Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich

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die Schwester, sie von neuem an sich ziehend. «Du böse, böse Frau schreibst ja doch nicht mehr, und da wir nicht länger ohne Nachricht von Dir leben konnten, gab der Vater endlich meinen dringenden Bitten nach und ließ mich ziehen, um Dich selber aufzusuchen. – Aber Sidonie – um Gotteswillen, Du bist krank – Du siehst bleich und elend aus, und strengst Dich dabei noch übermäßig an mit unnützer Arbeit. Was lässest Du die Magd das nicht besorgen?»

       «Die Magd?» sagte die Frau verlegen, wehmütig lächelnd.

       «Nun ja, Herz, oder einen Deiner Leute. – Lieber Himmel, ich habe Dich ja gar nicht wiedererkannt, als ich Dich traf, so blaß, so abgemagert siehst Du aus – daß wir Dich doch nie von uns fortgelassen hätten ! Aber wo ist Dein Mann? Wo Dein Kind? Und hier – hier drinnen in dem kleinen Häuschen wohnst Du wirklich Sommer und Winter?»

       «Olnitzki ist hinauf auf die Jagd gegangen, aber ich erwarte ihn heute zurück, und mein armer kleiner Oskar schläft – er war recht schwer, recht schwer krank, das Kind.»

       «Ich hörte es schon am Weg», sagte Amalie, «aber Du erwartest Deinen Mann h e u t e von der Jagd zurück? – Bleibt er denn auch über Nacht aus?»

       «Selten, aber doch wohl manches Mal.»

       «Und läßt Dich mit den Leuten hier ganz allein?»

       «Mit den Leuten, Amalie?» sagte die Schwester leise und mit einem halb verlegenen, halb schmerzlichen Lächeln zu ihr aufschauend. «Wir leben hier einfacher, als Ihr daheim zu glauben scheint. Der Wald erzeugt wenig Bedürfnisse, und den wenigen zu begegnen, sind wir selbst genug. Wir halten keine Leute.»

       «Keine Leute für das Feld?» rief Amalie erstaunt. «Und Dein Mann bestellt das alles allein?»

       «In der Arbeitszeit nimmt er sich manchmal einen Mann herüber, um ihm zu helfen», sagte die Frau, «aber komm, Sidonie, komm in das Haus; die Herbstsonne sengt Dir noch die Haut, und Du wirst müde von der Reise sein. Auch mußt Du mir erzählen, wie und mit wem Du hierher gekommen, mitten auf Oakland Grove allein und ordentlich aus dem Boden heraufgewachsen. Wie ich Dich so da vor mir stehen sah, glaubt’ ich wahrhaftig erst, ich sähe Deinen Geist. – Aber Du wirst Dir Dein Kleid hier bei uns verderben.»

       «Warum verderben?» lachte Amalie unter zurückgehaltenen Tränen vor, als sie die dünne, fast durchsichtige Hand der Schwester faßte und ihren Arm um ihre Schulter legte, um sie zum Haus zu führen. «Und wenn es wäre, ist es ja doch für die Reise bestimmt.»

       Sie hatten sich indes der Tür genähert, und Sidonie streckte den Arm aus, um sie zu öffnen – aber der Arm zitterte, zögerte, und der Schwester Hand ergreifend und sie plötzlich fest, fast krampfhaft in die ihre pressend, sagte sie mit wie von innerer Bewegung erstickter, hastiger Stimme:

       «Amalie – meine Heimat ist nicht das, was Du, trotz des ärmlichen Aussehens, zu erwarten scheinst – wir leben einfach, fast ärmlich, wie der geringste Waldbewohner im weiten Reich – Du wirst – Du wirst Dich nicht wohl hier bei uns fühlen – k a n n s t es nicht, denn der Abstand aus dem Leben, das Du gerade frisch verlassen, ist zu groß – zu – furchtbar – für Dich heißt das – für den nicht daran Gewöhnten, während wir es nicht besser wissen, nicht besser – verlangen. »

       «Sidonie, um des Heilands Willen, was ist hier vorgegangen?» rief Amalie in Todesangst. «Was verheimlichst Du mir? Was soll die Vorbereitung jetzt bedeuten?»

       «Nichts, Amalie», sagte die Frau jetzt schon gefaßter, «als Dich eben, wie Du es nennst, vorbereiten auf ein wildes, ungewohntes, und, wie Du es ja in Deinen Briefen mir so oft beneidet, ein – romantisches Leben. Schreck’ aber nicht davor zurück – unter der rauhen Außenschale birgt es doch noch oft den süßen Kern, und Hunderte von Familien leben hier im Wald gerad’ wie wir – und glücklich – und zufrieden.»

       «Aber Du?»

       «Ich gehöre zu ihnen», sagte die Frau leise, «bin eine von denselben, und – wenn mir mein Kind erhalten wird – verlange ich nicht mehr.»

       Ihre Sprache war fast zu einem Flüstern herabgesunken, aber ein schwacher Schrei im Inneren machte ihrem Zögern rasch ein Ende. Das kranke Kind war erwacht, und die Mutter, der Schwester kaum noch gedenkend, stieß hastig die aus gespaltenen Brettern roh zusammengesetzte Tür auf, um zu dem Liebling zu eilen. Über dessen Lager gebeugt – und welch ärmliches Bettchen war es für den Grafensohn! – ließ sie die Schwester auf der Schwelle stehen, und Amaliens Blick überflog schaudernd das Innere der ärmlichen Hütte, die ihr, sie mochte sich dagegen stemmen wie sie wollte, gerade mit den Resten mancher Überbleibsel aus früherer, besserer Zeit nur noch trostloser, leerer, verlassener vorkam, als das ärmlichste Blockhaus, das sie bis jetzt im Wald gesehen.

       Die Wände waren kahl und überall von den unverstopften Spalten der übereinander gelegten und nur oberflächlich zusammengefügten Stämme durchbrochen. Nur wo die beiden schmalen, kaum mit dem notdürftigsten Bettzeug belegten Betten standen, hatte vielleicht die Hand der Frau Maisstöcke und Überreste von Kleidungsstücken hineingestopft, um den unmittelbaren Zug wenigstens von dort her abzuhalten. An der einen Wand hing ein zerbrochener Spiegel von starkem, herrlichen Glas, dessen verwitterter, einst reich vergoldet gewesener Rahmen durch Streifen Hickorybast zusammengehalten wurde. Dicht daneben war ein roh gespaltenes Brett durch hölzerne Pflöcke in den dicken Eichenstamm befestigt, und neben einem alten Pulverhorn und ein Paar nachlässig da hinauf geworfenen Sporen, neben Blechbechern und alten Kannen und blechernen Tellern, standen einzelne Obertassen mit abgebrochenen Henkeln und ausgebrochenen Stücken, aber vom feinsten, vergoldeten und gemalte Sévres-Porzellan45. Nur über dem Bett der Frau hingen noch zwei Bilder aus der früheren Zeit – die ihrer Eltern – mit unzerbrochenen Gläsern; aber die Feuchtigkeit des Hauses hatte das Papier so vergilbt und gefleckt, daß sich kaum noch eine Ähnlichkeit erkennen ließ.

       Amalie sah nicht mehr – heiß aufquellende Tränen füllten ihr den Blick, und als sich Sidonie von dem Krankenbett des Kindes aufrichtete, die Hand nach ihr ausstreckte und sie zu dem Lager des armen Kleinen zog, der in einem aus rohen Brettern zusammengenagelten Gestell, aber auf weichen, wohl der Mutter entzogenen Kissen sein Bettchen hatte, da brach die Kraft, die sie sich zugetraut, in einem wilden Tränenstrom sich Bahn. Neben dem Kind niedersinkend, barg sie ihr Haupt an dem Bett und schluchzte laut.

       Sidonie wollte sie aufrichten – wollte sich und den Gatten entschuldigen – wollte l ü g e n, daß sie sich glücklich und zufrieden fühle hier in der freilich einsamen, ungewohnten Welt, aber – sie vermochte es nicht mehr. Das jahrelang ertragene, bestandene Weh hielt jeden Ton, jedes Wort zurück, und bleich, zitternd, mit tränenlosem, stieren Blick stand sie neben der Knieenden und schaute still und regungslos zu Boden.

       Hundegebell vor dem Haus und Pferdegestampfe unterbrach die peinlich werdende Stille. Amalie richtete sich rasch und wie erschreckt empor, und auch Sidonie trat zur Tür und öffnete diese, um den rückkehrenden Gatten zu begrüßen.

       «Hallo the house!» rief dieser schon von weitem die eigene Wohnung an. «Heda, Dony, h u p i h ! Komm heraus, Schatz, und sieh, was ich Dir mitgebracht!»

       Bis dicht vor die Tür sprengte dabei, von der Hand des Reiters gelenkt, das Tier, bis es mit den Hufen die Schwelle betrat und mit dem klugen Kopf die Tür zu öffnen suchte, in der jetzt Sidonie erschien und, vor der Nähe des Pferdes erschreckend, angstvoll den Vater bat, des eigenen Kindes mit dem Lärm zu schonen.

       «Ah, papperlapapp», lachte aber der Mann, «wird ihm nicht gleich ‘was schaden – sieh hier, was ich Dir mitgebracht.» Und in seinen Armen wand sich, mit den gebundenen Pranken vergebens arbeitend, um von den Banden,

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