Die Flusspiraten des Mississippi. Gerstäcker Friedrich

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Die Flusspiraten des Mississippi - Gerstäcker Friedrich

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Treiben, und aus der ganzen Umgebung mußte hier die Bevölkerung zusammengekommen sein. Überall standen eifrig unterhandelnde Männer, teils in die bunt befransten Jagdhemden der Hinterwäldler, teils in die blauen Jeansfracks13 der etwas mehr zivilisierten Städter gekleidet, in Gruppen umher, während heftige Reden und lebhafte Gestikulationen ihr Gespräch als ein keineswegs alltägliches verkündeten.

       Vor dem Union-Hotel – dem besten Gasthause der Stadt – schien sich ganz besonders ein nicht geringer Teil dieser Menschenmasse konzentriert zu haben, und der Wirt desselben, eine lange hagere Gestalt, mit blonden Haaren, scharfen Backenknochen, etwas spitzer, gerade vorstehender Nase, aber blauen gutmütigen Augen, kurz jeder Zoll ein Yankee, hatte schon eine geraume Art dem Drängen und Treiben vor seiner Schwelle mit augenscheinlichem Wohlbehagen zugesehen. Im Innern des Hauses fehlte es allerdings keineswegs an Arbeit, und die tätige Hausfrau hatte, von ihrem Dienstboten und einem Neger unterstützt, alle Hände voll zu tun, die Gäste zu befriedigen, und Schlafstellen für die herzurichten, die zu weit entfernt von Helena wohnten. Trotzdem aber verharrte der Wirt in seiner ruhigen Stellung und kümmerte sich nicht im Geringsten um das innere Hauswesen.

       Durch den Wortwechsel und vielleicht auch durch geistige Getränke erhitzt, artete indes die bisherige ruhige, wenigstens friedliche Unterhaltung immer mehr und mehr aus. – Einzelne heftige Flüche und Drohungen überschallten zuerst für Augenblicke das übrige Wortchaos, und plötzlich kündete ein scharfer Schrei und ein wildes Drängen, wie es endlich, was der lächelnde Wirt schon lange ersehnt haben mochte, zu Tätlichkeiten gekommen sei.

       Mit halb vorgebeugtem Oberkörper, die beiden Hände tief in den Beinkleidertaschen und die rechte Schulter an den Pfosten seiner Tür gelehnt, stand er da, und man sah es ihm ordentlich an, welch Vergnügen ihm ein Kampf mache, dessen Resultat so ganz seinen Wünschen entsprochen haben mußte.

       Der nämlich, der den ersten Schlag gegeben, war ein kleiner, untersetzter Irländer mit brennend roten Haaren und wo möglich noch röterem Barte, dazu in Hemdsärmeln, mit offenem Kragen und etwas kurzen, eng anschließenden Nankingbeinkleidern,14 was seiner Figur einen eigentümlich komischen Anstrich gab. Außerdem bewies sich aber Patrick O’Toole15 nichts weniger als komisch oder auch nur spaßig, sobald er ein paar Tropfen Whisky im Kopfe und irgend Ursache zu einem vernünftigen oder ‚raisonablen’16 Streite, wie er es nannte, hatte. Wenn auch nicht zänkisch, so war er doch der Letzte, der einen Platz verlassen hätte, wo noch die mindeste Aussicht zu einer anständigen Prügelei zu erwarten gewesen wäre.

       So gerechte Sache aber Patrick oder Pat, wie er gewöhnlich im Städtchen hieß, diesmal haben mochte, so sehr fand er sich bald im Nachteil, denn kaum lag sein Gegner vor ihm im Staube, als der größte Teil derer, die bis jetzt wenig oder gar keinen Anteil an dem Zanke genommen, auf ihn eindrangen und den Gefallenen rächen wollten.

       „Zurück mit Euch! – Weg da, Ihr Blackguards,17 Ihr – Söhne einer Wölfin!“ schrie der Irländer, und teilte dabei, ohne Unterschied der Person, nach links und rechts so gewaltige und gut gezielte Stöße aus, daß er die Angreifer blitzesschnell zu sicherer Entfernung zurückscheuchte. –

       „Ehrlich Spiel hier!“ schrie er dabei und streifte sich schnell den immer wieder niederrutschenden Ärmel auf. „Ehrlich Spiel, Ihr Spitzbuben, einer gegen einen, oder auch zwei und drei, aber nicht acht und neun, die Pest über Euch – ich klopfe Euch die Schädel so breiweich, wie Euer Hirn ist – Ihr hohlköpfigen Halunken Ihr!“

       „Ehrlich Spiel!“ riefen auch einige aus der Menge, und suchten die übrigen Kampflustigen zurückzudrängen. Der zu Boden Geschlagene hatte sich aber in diesem Moment ebenfalls wieder aufgerafft, und das eine blau unterlaufene Auge mit der linken Hand bedeckend, riß er mit der rechten ein bis dahin verborgen gehaltenes Messer unter der Weste vor, und warf sich mit einem Schrei des wildesten, unbezähmbarsten Ingrimms auf den ihn ruhig erwartenden Iren.18

       Dieser jedoch, ohne weiter seine Stellung zu verändern, fing den drohend gegen ihn gerichteten und sicherlich gut gemeinten Stoß auf, indem er den Angreifer am Handgelenk erfaßte, zum zweiten Mal niederschlug, und nun in dem Rechtlichkeitssinn der ihn Umgebenden hinlängliche Bürgschaft zu finden glaubte, daß sie einen andern, dem ähnlichen Überfall verhindern würden.

       Die Volksmenge schien ihm aber keineswegs geneigt – man entzog zuerst den Besiegten seinen Händen, und dann brach der Sturm in plötzlicher, aber desto verheerender Gewalt über ihn los.

       „Zu Boden mit dem irischen Hund! Nieder mit ihm!“ schrieen sie. „Er hat Hand an einen Bürger der Vereinigten Staaten gelegt – was will der Ausländer hier? Der übers Wasser Gekommene?“

       „Ins Wasser denn mit ihm!“ schrie ein breitschultriger bleicher Gesell, dem sich eine tiefe, noch kaum geheilte Narbe vom linken Mundwinkel bis hinter das Ohr zog, was seinem Gesicht etwas unbeschreiblich Wildes und Unheimliches verlieh. „Ins Wasser mit ihm – die irischen und deutschen Halunken verderben armen ehrlichen Arbeitern ohnedies die Preise.19 In den Mississippi mit der dünnbeinigen Kanaille, da kann sie mit den Seespinnen Hornpipes tanzen!“ Und mit diesen Worten, während er einen nicht sehr lauten aber ganz eigentümlichen Pfiff ausstieß, warf er sich so plötzlich gegen den überraschten Irländer, daß er diesen für den Augenblick zum Wanken brachte. Den geübten Boxer würde er jedoch trotz alledem nicht übermannt haben, wären nicht die ihm zunächst Stehenden und mehrere andere, die sich schnell hinandrängten, rasch zu seiner Hilfe herbeigeeilt, und O’Toole sah sich gleich darauf von mehreren Seiten erfaßt und zu Boden geworfen.

       „In den Mississippi mit dem Schuft!“ tobte der Haufen. „Bindet ihm die Hände auf den Rücken und laßt ihn schwimmen! – Fort nach Irland mit ihm – er kann sich unterwegs ein Schiff bestellen“, jubelte ein anderer, und wenn auch einzelne der friedlicher Gesinnten, die keineswegs wollten, daß ein bloßer Streit ein solch tragisches Ende nehmen sollte, dazwischen sprangen und den Überwältigten zu retten suchten, so wurden diese doch leicht zurückgehalten, und jauchzend schleppten die Rasenden ihr Opfer dem Flußufer zu.

       O’Tooles Lage war eine höchst mißliche, und er selbst wußte nur zu gut, wie feindlich ein großer Teil der Bewohner von St. Helena gegen ihn gesinnt sei, um nicht das Schlimmste zu fürchten. Schwerlich würden ihm aber seine verzweifelten Anstrengungen, mit denen er versuchte den Mördern Trotz zu bieten, etwas genutzt haben. Die Übermacht war zu groß, und die Nähe des Flusses ließ ihnen auch keine Zeit zum Überlegen, sondern schien ihr Vorhaben eher noch zu begünstigen. – Da war es ein einzelner, der sich plötzlich mitten zwischen die Wütenden warf und, den Arm des Iren ergreifend, jeden weiteren Fortschritt hemmte; dieser einzelne aber niemand anderes, als unser freundlicher Wirt, Jonathan Smart, der hier mit einer Autorität sein: „Halt – das ist genug!“ aussprach, als ob er von dem Haufen ganz besonders zum Friedens- und Schiedsrichter bestellt gewesen wäre.

       Die Menge zeigte indessen nicht die mindeste Lust, das so unerwartete und ungebetene Einschreiten geduldig zu ertragen.

       „Zurück, Smart – laßt den Mann los und geht zum Teufel!“ Und mehrere ähnliche und gleich freundliche Anreden schallten ihm aus fast jedem Munde entgegen. Smart aber behauptete nichtsdestoweniger seinen Platz und rief nur mit fester Stimme dagegen:

       „Ich will verdammt sein, wenn Ihr ihm ein Haar krümmt!“

       „So sei es denn!“ schrie der eine seiner Gegner, zog eine kleine Taschenpistole, richtete sie auf den Yankee und drückte ab. Nun versagte zwar zum großen Glück des menschenfreundlichen Retters die Waffe, Jonathan Smart war aber nicht der Mann, der ruhig auf sich zielen ließ. Mit schnellem Griff riß er ein unter seinem Rock getragenes, wenigstens zwölf Zoll langes Bowiemesser vor und führte damit schon in der nächsten Sekunde einen so kräftigen wohlgemeinten Hieb nach dem entsetzt Zurückfahrenden, daß

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