Die Flusspiraten des Mississippi. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Die Flusspiraten des Mississippi - Gerstäcker Friedrich страница 9
„Nein, Mr. Smart – wenn Sie Ihre Geschäfte außer dem Hause haben, so brauchen Sie sich auch nicht um die meinigen zu kümmern. – So viel sage ich Ihnen aber, die Pferde –“
„Sind sämtlich gefüttert und versorgt“, bemerkte Smart. –
„Und das Faß Zucker –“
„Steht in der Bar.“
„Aber die Bohnen –“
„Sind von Scipio schon vor einer halben Stunde gepflückt worden.“
„Und die beiden Zimmer, die noch für die letztgekommenen Gäste geräumt werden sollten –“
„Können jeden Augenblick bezogen werden“, lächelte Jonathan. „Mr. Smart und Scipio haben das alles besorgt – sonst noch etwas?“
Madame – jetzt wirklich ärgerlich, daß weiter gar nichts zu bemerken war, arbeitete mit immer größerem Eifer und immer röter werdender Physiognomie in den Kohlen herum, auf die sie sich schon zweimal vergebens bemüht hatte, den schweren eisernen Kessel zu heben. Jonathan aber, dies bemerkend, sprang rasch hinzu – ergriff die Haken und schwang das mächtige Gefäß mit leichter Mühe auf seinen Ort, wandte sich dann lächelnd nach seiner kaum noch schmollenden Ehehälfte um, drückte ihr einen raschen, aber nichtsdestoweniger derbgemeinten Kuß in das rote, gutmütige Gesicht, und stieg im nächsten Augenblick – die Hände tief in den Beinkleidertaschen und aus Leibeskräften den Yankeedoodle pfeifend – mit raschen Schritten zur Tür hinaus in’s Freie.
Das Union-Hotel und seine Gäste
Leser, hast Du schon je ein amerikanisches Wirtszimmer gesehen? Nein? Das ist schade – es würde mir die Beschreibung ersparen. Wie die Bahnhöfe auf unseren Eisenbahnen, so haben die Wirtszimmer in der Union eine Familienähnlichkeit, die sich in keinem Staate, weder im Norden noch Süden, verleugnen läßt und in den kostbarsten Auster-Salons der östlichen Städte, wie in den gewöhnlichen Grogshop der Backwoods sichtbar und erkenntlich bleibt. Der Schenktisch, mag er nun mit Marmorplatten belegt oder von einem schmutzigen hölzernen Gitter beschützt sein, trägt seine kleinen Fläschchen mit Pfefferminz und Staunton Bitters, damit sich jeder Gast sein Getränk mit einem der beiden scharfen Spiritousen würzen könne, und die dahinter angebrachten Karaffen blitzen und funkeln und laden mit ihrem farbigen Inhalt den Gast ein, sie zu kosten. Apfelsinen und Zitronen füllen die leeren Zwischenräume aus, und bleibehalste Champagnerflaschen so wie süße, mit buntfarbigen Etiketten versehene Liköre prangen in den obersten Regalen. Nie aber wird sich der Reisende in diesen öffentlichen Gebäuden, mögen sie nun „hotel“ oder „inn“ – „tavern“ oder „boardinghouse“ heißen, wohnlich fühlen. Wie alles in Amerika, einzelne Privatwohnungen ausgenommen, nur für den augenblicklichen Genuß und Nutzen eingerichtet ist und jeder wirklichen Behaglichkeit entbehrt, so ist es auch mit diesen, doch eigentlich für die Bequemlichkeit der Reisenden hingestellten Gasthäusern.
Schon die ganze innere Einrichtung beweist das. – Nur vor dem Kamin stehen Stühle, und um denselben, selbst im Sommer, wenn kein Feuer darin brennt, sammeln sich aus alter Gewohnheit die Gäste und spritzen ihren Tabakssaft in die liegengebliebene Asche. Keiner setzt sich mit seinem Glase zum Tisch und verplaudert ein halbes Stündchen mit dem Freunde; – keiner liegt, im Stuhl behaglich zurückgelehnt, und beobachtet die Kommenden und Gehenden. In Gruppen stehen sie beisammen – das kaum gefüllte Glas wird schnell geleert, höchstens einmal eine Zeitung durchflogen, und wieder fort stürmt der erst eingekehrte Gast seinen Geschäften oder seinem Vergnügen nach.
Das Union-Hotel machte keine Ausnahme von dieser ziemlich allgemeinen Regel. Der Tür gegenüber befand sich der Schenkstand, hinter dem ein junger Mann kaum Hände genug zu haben schien, die verlangten Gläser zu füllen. – Links war der Kamin, rechts führten drei Fenster auf die Elmstreet hinaus, während neben der Tür zwei andere vornheraus eine Aussicht durch die Veranda nach der breiten Frontstreet und zugleich mit auf die Dampf- und Flatboot-Landung und den Strom gewährten. In der Mitte des ziemlich großen Raumes stand ein breitfüßiger, viereckiger Tisch, auf dem ein paar Zeitungen, die State Gazette, der Cherokee advocate und das New-Orleans-Bulletin25, lagen, und ein Dutzend Stühle; ein kleiner Nürnberger Spiegel26 und eine unvermeidliche Yankee-Uhr27 über dem Kaminsims füllten den übrigen Platz an Möbeln aus.
Interessanter aber waren die Gruppen, die in den verschiedenen Teilen des Zimmers umherstanden. – Nur zwei Leute saßen nämlich, und diese zwar wie zwei Kaminverzierungen an beiden Seiten desselben: die Rücken der Gesellschaft zugedreht, und die Beine hoch oben auf dem Sims, neben der Uhr.
Den Mittelpunkt der Gäste bildete ein junger Advokat aus Helena, namens Robins, ein Farmer aus der Nähe von Little Rock, ein junger, grobknochiger Gesell, der trotz dem hellblauen Frack aus Wollenzeug und dem schwarzen abgeschabten Filz etwas unverkennbar Matrosenartiges an sich hatte, und der sogenannte Mailrider, der zu Pferde den ledernen Briefsack zwischen Helena und Strongs Postoffice28, in der Nähe des St. Franzisflusses, hin- und herführte. Das Gespräch drehte sich jetzt um die eben stattgehabten und beschriebenen Vorfälle, die sie aus dem Fenster größtenteils mit ansehen konnten, und der Mailrider, ein kleines dürres Männchen von etwa fünfundzwanzig Jahren, war besonders ganz erstaunt, daß sich eine solche Menge kräftiger, trotzig aussehender Burschen erst von einem einzelnen Mann einschüchtern, und dann von einem andern in der Ausübung ihrer Rache hatten zurückhalten lassen.
„Gentlemen!“ sagte er in der mit Eifer geführten Anrede, wobei er diesen Titel ungewöhnlich häufig anwandte, als ob er seine Zuhörer dadurch ebenfalls mit überzeugen wollte, daß er selbst zu dieser besonderen Menschenklasse gehöre. „Gentlemen, die Männer von Arkansas fangen an aus der Art zu schlagen – das demokratische Prinzip geht unter. Vom Osten her werden monarchische Grundsätze von Tag zu Tag gefährlicher. Gentlemen, ich fürchte, wir erleben noch die Zeit, wo sie in Washington einen König krönen, und der König – heißt – dann – Henry – Clay.“29
„Henry Unsinn!“ sagte der Farmer verächtlich. „Wenn das geschähe, so möchten sie ihren König auch im Osten behalten; über den Mississippi sollte er uns nicht kommen, dafür stehe ich. Wetter noch einmal, unsere Väter, die in ihren blutigen Gräbern schlafen und für ihre Kinder fielen30, müßten sich ja in Schande und Schmach umdrehen, wenn die Enkel, die zu Millionen angewachsen sind, das nicht einmal mehr behaupten könnten, was sie der Übermacht mit wenigen Tausenden abzwangen. Das sind aber die verrückten Ideen, die nur Ausländer mitbringen. – In Schmach und Ketten aufgewachsen, können sie sich nicht denken, daß ein Volk im Stande ist zu existieren, wenn es nicht von einem Fürsten am Gängelbande geführt wird. – Zum Teufel auch, ich habe da erst neulich in einem Buche gelesen, wie die Hofschranzen über dem großen Wasser drüben in den Städten herumspielen. – Die Pest über sie – solch Geschmeiß sollte einmal nach Arkansas kommen, hu – pih31 – wie wir sie mit Hunden hinaushetzen würden.“
„Hahaha“, lachte der kleine Advokat. „Howitt – gerät ordentlich in Jagdeifer – Mäßigung, wackerer Staatsbürger, Mäßigung. – Gegen solche Gefahr schützt uns unsere Constitution –“
„Ach – was da, Constitution“, brummte Howitt, „wenn wir’s nicht selber tun, wär’s die Constitution und das Advokatenvolk auch nicht im Stande. – Die eine würde umgeworfen und die anderen gingen zur neuen Fahne über – das ist alles schon dagewesen. Nein, der