Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich

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wußte sie sich vor Glück und Seligkeit kaum zu fassen. Die Tränen traten ihr in die Augen, und sie hätte laut aufjubeln mögen vor Lust und Wonne.

       Ihr Ziel war jetzt erreicht, wonach sie jahrelang gestrebt und sich gesehn; derselbe Wald umfing sie schon, der ihrer Schwester eine Heimat, ein Paradies geschaffen, und nur ein Herz fehlte ihr jetzt, mit dem sie ihre Seligkeit teilen, dem sie das alles zujauchzen konnte, was ihre Brust in diesem Augenblick erfüllte und erhob.

       Mit dem Mann an ihrer Seite, der trocken und gleichgültig auf seinem Platz saß und nur manchmal, wenn der Weg eine kurze Strecke glatt fortging, die Pferde zu rascherem Lauf antrieb, ließ sich aber freilich nicht reden; auch war sie des Englischen kaum mächtig genug, um gerade den Gefühlen Worte zu geben, die es sie trieb und drängte auszusprechen. So fuhren sie eine Zeitlang schweigend miteinander hin, wobei der Weg indes, je weiter sie in das Land hineinkamen, schlechter und sumpfiger wurde, und die ganze Aufmerksamkeit des Wagenführers erforderte. Der großartige, wirklich herrliche Wald dieser Niederungen blieb dabei unverändert, unverkümmert, aber die Bewohner und Besitzer desselben, die Moskitos, meldeten sich ebenfalls, und wenn sie auch gerade nicht häufig waren und durch die Bewegung des Fahrens schon abgehalten wurden, ließen sie sich doch, wenn der Wagen manchmal auf einen Augenblick hielt und der Fuhrmann absteigen mußte, um irgendeinen niedergebrochenen Ast aus dem Weg zu räumen, oder die Tiere um eine stehengebliebene Wurzel herumzuführen, hören und fühlen, während die zarte Haut der jungen Dame leicht unter dem scharfen Stich der kleinen, scharfsäftigen Tiere anschwoll.

       Dadurch wurde übrigens ihr Geist auch wieder in etwas mehr dem Irdischen zugewandt, und Fräulein v. Seebald begann den Wagenführer nach ihrem Weg, der Länge desselben, den verschiedenen Ansiedlungen oder ,Plantagen’ (wie sie es nannte, was er aber im Anfang nicht verstand) zu fragen.

       Der Bursche war ein einfach schlichtes ,Kind des Waldes’, wie Fräulein v. Seebald bald genug fand; er wußte auch in der Tat nicht viel mehr, als was im Bereich seines Waldes und der Landung von Little Rock lag. Allerdings kannte er den Weg genau, jeden Sumpf und Stamm, jede ,Clearin’, jedes ,Improvement’, wie die allerersten Niederlassungen genannt werden. Er war dabei imstande, genau anzugeben, wieviel jeder ,Nachbar’ den Tag über ,Fenzriegel’ spalten könne, wieviel Hirsche Johnny Bligh in der letzten ,season’ erlegt und wie viel coons25 sie in ihrem letzten crop (Ernte) im Maisfeld mit den Hunden gefangen oder geschossen hätten. Auch die Pferde und Rinder der Nachbarn kannte er persönlich, wußte jeden Flecken an ihnen, jeden Brand26 anzugeben, zeigte ihr auch den Platz, als sie daran vorbeifuhren, wo im vorigen Jahr der Panther ein junges Füllen erwürgt und beinahe auch noch gefressen hätte, wäre er nicht glücklicherweise (freilich zu spät, um es vor dem Erwürgen zu bewahren) dazugekommen, und ging dann speziell in seiner Unterhaltung auf die deutschen Einwanderer über, von denen, wie er meinte, ein ,heap’ die letzten Jahre herübergekommen sein müßten, denn am Cashriver hätte er zwei gesehen und nach Little Rock wäre eine ganze Familie gekommen, der Mann, die Frau und drei oder vier Kinder. In Little Rock wären überhaupt eine Menge Deutsche, es wimmelte ordentlich davon – er allein kannte sechs oder sieben, und Charley Fischer sei der Fidelste von allen, und ,a monstrous smart hand too!’ – ungeheuer schlau und pfiffig – und hätte ihm neulich einmal (vor drei Jahren) einen ganz faulen Western-Reservekäse27 aufgehangen, was er ihm aber nicht besonders übelzunehmen, sondern sich eher darüber zu freuen schien, daß er das fertiggebracht.

       Nur von dem ,Grafen Olnitzki’ wußte er wenig oder gar nichts zu erzählen, seine ,old lady’28 kannte er gar nicht, hatte sie nie gesehen und glaubte auch nicht, daß sie viel aus der range (eigentlich Weideplatz, aber auch von Ansiedlungen gebraucht) herauskäme. Old Nitzky, wie er ihn unverdrossen nannte, sollte übrigens a powerful hand (sehr geschickt) mit der Büchse ein, und viele Hirsche und auch schon einige Bären geschossen haben. Jetzt war er lange nicht ,in die Ansiedlungen’ gekommen, aber er konnte sich noch recht gut auf ihn besinnen, denn er war ein großer, starker Mann und trug ,das ganze Gesicht voller Haare’.

       Wenn aber der Führer ihr auch keine näheren Nachrichten über die geben konnte, deren Schicksal ihr so sehr am Herzen lag, und die es sie so glücklich machte, nach so langer Trennung wieder zu sehen, so war er doch in so mancher anderen Art praktisch und unendlich gutmütig. Er brach ihr einen Sassafrasbusch ab, um sich damit der dann und wann zu ihnen kommenden Moskitos zu erwehren, und hielt einige Male besonders an, um ihr einen Hut voll saftiger, zuckersüßer Persimonen29, die dort in Masse wuchsen, zu suchen und zu bringen, oder wilde Weintrauben zu pflücken, die von manchen Bäumen in schweren, blauen Massen niederhingen. Auch die Muscadinebeeren30, vor deren häufigem Genuß er sie des kalten Fiebers wegen warnte, mußte sie kosten, und die lange, fast widerlich süße Papaofrucht31. Wie sie dann weiter in den Wald hinein- und von den dem Fluß zunächst liegenden Ansiedlungen abkamen, zeigte er der Fremden hier und da die rasch erspähte Gestalt eines flüchtigen Hirsches, der stutzte, als er das Knarren der Räder hörte, und den schönen Kopf mit dem wunderlich gebogenen Geweih zurückwerfend, flüchtig über die Büsche hinweg in das Dickicht setzte; oder das häßliche, aber komische Opossum32, das amerikanische Beuteltier, das, eigentlich nach Australien gehörig, nur aus Versehen hier von der Natur geschaffen scheint, wie es scheu über den Weg lief oder rasch an niederhängenden Weinreben emporklomm, um einer vermuteten Gefahr zu entgehen. Manchmal hielt er sogar an, um ihr auf der Straße selber Bären-, Wolfs- und Panterfährten zu zeigen, die sie hier auf ihren nächtlichen Wanderungen in den weichen Boden eingedrückt, und tat überhaupt alles, was in seinen Kräften stand, um der jungen Dame den langen, etwas monotonen Waldpfad soviel als möglich zu verkürzen.

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       So zogen sie den langen Weg dahin; die Straße war breit ausgehauen, zeigte aber nur wenig Gleise, mehr Hufspuren und fast noch mehr die Fährten wilder Tiere. Dann und wann passierten sie eine große Ansiedlung, und gegen Mittag hielten sie sogar an einem Ort, dessen drei oder vier Blockhütten den stolzen Namen einer Stadt beanspruchten. Die Leute dort, ein einziger Farmer mit seinem Bruder, der einen kleinen Laden hielt, waren aber nicht stolz auf diese Bevorzugung vor den Nachbar clearings, bestellten ihr Land noch selber und machten neues urbar, um nicht etwa Häuser darauf zu bauen, sondern Mais hineinzupflanzen.

       Dort wurde ein frugales Mittagsmahl eingenommen, da fast sämtliche Farmer in den westlichen Wäldern, wenigstens alle, die an einer Haupt- oder Countystraße wohnen, darauf eingerichtet sind, Fremde zu beherbergen und zu speisen. – Wirts- und Gasthäuser gibt es dort nur sehr wenige; Bargeld haben die Leute auch sehr wenig in ihrem gegenseitigen Verkehr: da wird denn das Fremdenbewirten gewissermaßen zu einer Erwerbsquelle, der sie sich umso lieber widmen, als sie wenig mehr Auslagen dabei haben, wie ein paar Betten mit Matratzen und wollenen Decken herzustellen. Die alte, westliche G a s t – f r e u n d s c h a f t , wie sie in früheren Zeiten Sitte war, geht dabei freilich verloren; eine Mahlzeit kostet einen Vierteldollar, ein Pferd zu beherbergen von einem viertel- bis halben Dollar, je nach der Gegend, das Bett für den Gast einen ,Bit’33 bis einen Vierteldollar, oder Nachtlager mit Abendbrot und Frühstück für einen Reiter gewöhnlich einen Dollar. Daß sie jemanden umsonst beherbergen könnten, fällt ihnen nicht ein; hat aber ein armer Teufel wirklich kein Geld und sagt er ihnen das gleich von vornherein, ehe er etwas verzehrt und genossen hat, so wird ihm selten ein Amerikaner alles das versagen, was er ihm sonst nur gegen Zahlung gegeben hätte.

       Im Wald selbst, das heißt, ab von der Straße, wohin kein ausgehauener, von Geschäftsreisenden betretener Weg führt, und wohin sich nur der Jäger dann und wann verliert, ist das ganz etwas anderes. Der Wanderer teilt da Tisch und Bett mit seinem Wirt, und am Morgen, fragte er wirklich, was er dafür schuldig sei, lautet die Antwort: «Das Wiederkommen, Fremder; für das, was Ihr gehabt, wart Ihr willkommen.» - «Lieber Gott, es war wenig genug, was wir Euch bieten konnten», setzt die Frau auch wohl hinzu.

       So wenig neugierig die Leute auch gewöhnlich dabei sind, was der Reisende treibt, woher er kommt, wohin er

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