Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich

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ersten Liebe wie berauscht, verlassen. Die Mutter war vor zwei Jahren gestorben, und wenn auch Sidonie die Trauerbotschaft bekommen, blieb das erste Begegnen der Geschwister nach d e m Verlust doch immer schmerzlich und mußte die Freude des Wiedersehens trüben. Aber fort mit solch’ traurigen Gedanken jetzt, wo sie so viel des Freudigen auch dabei brachte – ihr Bruder war von seinem Hofe ehrenvoll ausgezeichnet und angestellt worden, ihre jüngste Schwester die Braut eines geliebten Mannes, ihr Vater, noch immer rüstig und gesund, stand seinen Berufsgeschäften wie jemals vor, nur mit dem einen Verlangen, sein Kind, sein liebes Kind, das er damals so ungern von sich gelassen, noch einmal wiederzusehen. Wie hatte er sich in jener Zeit gesträubt, seine Einwilligung zu einem Bündnis zu geben, das er allein der tollen Schwärmerei des Augenblicks zugeschrieben, und in das er nur endlich willigte, um sein Kind durch eine Weigerung nicht noch vielleicht unglücklicher zu machen, als es, wie er fürchtete, durch die Verbindung werden würde. Jetzt lag die Zeit in weiter Ferne hinter ihnen. Sidonie war glücklich geworden, wie ja alle ihre Briefe bezeugten, und wenn sich auch die Schwärmerei der ersten Jugendliebe in ein ruhigeres und stilleres Gleis die Bahn geöffnet, so hatte sie doch auch mit keiner Zeile je erwähnt, daß sie sich fortsehne aus dem neuen, selbstgewählten Leben, daß sie bereue, den Schritt getan zu haben, der sie aus den Armen ihrer Familie, der sie aus dem Vaterlande riß.

       Viel Unglück hatte sie trotzdem gehabt – der älteste Knabe war ihr im vierten Jahr gestorben, und in dem l e t z t e n Brief, den sie zu Haus geschrieben – schon zwei Jahre her, schien ihr auch das jüngste Kind, ein Mädchen, schwer erkrankt. Aber seitdem, und nach dem Tode der Mutter, hatte kein Brief von ihr die Heimat mehr erreicht, und nur ein einziges Mal war mündlich Nachricht von ihnen durch einen Fremden hinübergedrungen, der den Grafen Olnitzki zufällig in Little Rock gesprochen und von diesem erfahren habe, daß sich die Frau vollkommen wohl befinde und in ihrem, allerdings etwas einsamen Aufenthalt von Herzen glücklich fühle.

       Wunderbarerweise behaupteten aber auch Rosemores, nicht imstande zu sein, ihr genügende oder nähere Auskunft über die doch nur kurze Strecke von ihnen entfernt wohnenden Leute zu geben. Olnitzki kam allerdings manchmal herüber zu ihnen, ja, hatte sogar früher schon einige Mal in ihrem Hause übernachtet, die Frau dagegen sich noch nie bei ihnen blicken lassen.

       «Aber sie hatte doch andere Nachbarn in ihrer Nähe?»

       «Allerdings, Jack Owen wohnte kaum tausend Schritt von ihrem Hause entfernt an der bearlick ridge, und Sam Houston, ein anderer Farmer, hatte sich etwa eine Meile oberhalb des ,postoak hollow’ niedergelassen. – Beide waren verheiratet und verkehrten gewiß miteinander. Besonders Jack Owens junge Frau war ein liebes, braves Weibchen.

       Wunderbarerweise wußten diese ,Nachbarn’ nicht einmal, ob Olnitzkis Kinder hatten, und wieviel. – Ein oder zwei waren ihnen gestorben, aber auch das schien nur als Gerücht zu ihnen gedrungen, denn dort hinein führte kein bestimmter Weg, zu ihnen heraus kamen die Leute auch nicht, so bildete sich denn jeder seinen Wirkungskreis in der eigenen Umgebung, den Nachbar entbehrend und sich wenig um ihn kümmernd.

       Aber was bedurfte Amalie v. Seebald auch jetzt noch weitläufiger Berichte, wo sie sich ja morgen schon – in wenigen Stunden – selber von allem mit eigenen Augen überzeugen konnte. Nur wie sie hinüberkommen sollte, beunruhigte sie noch; die Frauen vertrösteten sie aber auf die Ankunft der Männer, die jedenfalls zum Abendbrot daheim sein und schon Mittel und Wege finden würden, sie mit ihrem Gepäck hinüberzuschaffen. Lieber Gott, das sei nicht mehr als ihre Schuldigkeit, dafür zu sorgen, daß eine einzelne Frau, die so vertrauensvoll hier herüber zu ihnen gekommen war, auch nicht ohne Hilfe und Beistand gelassen würde, und Billy Jones, der Schwiegersohn des alten Rosemores, oder Mr. Rosemore selber fänden da schon Rat.

       Hundegebell und Pferdegestampfe kündigte die Erwarteten, die irgendwo im Wald gewesen waren, um nach ein paar ausgebliebenen Kühen zu sehen, auch schon vor Dunkelwerden an, und drei Reiter hielten gleich darauf vor Rosemores Tür, sprangen aus den Sätteln, die sie mit dem Zaum den Tieren abnahmen, ihre weitere Versorgung einem herbeispringenden Negerknaben38 überlassend, und betraten bald darauf die innere Fenz, zum Hause kommend.

       «Das trifft sich glücklich!» rief Sarah, Mr. Rosemores jüngste Tochter, die in die Tür getreten war, um den Vater zu begrüßen. «Da ist Mr. Owen von bearlick ridge selber, mit Vater und Bill; der weiß Rat und geht gewiß morgen früh ebenfalls nach seinem Haus zurück.»

       «Hallo, Miß Sarah», lachte der also bezeichnete Backwoodsman, der die Worte verstanden hatte und mit seinem Sattel über dem linken Arm, seine Büchse in der Rechten, zum Hause herankam, «haben Sie mich erwartet?»

       «Ich nicht, Mr. Owen», lachte das junge Mädchen, «aber eine fremde Lady, die hier im Hause sitzt und vor Sehnsucht nach Ihnen schon fast vergangen ist.»

       «Alle Wetter», rief der Jäger, seinen Sattel rasch unter den Zwischenbau der beiden Häuser legend und die lange Büchse daneben lehnend, «eine fremde L a d y ? Das wäre der Teufel!»

       «Nun, der T e u f e l gerade nicht, Mr. Owen», sagte die Matrone mit einem leisen Vorwurf in dem Ton, mit dem sie das Wort wiederholte.

       «Bitte tausendmal um Entschuldigung, Missis Rosemore», sagte der Mann, leicht errötend, indem er ihr die Hand entgegenstreckte, «es fuhr mir nur so heraus; Ihr wißt ja schon, ich mein’ es nicht so bös.»

       Es war eine kräftige, männliche Gestalt, der Mann, in die gewöhnliche Tracht der Hinterwäldler, in ein ledernes Jagdhemd mit ebensolchen Leggins gekleidet. An den Füßen trug er Mokassins von demselben Stoff, auf dem Kopf aber einen alten, abgetragenen, arg mißhandelten Filz, und an der rechten Seite seine Kugeltasche, während an der linken in dem breiten Ledergürtel das lange amerikanische Bowie- oder Jagdmesser stak. Das Haar war gelockt, sein Auge blau, und der Ausdruck seines Gesichts entschieden ehrlich und geradeaus, nur um den Mund und die selbst fein geschnittenen Lippen lag ein etwas harter Zug, der aber ebensogut Mut und Entschlossenheit andeuten konnte, und den westlichen Amerikanern, die im Wald erzogen und allen seinen Beschwerden und Gefahren von Kindheit an preisgegeben sind, besonders eigen ist.

       Jack Owen war mit einem Wort ein prächtiges Urbild jener kräftigen, stählernen Menschenrasse, die den westlichen Urwald der Union erst als Jäger durchziehen, und dann mit ihren keck bis weit über die Grenzen der Zivilisation vorgeschobenen ,improvements’ besiedeln, dem Indianer und Bären ihre Heimat abtrotzen, und, nur mit Büchse und Axt bewehrt, im Schatten der dichten Wildnis sich eine Heimat schaffen. Diese Rasse bildet den Übergang von der Rothaut zum weißen Mann, und wie der Wolfshund, der halb dem Wolfsgeschlecht noch angehörig ist, keinen ärgeren Feind kennt als gerade den Wolf, so haßt der Pionier nichts ärger auf der Welt als den, in dessen Fußstapfen er doch hier getreten: den roten Sohn der Wälder39.

       Als diese Männer das Zimmer betreten hatten, die, mit dem freien, natürlichen Leben um sich her, auch ebensolche Sitten angenommen haben, und sich, von anderen dasselbe verlangend und glaubend, eben so geben wie sie sind, gingen sie auf die fremde Dame zu, boten ihr zum Willkommen freundlich die Hand, und dann ihre Sitze am Feuer einnehmend, an dem sie ihre Mokassins auszogen und zum Trocknen aufhingen, war ihre erste Sorge, den Frauen Bericht über die entlaufenen oder ausgebliebenen Kühe, die, wie es schien, wieder eingefangen waren, abzustatten. Das Gespräch drehte sich jetzt ausschließlich um Kühe, Rinder und Schweine, bis zum Abendbrot, welches die beiden Töchter der alten Mrs. Rosemore indes bereitet hatten, und alle Teile der range oder des Weidegrundes, wo sich noch ein oder das andere Stück verhalten, wurden durchgenommen. Die Frauen selber interessierten sich dabei soviel dafür wie die Männer, und Fräulein v. Seebald, die dabei als stille Zuhörerin mit am Kamin saß, war wirklich erstaunt, soviel Ortskenntnis bei ihnen zu finden, mit der sie die nach Meilen entfernten Stellen im Wald, und ihre Richtung dabei nicht etwa nach bestimmten Wegen bezeichneten, sondern nach den Himmelsgegenden und kleineren, sie durchströmenden Wasserkursen.

      

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