachen.

       „Die arme Frau“, sagte ein junger Kaufmann, der eben zu ihnen getreten war und die letzten Worte gehört hatte. „Sie geht herum wie eine Leiche – sie soll den Holk so gern gehabt haben.“

       „Sie waren ja auch schon mit einander versprochen“, fiel hier der Advokat sein. „Wenn er wieder von New Orleans zurückkäme, sollte die Hochzeit sein; aber der Mensch denkt und das Schicksal lenkt. – Jetzt ist der Mississippi sein Hochzeitsbett und das eigene Flatboot sein Sarg. – Puh – es muß ein häßliches Gefühl sein, so tief unten auf dem Grunde des Flusses gegen die Planken eines solchen Kastens gedrückt zu liegen, und nun immer leichter und leichter zu werden und doch nicht wieder hinauf zu können an den lichten Tag.“

       „Es sind in letzter Zeit recht viele Flatboote verunglückt“, sagte der Farmer nachdenkend. – „Ich weiß, daß allein von Little Rock drei abgingen, die nie am Ort ihrer Bestimmung ankamen. Der Staat sollte mehr dafür tun, diese Unmassen von Baumstämmen wenigstens aus der eigentlichen Strömung zu entfernen. Guter Gott, was sind nicht schon für Menschen auf solche Art umgekommen und wie viele Waren hat der unersättliche Mississippi verschlungen!“

       „Ei, die Menschen sind aber auch großenteils selber daran schuld!“ rief der Blaue ärgerlich. „Wenn irgend ein Bursche, der im Leben den Stiefel nicht von Gottes festem Erdboden weggebracht hat, einmal Waren verschiffen will, so baut er ein neues Flatboot, oder kauft irgend ein altes, packt da seine Siebensachen hinein, stellt sich hinten ans Steuer und denkt, ‚der Strom wird mich schon dahin führen, wo ich hin will – wir schwimmen ja den Fluß hinunter.’ – Ja wohl – wir schwimmen hinunter, bis wir irgendwo hängen bleiben, und nachher ist’s zu spät. Der Mississippi läßt nicht mit sich spaßen, und um die erbärmlichen vierzig oder fünfzig Dollar für einen tüchtigen Lotsen oder Steuermann zu sparen, hat schon mancher Gut und Leben darüber eingebüßt.“

       „Bitt’ um Verzeihung“, sagte der Farmer. „Alle, die von Little Rock abgingen, hatten gerade Lotsen an Bord, Leute, die auf ihr Ehrenwort versicherten, den Fluß schon seit zehn und fünfzehn Jahren befahren zu haben, und sie sind dennoch zu Grunde gegangen. Solchen Menschen kann man aber auch nicht in’s Herz sehen. Es gibt sich mancher für einen Lotsen aus, und vertraut nachher seinem guten Glück, das ihn schon sicher stromab führen werde. Im günstigsten Falle lernt er so nach und nach die Strömung kennen, und hat dabei seinen guten Gehalt; im ungünstigsten aber kann er vielleicht schwimmen, und bringt seine werte Person doch noch sicher wieder ans Ufer.“

       „Sie sind auch vielleicht wirklich so lange gefahren“, lachte der Blaue, „aber auf Dampfbooten, als Feuerleute und Deckhands – nicht als Flatbootmänner. Auf Dampfbooten können sie denn auch verdammt wenig lernen, außer als Pilot, und ein Dampfboot-Pilot wird sich hüten, wieder ein Flatboot zu steuern, wo er nicht halb so gute Kost und weit geringeren Gehalt bekommt.“

       „Gentlemen reden von dem Piloten, der neulich hier ans Ufer geworfen wurde?“ frug ein kleines ausgetrocknetes Männchen mit schneeweißen Haaren, tief gefurchten Zügen und grauen blitzenden Augen, das sich jetzt von einer anderen Gruppe zu ihnen gesellte. „Ja, war ein kapitales Exemplar von Knochenbruch – der rechte Oberschenkel – der linke Unterschenkel – Wadenbein und Hauptröhre – vier Rippen auf der linken Seite, den rechten Arm förmlich zersplittert, daß die Knochenstücke durch den Rock drangen; den Hinterkopf stark verletzt und doch nicht tot. – Ich hatte es mir zur Ehrensache gemacht, ihn eine volle Stunde am Leben zu halten, es war aber nicht möglich. – Er schrie in einem fort.“

      

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