Tanz der Aranaea. Roman Ludwig Lukitsch

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Tanz der Aranaea - Roman Ludwig Lukitsch

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      Marseille ist keine ansehnliche Stadt, dachte ich mir beim hinab sehen. Und dennoch, die Atmosphäre der südlichen Küste, das Mittelmeer. Ihre Tradition und ihre Mythen. Pinien, Seefichten, Palmen, Eukalypten und Lavendelbüsche. Gegenüber Afrika. Keine Abbildung, keine Erklärung kann das wiedergeben, was diese zärtlichen Majestäten Landschaft und Menschen in den Gefühlszonen sichtbar machte. Ach diese wunderbaren charmanten Franzosen. Ich gab mich völlig in meine poetische Veranlagung, die ich glaube zu besitzen. Die Poesie jedoch war nur von kurzer Dauer.

      »Verdammt noch mal, Tonton - es regnet und uns gefriert es! Du musst doch endlich fertig sein mit die Beten!« Zouzou, die charmante algerische Französin schrie es laut durch das Wagenfenster.

      »Ich komme ja schon«, maulte ich. Vorbei war es mit Poesie und Pinien. Es folgte nun Bucht auf Bucht, ins Gebirge hinauf, zum Meer hinunter. Die Bai von Cassis und ihrem vorspringendem Kap. Ein tolles gewaltiges mit drei Höckern in die Flut vorspringendes Kap.

      La Ciotat. Bandol. Etwa zwanzig Kilometer vor Toulon, der Ort Sanary begleitet von Hügel, die man mit der Hand nachziehen möchte. Ich sog alle Eindrücke in mich auf. In den Wüsten Afrikas dachte ich oft an die Schönheiten Europas. Ein Felsblock mit Leuchtturm. Segelboote. Rote Felsen. Villen auf der Anhöhe mit Parken. Verrückte Namen besaßen diese Häuser. Das eine oder andere, an dem wir vorbei kamen, hieß "Zingarella" oder "Bao-Bab". Oder "Gai logis". Verrückt diese Franzosen und so Genial. Verrückt ihre Namen. Zouzou Zizanie; Loulou; Mischou und Toutou und Tonton und was es noch alles gibt. Wir fuhren in einen Ort namens Sanary. Enge Gassen, und Häuser, rosa gestrichen mit grünen Fensterläden. Für mich, seltsam anmutend. Ich wusste, dass Thomas und Heinrich Mann einst hier einige Zeit ihres Lebens verbrachten.

      »Thomas und Heinrich Mann haben hier als Exulanten gewohnt«, sagte ich zu Zouzou und Loulou.

      »Viele deutsche Exulanten haben hier nach 1933 gelebt«, erwiderte Sabi Loulou.

      »So viel Zauber neben so viel Leid, und soviel Glück der Natur, neben so viel Isoliertheit, Tonton!«

      Zouzou überraschte mich mit diesen Sentenzen, mehr noch, sie verwirrten mich vollends. Eine eigenartige Stimmung legte sich auf uns drei. Wir waren ein jeder von uns ausgesprochene Individualisten. Jeder zog sein Leben ab, unbeirrt und auf seine eigene Weise. Und doch waren wir in diesem Augenblick ein Gedanke und ein Gefühl. Wir wussten, dass wir uns aufeinander bedingungslos verlassen konnten. Ein Gefühl das Wirklichkeit geworden war, und für unser Vorhaben auch nötig. Zum Überleben notwendig. Ich dachte in diesem Augenblick an die schönen Sätze, die Kurt Tucholsky geschrieben hatte. „Schön ist Beisammensein. Die Haut friert nicht. Alles ist leise und gut. Das Herz schlägt ruhig.“ In solchen Augenblicken liebte ich die beiden besonders und ich wünschte mir, dass diese Reise nie ein Ende haben möge. Dieses Gefühl könnte bis Mali reichen. Es wurde immer wieder auf grausame Weise, wenn auch nur für kurze Zeit, auf Eis gelegt. Dieses Mal war es der Vorschlag, da wir nun mal in einer alten Fischerstadt waren, eines dieser Fischlokale aufzusuchen, um schleimige eklige Tintenfisch-köpfe oder glitschige Austern zu essen. Und dies bei meinem malträtierten Escorial Grün, Magen.

      Es regnete nicht mehr. Die Sonne schien wieder und ein lauer Wind wehte die Küste entlang. Die beiden suchten sich ein Fischlokal, und ich zog mir das blaue Beret Basque von Zouzou über die Ohren. Ich suchte mir einen Platz an der Küste. Steinchen werfend in das Meer, hing ich meinen Gedanken nach. Tobruk, Alexandrien und die Libysche Wüste fielen mir wieder ein.

      ***

       Erinnerungen an Tobruk, Libyen 1942.

       Es war schon dunkel als wir den Djebel vor Tobruk erreichten. In Panik schossen wir das italienische Zeltlazarett zusammen. Danach stürmten wir kopflos hinaus in die Libysche Wüste. Jeder für sich alleine. Am anderen Morgen fanden wir uns wieder in einem kleinen Wadi. Wir froren

       entsetzlich. Unser "Battle dress“, der aus langen Hosen mit weiten Hosentaschen für die Handgranaten und einem dunklen Pullover bestand, war durchschwitzt und völlig verschmutzt. Die Gesichter hatten wir uns vor den Kampfhandlungen, zur Tarnung mit Ruß, dunkel gefärbt. Die Bartstoppeln drückten sich durch die dünne Schicht aus Ruß und der Schweiß, vermischt mit feinem Pulversand zogen breite Bahnen über das Gesicht. Die Baskenmützen, die wir uns tief in die Stirn zogen, um uns vor der Sonne zu schützen, und die umgehängten Maschinenpistolen, ließen uns aussehen wie eine Horde Wildsäue im Hochmoor.

       Am Tage erreichte es Bodentemperaturen von über 70 Grad Celsius, und nachts fiel das Thermometer auf zehn Grad Celsius.

       Tim Johnson, Walt Baker, Greg Harris, Benny Moore, und ich, mit dem Alias, John Walker, waren die wenige Überlebenden der Desert Group. Sie nannten mich "Bottle Jonny“, in Anspielung auf mein Alias "John Walker“, und einer bekannten Whisky-Marke. Dabei trank ich doch gar keinen Whisky, oder nur selten.

       Diesem Schreibstubenhengst, der mir das englische Soldbuch mit diesen komischen Namen verpasste, sollte die Schwindsucht heimsuchen, dachte ich mir immer wieder.

       Immerhin war ich nur Gast bei den Deserts, und Gäste sollten zuvorkommend behandelt werden. Den Jungs war das egal. Sie behandelten mich wie ein dazu gehörender Soldat. Folglich musste ich das tun, was in Kampf- und Partisaneneinsätzen so üblich ist.

       Wir gehörten zum Rest aus John Haseldens "Long Range Desert Group“. Wir und die "Jock"-Kolonnen, die Kampfgruppen des Brigadiers Jock Campell, waren die Gegenspieler der deutschen "Brandenburger“.

       Weder die deutschen Brandenburger noch die Long Range Deserts, und schon gar nicht die "Jock"-Kolonnen, waren ein Verein für Betschwestern.

       Es gab nur einen Befehl und der hieß: "In den Rücken des Feindes und alles angreifen, was euch unter die Augen kommt! Keine Gefangene! "

       Nachdem wir uns in unserem kleinen Versteck erholt hatten, zogen wir in südlicher Richtung weiter. Der Weg entlang der Küste zur Grenze Libyen-Ägypten war uns zu gefährlich. Die deutschen Truppen beherrschten dieses Gebiet bis weit nach Ägypten hinein. Bis El-Alamain. Uns blieb nur der Weg nach Süden zu den Kufra Oasen, dem Hauptquartier der Long Range Desert Group, und das waren immerhin 1000 Kilometer Luftlinie durch schlimmstes Wüstenterrain. Eben wie ein Teller war die Steinwüste südlich von Tobruk. Weit und breit keine Erhebung. Kein Haus und kein Strauch. Keine Deckung für uns und kein Versteck. Gar nichts. Nur Steine und Sand. Im Eilmarsch rannten wir durch die Einöde. Die deutschen Truppen durchkämmten mit Sicherheit das Gebiet um Tobruk nach versprengten britischen Einheiten. Nach etwa dreißig Kilometer erreichten wir den Wüsten Ort El-'Adem in der Steppe von Marmarika.

       Vorsichtig schlichen wir uns an den Ortsrand und fanden Unterschlupf in einer der zahlreichen Häuserruinen. Hier war vor einiger Zeit noch ein Hauptverbandsplatz der deutschen Armee eingerichtet. Wahrscheinlich wurde er inzwischen näher an den Frontverlauf gebracht, in Richtung nach El-Alamain. Wenige gut markierte Zelte waren noch hier. Besser markiert als die italienische Lazarettanlage bei Tobruk, die wir versehentlich zusammenschossen.

       El-'Adem schien wie ausgestorben. Ab und zu ein Araber. Sie gingen in unnachahmlichem Stolz und in äußerst aufrechter Haltung über die aufgepflügten Wege. Sie schien das alles nichts anzugehen. Sie wunderten sich nur, dass die verrückten "Inglisis" und "Alemanis" alle diese Strapazen auf sich luden, um sich im fernen Afrika zu massakrieren. Es käme ihnen niemals in den Sinn, sich mit Feinden im fernen Europa Panzerschlachten zu liefern. Die hoch intelligenten Europäer taten dies in Afrika oder sonst wo in der Welt. Die Araber

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