Hüben und Drüben. Gerstäcker Friedrich

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Hüben und Drüben - Gerstäcker Friedrich

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er es selbst recht wußte, wieder ganz in die Nähe der Stelle gekommen, wo er gestern den Hirsch geschossen hatte, und plötzlich stand er an der Steinwand des „Fuchsbaues" und sah sich auf's Neue dem geheimnißvollen Platz gegenüber, von dem ihm der alte Förster gestern so viel erzählt.

      Eigentlich war's ihm recht - nach dem langen Bürschgang that ihm ein wenig Ruhe wohl, und der Platz lag hier so kühl, heimlich und versteckt, daß er da recht gut eine halbe Stunde rasten konnte. Er warf sich, die Büchse neben sich, auf das schwellende Moos nieder, nahm einen Schluck aus seiner Feldflasche, zündete sich dann die kurze Pfeife an und schaute, in dem behaglichen Gefühl ungestörten Alleinseins, in die wunderliche Schlucht vor sich hinab, die sich zu seinen Füßen ausdehnte.

      Also dort hatte einmal ein volkreicher Ort gestanden, der mit Mann und Maus, und ohne eine Spur zu hinterlassen, in die Tiefe gesunken sein sollte, und wie tief eigentlich, daß nicht einmal die vergoldete Kuppel des Kirchthurms mehr aus dem Moor hervorragte. - Und wenn man dort nun einmal /102/ nachgrübe nach der alten Herrlichkeit, was für wunderbare Alterthümer müßten da zum Vorschein kommen, und lohnen würd' es gewiß. Aber wer sollte graben? - das wäre jedenfalls eine Heidenarbeit gewesen, und stand dann nicht das Wasser an der selbst oben nassen Stelle? Man würde nur gewiß einen neuen See gebildet haben und hätte schon ein Dampfpumpwerk anlegen müssen, um nur des nassen Elementes Herr zu werden, und was kostete das?

      Und dort drunten sollte der wilde Jäger seinen Herd gehabt und Nachts seine Schaaren gesammelt haben und aus gefahren sein mit Halloh und Hussah und Rüdengebell! - Wer das einmal, so aus einem stillen Versteck, hätte mitansehen können!

      „Hol's der Henker!" brummte Raischbach vor sich hin, indem er sich mit seinem rechten Ellenbogen etwas tiefer in das Moos hineinbohrte, um bequemer zu liegen, „daß das Alles nur lauter Sagen sind und blos die Großväter und Urgroßväter etwas Derartiges mit erlebt haben! Wenn das doch Unsereinem auch einmal begegnen könnte, daß man später im Stande wäre, seinen Kindern etwas davon zu erzählen. - Ja, seinen Kindern," setzte er in den Bart brummend hinzu - „damit hat's auch noch Zeit - ein Forstgehülfe und heirathen. Ja, wenn einmal so ein hübsches Erdweible käm', wie vor alten Zeiten manchmal - und Einem eine Schürze voll goldener Tannenzapfen brächte!"

      Unwillkürlich griff seine Hand, ohne daß er mit dem Körper auch nur die geringste Bewegung gemacht hätte, nach der neben ihm liegenden Büchse, denn nicht weit von ihm knackte ein dürrer Zweig, als ob irgend ein schwerer Körper darauf getreten hätte. Herr Gott, wenn das „sein" Bock gewesen wäre, der hier oben am Rand der Schlucht vielleicht spazieren ging und ihm derart von selber in's Rohr lief! Der wäre jetzt recht gewesen, und im Nu hatte er alle anderen Gedanken vom wilden Jäger und Erdweible total vergessen und dachte nur an seine Jagd.

      Jetzt knackte es wieder - das konnte ein Stück Wild, aber auch recht gut der Bock sein, und leise und vorsichtig drehte er den Kopf zur Seite, um nur erst einmal einen Schimmer von dem Nahenden zu bekommen. /103/ „Alle Wetter!" brummte er aber im nächsten Augenblick, als er etwas Buntes durch die Zweige schillern sah und jetzt enttäuscht erkannte, daß das auf keinen Fall sein Bock sein konnte, denn der trug kein buntfarbiges Tuch um sein Gehörn, „ob Einem die verwünschten Beerensucher und Holzleser nicht jeden Bürschgang verderben!"

      Unwillig richtete er sich in die Höhe, um die Nahenden mit einem Wetter anzufahren, was sie hier zu suchen hätten, brachte aber keinen Laut über die Lippen, als plötzlich ein reizendes Mädchen von kaum siebzehn Jahren aus dem Gebüsch trat und bei seinem Anblick halb erschreckt halten blieb.

      Merkwürdig! sie war in eine ganz fremdartige Tracht gekleidet, wie er ihr wenigstens hier in den Bergen noch nie begegnet, und sah dabei so blaß und wachsähnlich aus. Aber was für wundervolle Augen sie hatte, und wie groß und erstaunt sie ihn dabei ansah! Fürchtete sie sich vor ihm?

      „Grüß Gott, Mädel!" sagte der junge Forstmann, halb verdutzt ordentlich von der lieblichen Erscheinung, und sein Blick flog über sie hin - aber das war keine Beerensucherin oder Reisigsammlerin; sie trug keinen Korb, weder am Arm noch auf dem Rücken, sondern ging sogar, mitten in der Woche, in ihren Sonntagsstaat gekleidet.

      „Grüß Gott!" sagte die Jungfrau leise, und ihr Blick flog dabei nach dem Grund hinab, als ob sie sich einen Weg zur Flucht suche - „wo - wo kommt Ihr da auf einmal her?"

      „Ja, das möcht' ich Dich fragen, Kind!" erwiderte der, „ich gehöre hierher - aber fürcht' Dich nicht, ich thu' Dir nichts.“

      „Ich fürcht‘ mich auch nicht“, sagte die Maid, aber mit einem ganz eigenen, fremdartigen Dialekt; „ich steh' überall in Gottes Hand; aber ich hatte den Weg im Wald verloren, und jetzt weiß ich erst wieder, wo ich daheim bin."

      „Wo Du daheim bist?" rief Bernhard - „aber wo bist Du daheim, Schatz, darf ich's nicht wissen?"

      „Und warum nicht! - im Bau bin ich daheim."

      „Im Bau!" rief der junge Forstgehülfe erschreckt aus, in/104/dem er einen scheuen Blick nach dem Grund hinunter warf, „aus dem Bau kommst Du, Mädel, und dort ist Deine Heimath?"

      „Ei gewiß," nickte die Maid, „und wer seid Ihr?"

      „Der Forstgehülfe Raischbach vom Revier - aber es ist ja doch nicht möglich, daß Du im Bau wohnst - und wohin willst Du jetzt?"

      „Wieder heim, da hinab - jetzt ist's nimmer weit," sagte sie und deutete mit der Hand den schmalen Pfad hinab, der in den Grund hinunter führte.

      „Du hast mich nur zum Besten, Mädel!" rief Raischbach, der gar nicht wußte, was er von dem Allen denken sollte - „unten im Bau -"

      Er schrak zusammen, denn kaum hundert Schritt von dort, im Dickicht drin, fiel ein Schuß - war das ein Wilderer?

      „Grüß Gott - ich muß heim!" rief das Mädchen und schlüpfte wie ein Reh am Abgrund hin.

      „Bleib, Kind, nur einen Augenblick!" bat der junge Mann und drehte unwillkürlich den Kopf nach der Richtung zu, in der er den verdächtigen Schuß gehört; als er ihn aber wieder wandte, war die Maid verschwunden, und wie er ein paar Schritte den Pfad hinab ihr nachsprang, konnte er ihr buntes Tuch nirgends mehr in den Büschen erkennen. - Wie in den Boden hinein war sie weg.

      Ein paar Secunden stand der junge Mann unschlüssig auf der Stelle. Sollte er ihr nach? - ihr folgen? - Aber der Schuß - seine Pflicht rief ihn dorthin, den Moment durfte er nicht versäumen, und seine Büchse aufgreifend, sprang er so leise, aber auch so rasch als möglich einen schmalen Wildpfad entlang, der ihn in das Dickicht brachte. Dort dauerte es auch nicht lange, daß er das Aufstoßen eines Ladestocks hörte, und durch das Gebüsch schlüpfend, fand er sich im nächsten Augenblick - einem ihrer Kreiser gegenüber.

      „Hallo, Metzler, und nach was habt Ihr hier geschossen?" sagte er enttäuscht, indem er sich aufrichtete und auf ihn zutrat.

      „Hallo, Herr Raischbach, wo kommen Sie denn auf einmal her? - kriegt' ich doch jetzt einen ordentlichen Schreck. - Den Habicht da hab' ich geschossen, der einen Hasen gekrallt /105/ hatte und scharf dabei war, ihn anzuschneiden. Wie er mich merkte, brauchte er eine ganze Weile, um loszukommen, und ich behielt reichlich Zeit, ihm eins auf den Pelz zu brennen. Waren Sie auf der Bürsche?"

      Gerade wo er stand, lag in der That der eben geschossene Raubvogel und gar nicht weit davon entfernt der arme Hase, auf den er, wahrscheinlich von einem Zweig herab, niedergestoßen war, als ihn der Kreiser bei seiner Mahlzeit überraschte.

      „Hm," sagte Raischbach, „ich bin dem starken Bock zu Gefallen gegangen, den wir gestern gesehen haben."

      „Ja,"

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