Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich

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ausstoßend, den das Pony gut genug verstand, drehte er sich, von diesem jetzt dicht gefolgt, wieder auf dem Absatz herum, und die dichtesten Plätze vermeidend, führte er die Fremde ganz unbekümmert mitten in das Herz der Waldung hinein. Näher und näher aber kam dabei das Bellen der Hunde, und als sie diese endlich erreichten, war es, wie Jack Owen vorhergesagt. Deik hatte seinen Platz dicht neben dem schon verendeten Hirsch genommen und sich, seiner Autorität bewußt, ruhig dabei zusammengekauert, um die Ankunft seines Herrn zu erwarten, während die anderen Rüden ihn kläffend und knurrend, immer aber in achtungsvoller Ferne, umsprangen und die Zeit nicht schienen erwarten zu können, wo ihnen ein Teil des Wildbrets preisgegeben würde. Das geschah bald; Jack hatte im Nu den Hirsch herumgeworfen, aufgebrochen und zerwirkt, und dann den vorderen Teil, die beiden Blätter mit Hals und Kopf, an dem das Geweih noch saß, vom übrigen Körper trennend und in einzelnen, mächtigen Stücken den verschiedenen Rüden zuwerfend, zog er ein Stück Bast von einem dicht dabeistehenden Papaobaum ab und durch die Hessen43 der Hinterläufe des Erlegten, schleifte das Wildbret dann zum kaum zehn Schritt davon entfernten Wasser, dem das tödlich getroffene Tier noch zugeeilt war, und hing es hinein, wusch sich dann selbst die Hände in der Flut, warf die Büchse wieder über die Schulter und schritt, dem Pony ein neues Zeichen gebend, rasch mitten durch den Wald hin, einer bestimmten Richtung zu.

       Diese brachte die Wanderer aber nach kaum viertelstündigem, rüstigen Marsch an die Ecke eines eingefenzten, mit Mais bepflanzten, aber sonst noch ziemlich wild aussehenden Feldes, in dem die meisten Bäume nur geringelt und abgestorben, oder mitten hinein in das Feld gebrochen standen und lagen, und um das hin ein schmaler Feldweg führte.

       «Da sind wir am Ziel», sagte der Jäger, als er den Arm gegen das Maisfeld ausstreckte und zugleich um die Ecke desselben bog, von der aus sie einen freieren Blick auf die kleine Ansiedlung selber erlangen konnten. «Das hier ist Olnitzkis Feld, und er hat drüben auf der anderen Seite im letzten Jahr noch drei andere Acker Land urbar gemacht.»

       «Und wie weit haben wir noch bis zum Haus?» frug Amalie, der das Herz anfing in fast fieberhafter Aufregung zu klopfen, indem sie fast unwillkürlich den Zügel des Ponys anhielt, um sich erst zu sammeln.

       «Zum Haus? – Dort liegt es», sagte der Jäger, und sein Blick haftete wie in Mitleid auf der bleichen, zitternden Gestalt, die in Angst und Schreck die Hände faltete, als das suchende Auge nur eine kleine, niedere Hütte traf, aus der dünner Rauch in die blaue Morgenluft emporkräuselte.

       «Das?» hauchte sie mit kaum hörbarer, trostloser Stimme. « D a s Olnitzkis Haus! – Das der Aufenthalt meiner armen Schwester!»

       «’s ist eben nur eine Waldwohnung», sagte der Jäger, verlegen lächelnd, «mein eigen Haus ist eben nicht viel besser, und Olnitzki will, glaub’ ich, auch ein anderes bauen. Unser Klima hier verlangt es aber kaum anders, und zum bloßen Staat wäre die Mühe hier ebenfalls weggeworfen. Doch wollen wir nicht herangehen?»

       «Nein – bitte, lassen Sie mich vom Pferd», bat Amalie, «es ist nur eine kleine Strecke – ich will von hier zu Fuß gehen – ich – ich möchte gern… »

       «Ich kann mir denken, daß Sie die Schwester nach so langer Abwesenheit allein zu begrüßen wünschen», sagte der Jäger freundlich, indem er seine Büchse an die Fenz lehnte und sie mit scharfem Griff aus dem Sattel hob, «ist’s Ihnen recht, so gehe ich indes zurück und hole mein Wildbret. Ich weiß nicht, ob Olnitzki gerade frisches Fleisch im Hause hat, und da er jetzt Besuch bekommt, wird ihm ein Teil davon vielleicht willkommen sein. Wild gibt’s hier noch genug im Wald, aber es trifft sich nicht immer, daß man gerade zum Schuß kommt, wenn man etwas notwendig braucht, und besser ist besser. Sie können übrigens nicht mehr fehlen; der Pfad hier führt Sie, an der Fenz entlang, bis vor die Tür. Das meiste Ihrer Sachen wird auch bald eintreffen, und das übrige bringe ich Ihnen morgen früh.»

       Er war bei den letzten Worten in den Damensattel gesprungen, und ohne einen Dank der Fremden abzuwarten, drückte er dem Tier die Hacken in die Seiten und sprengte, von den Rüden gefolgt, rasch zurück in den Wald, der sich im nächsten Augenblick schon wieder hinter ihm schloß.

       Fräulein v. Seebald blieb allein zurück und brauchte noch Minuten, ehe sie sich so weit sammeln konnte, der Schwester gefaßt entgegenzutreten. Aber was zögerte sie auch hier, was fürchtete sie? Hatte denn der Jäger nicht vollkommen Recht, und durfte sie mitten im Wald etwas anderes erwarten, als die Wohnung eines Jägers? Auch Rosemores wohnten in einem ebenso unscheinbaren, vielleicht etwas höheren Blockhaus, und wie freundlich, wie wohnlich sah es bei denen aus. Es war unrecht von ihr, sich solch’ kindischem Kleinmut in einem Augenblick hinzugeben, wo sie ihr weitgestecktes Ziel endlich erreicht, und in den Armen der Schwester wollte und mußte sie ja bald jede solch’ törichte Furcht verscheucht, vernichtet sehen.

       Dort lag die Wohnung, und dorthin trug sie jetzt, in Freude und Sehnsucht zitternd, der Fuß. An der Fenz hin, manchmal noch durch niedriges Gestrüpp und Unkraut, das den Boden dicht bedeckte, oder auch über niedergebrochene Stämme und Äste hin, lief und kletterte sie, von den weiten Kleidern oft gehalten, in immer wachsender Ungeduld, und erreichte endlich den kleinen, freien, von zahmen Vieh zertretenen und etwas schmutzigen Platz unmittelbar vor der Hütte, die in die Fenz hineingebaut lag. Hier sah sie auch das erste lebende Wesen – denn bis jetzt hatte ihr nur der blaue Rauch die Nähe von Menschen verraten – eine Frau in einem ordinären weiß-baumwollenen Rock – der selbstgewebte Stoff der Backwoodsfrauen – die vor der Tür der Hütte stand und das zu Mittag wahrscheinlich gebrauchte Geschirr in einem hölzernen Troge reinigte. Gott sei Dank, da war jemand, den sie erst fragen konnte, ehe sie das Haus betrat, und mit auf dem weichen Boden geräuschlosen Schritten zu ihr herangehend, sagte sie, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, mit lauter Stimme, aber in englischer Sprache:

       «Guten Tag, Madame44, könnt Ihr mir sagen, ob die Gräfin – ob Mrs. Olnitzka zu Hause ist?»

       Die Frau drehte sich nach ihr um und sah ihr starr und regungslos in die Augen, erwiderte aber kein Wort – sie mußte die Anrede nicht verstanden haben.

       «Entschuldigt mich, liebe Frau», sagte die Fremde, den Blick dabei unruhig nach der Tür der Hütte werfend, als ob sie von dort in jeder Sekunde die Gestalt der Schwester zu sehen erwarte, «ich bin fremd hier – eben erst angekommen, und suche die Dame, der dies Haus gehört.»

       Die Frau hob langsam die Hände auf – ihr Blick, erst erstaunt und erschreckt, wurde immer stierer und wilder, und während das Geschirr ihren Fingern entfiel, streckte sie plötzlich wie abwehrend die Arme von sich, und den bleichen Lippen entrang sich das Wort: «Amalie!»

       «Heiliger – allmächtiger Gott!» schrie Amalie, in diesem Augenblick von jähem Schreck getroffen, während sie ihre Stirn mit beiden Händen hielt und die vor ihr stehende Frau anstarrte, als ob ein Geist vor ihr dem Boden entstiegen wäre. «Sidonie!» und die Arme nach ihr ausstreckend, umfing sie wie krampfhaft die bleiche, zitternde, schmächtige Gestalt.

       «Meine Sidonie! – Mein liebes, liebes Herz!» flüsterte sie dabei, in ängstlich liebkosender Hast ihr die blassen, eingefallenen Wangen streichelnd und in vergehendem Schmerz die abgehärmten, an sie geschmiegten Glieder fühlend. «Mein armes, verlassenes Kind!» Aber sie vermochte nicht mehr zu sagen, und auch die Schwester hing lautlos – schluchzend in ihren Armen.

       Aber Sidonie faßte sich zuerst wieder, und gewaltsam die Bewegung bezwingend, der sie sich im ersten Augenblick wohl unwillkürlich, selbst unbewußt hingegeben, strich sie die Haare aus der marmorweißen und fast ebenso kalten Stirn, und die Schwester leise auf Armeslänge von sich pressend, schaute sie ihr voll und zärtlich in die tränengefüllten Augen, und sagte mit leiser und so unendlich weicher Stimme:

       «Amalie – oh, wie Dein lieber Anblick meinen Augen so wohl tut! Aber wo kommst Du

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