Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich

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ihrer Schwester und jenes ,Mr. Olnitzki’ bezeichnet, und dann selber aufgefordert, einen Rat zu geben, wie die junge Deutsche am besten und leichtesten mit ihrem Gepäck hinüberkommen könne.

       Jack Owen schien übrigens die letzte Frage ganz zu überhören, denn wie er erfuhr, daß die Fremde eine Schwester der ,Missis Olnitzki’ und über das Weltmeer nur einzig und allein herübergekommen sei, sie zu besuchen, sah er sie mit den klaren, treuherzigen Augen eine ganze Weile ernst und sinnend an, und fing dann auf einmal wieder, ohne ein Wort darauf zu äußern, von vorn an zuzulangen, als ob er bis dahin ganz vergessen habe zu essen.

       «Und können Sie mir nicht etwas Näheres über die Schwester sagen?» bat Amalie. «Ich habe schon so oft und oft gefragt, und wie verschollen schien sie dort im Wald zu wohnen. Niemand konnte mir Rede stehen, niemand erinnerte sich in der Tat sie je gesehen zu haben.»

       «Lieber Gott», sagte der Jäger, ohne sein Essen auch nur auf einen Augenblick zu unterbrechen, «unsere Frauen kommen alle wenig fort; manchmal zu einer Betversammlung oder irgendeinem Nachbarfest beim Klötzerollen oder Deckensteppen40, und da die Nachbarn so dünn gesät sind bei uns, fällt selbst das nicht häufig vor.»

       «Aber Sie kennen sie doch?»

       «Ich – oh gewiß – wohne keine halbe Meile davon.»

       «Und es geht ihr gut?»

       «Das kalte Fieber hat sie neulich einmal ein klein wenig abgeschüttelt, hatte aber nicht viel zu sagen, und ist bald vorübergegangen.»

       «Und ihr Kind? Hat sich das arme kleine Mädchen erholt?»

       «Das Mädchen?» wiederholte der Mann, zum erstenmal zu ihr aufschauend. «Der Knabe, meinen Sie.»

       «Hat Sidonie einen Knaben?» rief Amelie überrascht.

       «Hm», meinte der Jäger, sich ein neues Stück Wildbret auf den Teller nehmend, «seit wann haben Sie denn eigentlich keine Nachricht von ihr gehabt?»

       «Seit über zwei Jahren.»

       «Lieber Gott», sagte die alte Mrs. Rosemore.

       «Dann freilich», brummte der Jäger halblaut vor sich hin, «seit der Zeit ist das Mädchen gestorben und vor einigen Monaten ein Knabe geboren worden, und d a s Kind allerdings ist jetzt schwer krank.»

       «Das Mädchen tot – Du großer Gott – die arme, arme Sidonie.»

       «Das Herz wird ihr wohl zu voll und schwer gewesen sein, um in der Zeit Briefe zu schreiben», sagte die Matrone bedauernd, «ja, aus s p r e c h e n und aus w e i n e n mag man sich dann wohl gern, aber zum Schreiben zwingt man die Hand da nicht.»

       «Aber wie bekommt die Fremde die vielen Sachen hinüber, Mr. Owen?» fiel Sarah hier ein, um Amalie zu zerstreuen, daß sie sich nicht dem traurigen Gedanken zu sehr hingäbe. «Es wird schwer sein, das alles zu Pferde zu transportieren.»

       «Ist’s denn so viel?» frug Jack Owen.

       «Ei, die beiden Kisten hier, dann jene Koffer dort, und diese Schachteln und Reisesäcke.»

       «Hm, das allerdings – packt sich auch verd – ungemein schlecht auf ein Pferd; aber das ist das Wenigste – sind es Sachen für Mrs. Olnitzki bestimmt?»

       «Zum großen Teil, wie auch mein eigenes Gepäck.»

       «Sehr gut, dann schaffen wir auch Rat», sagte der Jäger gutmütig, «solltet Ihr nicht mit Eurem kleinen Wagen über die greenbriar ridge41 hinüberkommen können, Rosemore? Nachher geht’s glatt und leicht durch den offenen Wald, dicht an der Bayou hin.»

       «Über die greenbriar ridge mit dem Wagen, Mann», sagte aber der Alte, dabei mit dem Kopf schüttelnd, «wo denkt Ihr hin; da müßten wir erst eine ordentliche Straße durch brushy hollow aushauen, und blieben nachher noch immer im Sumpf an der anderen Seite stecken. Nein, nicht in acht Tagen brächten wir das fertig, aber mit den Tieren an der overcup flat hin geht es ganz gut; die Kisten und Koffer sind eben nicht übermäßig schwer und lassen sich recht gut auf einen Packsattel laden. Freilich muß man nachher tüchtig im Wald herumlavieren, um freie Bahn durch die Bäume durchzufinden, aber es geht doch, und ich getraue mich, sie in fünf bis sechs Stunden hinüberzuführen.»

       «Aber Euer Falbe wird das nicht tragen wollen.»

       «Bah, ich habe gerade Widdersons beide Maultiere in meiner Fenz, die er von Santa-Fé mitgebracht hat und nach Batesville hinaufnehmen will, die mögen ihr Futter abverdienen.»

       «Das wäre vortrefflich!» rief Jack Owen. «Wann wird aber die Dame nach Olnitzkis zu aufbrechen wollen?»

       «Oh, sobald nur irgend möglich!» rief Fräulein v. Seebald. «Ich ginge die Nacht hindurch, um die Schwester nur eine Stunde früher zu sehen, zu begrüßen.»

       «Das möchte uns durch d e n Wald doch wohl schwer werden», lachte der Jäger gutmütig, «aber morgen mit Tagesanbruch steh’ ich zu Diensten und bin gern bereit, Sie hinüberzuführen. Ich gehe doch nach Haus.»

       «Aber nicht vor dem Frühstück», fiel ihnen hier Mrs. Rosemore in die Rede, «mit leerem Magen verläßt niemand mein Haus, wenn ich’s verhindern kann, und die Mädchen werden schon früh auf sein, daß es nicht zu lange dauert.»

       Amalie v. Seebald fügte sich gern dem freundlichen Wunsch, noch dazu, da sie ihren Führer nicht auch vor dem Frühstück fortziehen mochte, und die Männer besahen sich jetzt das Gepäck und trafen ihre Einteilung mit den Packen, die auf die beiden Maultiere verteilt werden sollten. Nachher wollte Jack Owen selber noch einmal mit seinem Pferd zurückkommen und den Rest nachholen. Die Maultiere sollte Bill Jones selber mit seinem Knecht hinüberbringen, Jack Owen aber wollte rascher mit der Lady voraus nach Olnitzkis improvement gehen.

       Der Morgen kam, und mit klopfendem Herzen hatte Amalie ihre Vorbereitungen zu dem Marsch getroffen, als Jack Owen, nach beendigtem Frühstück, einen Damensattel auf sein Pferd geschnallt, vor der Tür erschien und die Lady einlud, sein Tier zu besteigen, während er selber zu Fuß voranging. Die junge Dame gestand jetzt freilich mit Erröten, daß sie noch nie auf einem Pferd gesessen, der Einwand wurde aber nicht beachtet; Jack Owens Pony war anerkannt das frömmste Tier in der range, ließ vor und neben sich schießen, wie der Reiter gerade Lust hatte, und ging seinen festen, sicheren Schritt ruhig fort, fast wie ein Maultier. Die Mädchen halfen ihr dabei lachend in den Sattel, ordneten ihre Kleider, gaben ihr eine kleine Gerte in die Hand, um das Tier vorwärts zu treiben, und Jack Owen, mit der Büchse auf der Schulter, von fünf mächtigen Rüden umbellt, schritt ihr voran in den dunklen Wald hinein.

      * * *

      ZWEITES KAPITEL

      Die Gräfin Olnitzka.

       Im Anfang hatte Amalie v. Seebald genug mit ihrem Pferd und dem neuen Sitz zu tun, auf dem sie sich noch nicht sicher fühlte, und deshalb auch nicht wohlbefinden konnte; das Ungewohnte der Bewegung dabei und das öftere Anstreifen an die überhängenden Büsche nahmen ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, und ließ sie sich ängstlich an den Knopf des Sattels anhalten, um nicht herunterzufallen, wie sie immer noch fürchtete. Das gutmütige Tier, das Jack Owen auf seinen Jagden schon so abgerichtet hatte, ihm wie ein Hund zu folgen, ging aber einen so ruhigen, sicheren Schritt und kümmerte sich so gar nicht um die wild und fröhlich

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