Hüben und Drüben. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Hüben und Drüben - Gerstäcker Friedrich страница 31
Während sie noch so plauderte, waren sie auf den offenen Raum hinausgetreten, und der junge Forstgehülfe sah hier /122/ allerdings eine vollständig neue Welt, die sich ihm, je weiter er hineindrang, mehr und mehr erschloß.
Das mußte eine uralte Stadt sein, die hier unten im Grunde lag, denn die Häuser sahen alle grau und verwittert genug aus, und auf den Dächern und Mauern wuchs Hauslauch in ganzen Büscheln, während von manchen Dachrinnen das Moos in langen grünen Quasten bis fast zur Erde niederhing. Aber die Fenster sahen trotzdem spiegelblank aus, und jedes Haus hatte seinen kleinen freundlichen Garten, in welchem, trotzdem daß oben auf der Erde jetzt Schnee lag und tiefer Winter war, die schönsten Blumen wuchsen und reife Stachelbeeren, Kirschen und Pflaumen hingen.
Links am Eingang lag ein reizendes kleines Landhaus mit einem schmalen, aber langen Teich, der es halb umschloß und auf dem die wundervollsten Wasserlilien wuchsen.
„Da wohnt die Frau Holle," sagte die Maid, „wenn sie manchmal zu uns auf Besuch kommt."
„Die Frau Holle? - ist es denn möglich? Und da drüben wohnt wohl der Förster? Zu dem könnten wir vielleicht einmal hineingehen und ihm guten Tag sagen."
„Ja nicht!" warnte aber das Mädchen; „wir wüßten nicht, wie wir empfangen würden und ob er gerad' bei guter Laune wäre. Das ist auch nicht das Forsthaus, sondern da haust der Graf Hackelnberg, und manchmal ist er gut und freundlich mit den Leuten, manchmal aber, wenn er seinen bösen Tag hat, hetzt er die Hunde auf sie und treibt allerlei Unfug. Das ist und bleibt ein wilder Gesell."
Raischbach war stehen geblieben und besah sich das Haus - es war ein graues, aus Stein ausgeführtes Gebäude, fast wie eine Forstei, nur hinten mit einem kleinen Wartthurm, über der Thür aber ein mächtiges Hirschgeweih von einem Zweiunddreißig-Ender befestigt, wie sie jetzt gar nicht mehr im Walde vorkommen, und auch unter dem Giebel mit einer Menge von Jagdtrophäen geschmückt.
Das Mädchen zog ihn aber weiter, denn es kamen eine Menge Leute die Straße herunter. Sie sahen den jungen Fremden wohl verwundert an, grüßten doch aber Alle freundlich und ließen ihn ungehindert ziehen - nur ein anderes junges /123/ Mädchen ergriff seine Begleiterin am Arm, zog sie ein wenig bei Seite und flüsterte ihr, aber laut genug, daß es Raischbach hören konnte, zu: „Wen hast Du denn da aufgegabelt und wo kommt der her?"
„'s ist blos ein Besuch," sagte aber die Maid, „ein braver junger Mensch, der sich einmal bei uns umsehen will."
„Aber darf er denn das?"
„Und warum nicht? - wer kann's ihm wehren? Er nimmt ja nichts mit fort."
Das andere Mädchen schüttelte mit dem Kopf, als ob ihr die Sache nicht recht wäre, oder doch sonderbar vorkäme, sagte aber nichts weiter, sondern nickte nur „Grüß Gott" und folgte den Anderen.
Den Weg herunter und ihr folgend kam jetzt eine alte Frau an einem Krückstock, die aber, als sie den Fremden sah, mitten in der Straße stehen blieb und ihn groß betrachtete.
„Grüß die!" flüsterte da die Maid dem jungen Jäger wie ängstlich zu - „sei fein höflich, sonst wird sie bös."
Raischbach folgte ihrem Rath, die Alte hatte in der That ein bitterböses Gesicht; als er aber sehr höflich seinen Hut zog, heiterte es sich etwas auf. Sie murmelte nur ein paar unverständliche Worte aus ihrem zahnlosen Mund und humpelte dann vorüber.
„Wer war denn das?" sagte der junge Forstgehülfe, als sie sich außer Hörweite von ihr befanden.
„Kennst Du die nicht einmal?" lachte das Mädchen - „die alte Urschel vom Urschelberg drüben, die manchmal hier bei uns zuspricht; da kommen auch ihre drei Nachtfräulein; die sind aber gut und brav."
Drei bildschöne, weißgekleidete Jungfrauen schritten mit niedergeschlagenen Augen an ihnen vorüber; ehe sie aber Bernhard ordentlich betrachten konnte, hörte er donnernde Hufschläge dicht hinter sich auf der Straße und hatte wirklich kaum Zeit, bei Seite zu springen, als auch schon ein milchweißes Roß mit einer in grünen Sammet gekleideten Reiterin an ihm vorüberflog. Von ihrem Haupt wehten lange, rabenschwarze Locken aus, von ihrem Barett schwankten lange, prachtvolle Reiherfedern, und auf der linken Faust hielt sie eine mächtige /
124/ Eule, die sich fortwährend gegen den Wind duckte und die Flügel halb ausbreitete, als ob sie eben abstreichen wolle.
Der junge Forstgehülfe wollte sich eben wieder erstaunt zu seiner Führerin wenden, als die wilde Reiterin ihren Zelter plötzlich auf den Hinterbeinen herumwarf, daß die Eule bei der unerwarteten Bewegung kaum ihren Stand bewahren konnte. So zügelte sie ihr Thier vor dem Jäger ein, dessen Beruf sie wohl rasch an der Kleidung erkannt hatte, und rief: „Hallo, wen haben wir da? Waidmanns Heil, mein Bursch! woher des Weges?"
„Von droben, Fräulein Berchta," sagte da seine junge Begleiterin; „aus dem Spessart herunter; er ist nur zum Besuch gekommen."
„Hat er Dich besucht, Schatz?" lachte die junge Dame, „und kann er nicht selber Red' und Antwort stehen?"
„Doch, Fräulein," sagte der Forstmann, der sich rasch gesammelt hatte und jetzt schon anfing, gar nichts Außerordentliches mehr in all' dem Wunderbaren zu finden, das ihn hier umgab; „ich kann wohl selber reden, hoffe aber, daß ich hier unten Niemandem zur Last falle, sonst gehe ich eben wieder meiner Wege."
„Ei, ein Waidmann ist überall willkommen," lachte die junge Dame; „wenn Ihr da oben auch jetzt Eure Jägerei treibt, daß es eine Sünd' und Schande ist - ich weiß wohl," winkte sie mit der rechten Hand - „Ihr Forstleute könnt nichts dafür, und seid eigentlich jetzt mehr Schreiber als Jäger da oben im schönen Wald. Beim Himmel! was das da für ein ewiges Geklopfe und Gehacke ist, und ein Baum nach dem andern wird umgehauen und aus dem herrlichsten Wald elendes Rübenfeld gemacht. Aber ich will mich nicht ärgern, denn wenn ich nur dran denke, läuft mir schon die Galle über," brach sie kurz ab. „Kommt nachher einmal in die Wolfsschlucht - heut Nachmittag sind wir da Alle zusammen, daß wir ein vernünftiges Wort mitsammen reden können - jetzt hab' ich keine Zeit," und ihren Schimmel wieder herumwerfend, flog sie, wie sie gekommen, die Straße hinab. „War denn das die Fräulein Berchta, die mit dem wilden /125/ Jäger sonst geritten ist?" frug Bernhard erstaunt seine Begleiterin.
„Gelt, das ist ein stolzes Weibsen!" nickte diese, „aber gewiß war sie's, mit der Tut-Osel auf der Faust, wie sie immer ausreitet, oder den großen häßlichen Vogel auch manchmal hinter sich herfliegen läßt. Wild ist sie aber noch immer und kann das alte Leben wohl am schwersten von Allen vergessen."
„Aber wo ist hier die Wolfsschlucht? - oben kenne ich eine, doch hier unten -"
„Da drüben steht sie!" lachte die Maid, auf ein breites, sehr wohnliches Haus deutend - „das ist der Gasthof im Ort, den der alte Eckardt hier unten hält."
„Der getreue Eckardt?"
„Ja gewiß."
„Und der ist Wirth geworden?"
„Und warum sollte er nicht? Der alte Wirth war reich und bequem geworden und hatte das Geschäft aufgegeben; es wollt' auch eigentlich Keiner mehr zu ihm, denn er betrog die Leut' zu sehr. Da hat's der alte gute Eckardt übernommen, denn ein Wirthshaus mußten wir doch haben, und zu dem geht jetzt Alles - unten hinein das Volk und oben im ersten Stock hat er auch ein Casino angelegt für die Vornehmen."
„'s ist rein