Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich

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       Jack Owen ging dabei meist vor ihr, oft neben ihr her, die Büchse auf der linken Schulter, über deren Kolben die linke Hand herunterhing, die Hunde hinter sich, die jetzt, im wirklichen Wald drin, keinen Lärm mehr machen durften, um etwa irgendwo stehendes Wild nicht zu verscheuchen. Sein Blick schweifte dabei ruhig und forschend über alle offenen Stellen, die sie passierten, haftete oft auf einem vom Herbst gefärbten Busch, ob sich nicht doch in den geröteteten Blättern die schlanke Gestalt eines Hirsches berge, und suchte dann wieder in dem weichen Boden des Pfades die frisch eingedrückten Fährten des Rotwildes oder Raubzeuges, die herüber und hinüber gewechselt waren.

       So hatten sie schweigend einen großen Teil des Weges zurückgelegt, und Amalie sah schon in jedem helleren Waldesfleck, der vor ihnen lag, die so heiß ersehnte Lichtung von ihres Schwagers Farm. Aber e i n Dickicht wechselte nur mit dem anderen, der Weg, der bis dahin ziemlich breit in den Wald hineingereicht hatte, wurde zum engen, kaum mehr begangenen Pfad, und noch immer zeigten sich nicht jene Spuren der Zivilisation, die unzertrennlich von einer größeren Ansiedlung sind und, wie der dünne Rauch über einer Stadt, die nähe des schaffenden Treibens tätiger Menschen verraten. Kein Fuhrwerk hatte diesem Boden hier je seine Räder eingedrückt, keine Axt noch die mächtigen Stämme berührt, und selbst die wenigen Pferdespuren im Pfad waren von Hirsch- und Pantherfährten fast unkenntlich gemacht. Und doch näherten sie sich mehr und mehr der Farm des Grafen, doch konnte nur eine kurze Strecke Waldes mehr sie von dort trennen. Nur eins war da noch möglich, daß sein ganzer Verkehr mit jener nördlich von ihm gelegenen Stadt bestand, die ihm doch wohl näher liegen mußte als Little Rock, ja vielleicht gar durch einen Strom die Verbindung erleichterte, aber das Herz des armen Mädchens füllte sich dennoch, so sehr sie auch dagegen ankämpfen wollte, mit einer unbestimmten Furcht, und wenn sie der auch keinen Namen zu geben wußte, drängte es sie doch zuletzt, von ihrem wortkargen Führer das unheimliche Gefühl verscheucht zu sehen.

       «Es ist so still und einsam hier», brach sie das Schweigen endlich, «und doch können wir nicht mehr so weit von jener Farm entfernt sein, der dieser Weg zuführen soll.»

       «In einer Stunde kann man’s von hier aus, wenigstens in dieser Jahreszeit, gehen», sagte der Mann, «aber im Winter ist’s weiter, denn die Gräben sind dann mit Wasser gefüllt, und man muß Umwege machen, um ihrem Schlamm auszuweichen.»

       «Daß sich Olnitzki so tief im Wald angesiedelt hat!» sagte die Deutsche, fast mehr zu sich selbst als zum Führer redend.

       «Ja, ‘s ist etwas einsam hier, für eine Frau wenigstens», lautete die Antwort, «aber der Mann fühlt sich desto wohler unter den Bäumen, und mir ist, wenn ich’s aufrichtig gestehen soll, nichts fataler auf der Welt, als wenn ich an eine Fenz komme – meine eigene ausgenommen.»

       «Wie es Sidonie nur ausgehalten hat!»

       «Ist das der Name Eurer Schwester?» frug der Jäger mit etwas leiserer Stimme, und sein Blick glitt über die Gestalt der Fremden flüchtig, aber doch forschend, hin.

       «Ja – kennt I h r ihn nicht, als nächster Nachbar?»

       «Es ist Sitte bei uns, die Frauen nur nach dem Namen ihres Mannes zu nennen», erwiderte der Jäger, «selbst unsere eigenen. Ich kann ihn aber trotzdem doch wohl einmal gehört haben, denn ich kam früher öfter mit Olnitzki zusammen.»

       «Und jetzt nicht mehr?»

       «Oh doch, ja, dann und wann wenigstens», sagte der Mann ausweichend, «er ist gerade ebenso wie wir anderen – eben nicht umgänglicher Natur, und hält seine Büchse und Hunde für die beste Gesellschaft auf der Welt.»

       «Aber die arme Frau - s i e verkehrt doch wenigstens mit ihren Nachbarn?» frug Amalie.

       «Sie? – Oh ja – jawohl», sagte der Jäger, «im letzten Winter war sie zweimal bei uns hüben, und meine Alte auch dort, und wie ihr vor zwei Jahren das Kind krank wurde und dann starb, ist wenigstens eine von den benachbarten Frauen fortwährend und abwechselnd bei ihr gewesen. – Sie wurde auch damals selber krank und mußte doch eine Pflege haben.»

       «Lieber Gott, im letzten W i n t e r », seufzte Amalie still und kaum hörbar vor sich hin, und der Wald schien ihr ordentlich unheimlich dazu zu rauschen in seiner öden Einsamkeit. Sie fürchtete auch von dem Augenblick an wirklich eine weitere Frage zu tun, bis ihr Führer selbst wieder das Schweigen brach.

       «Ihr habt die Schwester seit langer Zeit nicht gesehen?»

       «Seit zehn Jahren nicht.»

       «Eine lange Zeit, und wir werden alt dabei.»

       «Sidonie war noch so jung, als sie die Heimat verließ.»

       «Aus glücklichen, ruhigen Verhältnissen vielleicht heraus», sagte der Jäger, und sein Blick schweifte dabei wieder über den engen Waldeshorizont, der ihm da frei lag, um nach einem Wild auszuspähen.

       «Aus den glücklichsten», sagte die Schwester, seufzend der Zeit gedenkend, «lieber Gott, sie hatte alles, was das Herz begehrt, begehren kann. In Überfluß und Reichtum erzogen, wurde sie von den Eltern auf Händen getragen, und die glänzendste Zukunft hätte ihrer im alten Vaterland gelacht.»

       «Hm», sagte der Jäger, seine Büchse etwas weiter zurück über die Schulter werfend und den Tabakssaft seines Priemchens gegen die nächste Eiche spritzend, «hm – und Mr. Olnitzki hatte auch viel Geld?»

       «Der Graf Olnitzki? – Nein», sagte Amalie, «aus Polen flüchtend, wo sein Volk besiegt und zerstreut worden, waren ihm von dem russischen Zaren die Güter konfisziert, war ihm selbst die Rückkehr in sein Vaterland abgeschnitten worden, und jenen unglücklichen Tapferen blieb damals nichts übrig, als in der neuen Welt auch eine neue Heimat zu suchen und zu gründen42

       «Aber wie bekam er da so geschwind die reiche Frau?» frug der praktische Amerikaner, halb ungläubig dazu den Kopf schüttelnd.

       «Ich weiß nicht, ob Sie sich jener Zeit noch erinnern», sagte, wieder tief aufseufzend, Amalie, «weiß auch nicht, ob Sie in Amerika damals unsere Gefühle geteilt, aber in Deutschland war es fast, als ob ein neuer, lebendiger Geist über das ganze Volk gekommen und die träumenden Nationen aus ihrem Schlaf geschüttelt habe. Ein Schrei für Polen ging durch Deutschlands Gauen, nicht bei den Regierungen zwar, die es mit dem nordischen Koloss nicht verderben wollten, wohl aber bei den Völkern. Doch statt das Schwert aufzugreifen für den bedrohten, geknechteten Nachbarstaat, begnügten sich die Männer, Sammlungen zu veranstalten, den Verwundeten und Beraubten Hilfe zu bringen, die Frauen zupften Charpie und sandten Leinwand und Bandagen in die Lazarette, und als die letzte Schlacht geschlagen, als die ungeheuren russischen Heere das kleine Reich mit ihren Massen überschwemmten, als Polen zertreten, vernichtet unter den stampfenden Rossen seiner Feinde lag und die wenigen seiner tapferen Krieger, die sich noch bis zur Grenze durchgeschlagen, fremden Boden hilfesuchend betreten mußten, da war es Deutschland besonders, das ihnen seine Arme öffnete, das sie in seine Familien, an seinen Herd nahm, die Kranken und Verwundeten pflegte und kräftigte, die Armen unterstützte, die Besiegten aufrichtete, mit Trost und Hoffnung und eigener Tat. Feste, Bälle und Konzerte wurden gegeben, um Summen zusammenzubekommen und den Flüchtigen Reisegeld nach Amerika zu verschaffen, und Frauen und Mädchen besonders wetteiferten darin, ihre Sympathien für die zertretene Nationalität der Unglücklichen zu zeigen. Wir trugen in den Schleifen und Zierraten unseres Kostüms nur die polnischen Farben, polnische Flaggen wehten in den erleuchteten Festesräumen, und viele, viele von uns gaben, was sie an Schmuck und goldenen Zierraten besaßen, willig her, um die Spende für die tapferen Krieger zu erhöhen.»

      

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