Hüben und Drüben. Gerstäcker Friedrich

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Hüben und Drüben - Gerstäcker Friedrich

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denn mein Großvater wollte sich noch erinnern, ihn gesehen zu haben. Seichter war er aber mit den Jahren geworden, zuletzt sickerte er ganz weg, und heutzutage ist nur noch der moorige Grund geblieben, den aber kein Mensch, nicht einmal ein Stück Wild betritt. - Nur die Füchse hausen da drin und finden da allerdings gar vortrefflichen Schutz."

      „Aber haben Sie mir nicht selber gesagt, Sie hätten schon einen Hund da drin verloren?"

      „Allerdings - aber der Hund ist allein hineingelaufen, ich selber war nie drin und hab' auch nie nachgeschaut, wo er geblieben sein kann. Jedenfalls ist er in eine der Spalten gestürzt. Was hat der Jäger auch dort unten zu suchen? Wild steht dort nicht - und sei's nur aus dem Grunde, daß sie nirgends wieder auskönnen, wenn ihnen der einzige hineinführende Wechsel verstellt wird. Das ganze Terrain ist wie eine große Art Falle, und vor solchen Plätzen scheuen sie sich; außerdem mag aber auch die Aesung auf dem feuchten Boden sauer schmecken, denn von oben hinab sieht man eigentlich nichts als Haidekraut und eine Art schilfiges Gras und Schachtelhalm."

      „Aber was für ein Spuk war der, Förster, von dem Sie sprachen?" sagte der junge Mann, durch das Alles neugierig gemacht - „der Spuk, der einem frommen Christen nichts anhaben könne?"

      „Hm," brummte der Alte, doch nicht ganz sicher, wie seine Erzählung aufgenommen werden könne. „In neuerer Zeit hat man lange nichts mehr davon gehört -"

      „Aber in früheren Jahren?" /98/

      „Da soll das alte Nest da drin ein Hauptplatz für derlei gewesen sein," nickte der Alte; „man darf freilich nicht Alles glauben, was die Leute erzählen," setzte er gewissermaßen entschuldigend hinzu, „aber wenn nur die Hälfte von dem wahr wäre, reichte es aus. Daß der wilde Jäger hier im Spessart seinen Hauptsitz hatte, ist allbekannt. Von hier ging er aus - hierher kam er zurück, wenn er vor der Morgendämmerung seine tolle Meute wieder eintrieb, und die Kreiser, bei denen sich die Erzählung von Vater auf Sohn vererbt hat, viele Geschlechter durch, behaupten, daß er dort in dem versunkenen Bau eingefahren sei wie ein Fuchs, und es nachher noch Stunden lang da drinnen getobt und gelärmt habe, als ob ein unterirdischer Donner durch den Wald führe. Irrwische sind da drunten genug gesehen worden, und nirgends hat's mehr Erd- und Waldweible gegeben, als in der Gegend. Manchem Förster - vor meiner Zeit, denn ich müßte lügen, wenn ich 'was Derartiges behaupten wollte - sind auch Bewohner des weggesunkenen Ortes erschienen - einmal einem Jäger - einem fürstlichen Herrn - ein bildhübsches Mädchen in fremdartiger Tracht, die aber kein Wort gesprochen, sondern nur gewinkt hat, bis er ihr gefolgt ist. Der ist er nachgestiegen in den Kessel hinein - der Jägerbursche, den er bei sich gehabt und der ihm nicht folgen durfte, hat's erzählt, und am Abend haben sie ihn da drin gefunden, todtenbleich - und er war tiefsinnig geworden und hat nie im Leben wieder gelacht oder auch nur verkündet, was er dort unten gesehen. Er durft's wohl nicht."

      „Hm, das sind ja wunderbare Geschichten von dem alten Bau," sagte der junge Forstgehülfe kopfschüttelnd, „mir ist nur merkwürdig, daß ich noch kein Wort davon gehört."

      „Bei uns wär' wohl schon oft davon gesprochen," sagte der Alte, „aber wir thun's nicht gern, wenn die alte Lisel dabei ist."

      „Die Lisel?" sagte Raischbach erstaunt.

      „Ahem," nickte der Förster. „Wenn sie den Ort nur nennen hört, steht sie jedesmal auf, geht hinaus und setzt sich in eine dunkle Ecke und weint. Es muß ihr da in ihrer Jugend 'was Liebes abhanden gekommen sein. Die Leute /99/ versichern wenigstens, ihr Schatz habe sich in ein Erdweibl von da drunten her, das es ihm angethan, verguckt und Niemand wieder etwas von ihm gehört."

      „Aber kann der nicht auf andere Art verunglückt sein?"

      „Möglich; doch wahrhaftig, da kommen die Kreiser - das ist gescheidt, mir ist die Zunge schon ordentlich am Gaumen angetrocknet, und ein Schluck Bier wird uns jetzt nicht schlecht munden. Also erst frühstücken, und dann mit unserem Hirsch zu Thal, daß er zur rechten Zeit an Ort und Stelle eintrifft."

      Die Kreiser hatten ihre Zeit richtig eingehalten, ja waren eher noch eine Viertelstunde früher angekommen und sahen auch gleich an den grünen Brüchen auf den Hüten der beiden Forstleute, daß die Bürsche keine vergebene gewesen. Vor allen Dingen lagerten sich aber die Leute, denen sich auch die drei Mann Forstschutz beigesellten, im Schatten, um sich von ihrem mühseligen Marsch auszuruhen und einen Bissen zu essen. Dabei mußte Raischbach erzählen, wo er den Hirsch gefunden und wie er an ihn angekommen sei, was sie natürlich außerordentlich interessirte.

      Nach beendetem Frühstück brachen dann Alle der Stelle zu auf, wo der verendete Hirsch lag, der dort aufgeladen und dem Ort seiner Bestimmung zugeschafft wurde. Die beiden Forstleute schlenderten aber auf einem näheren Weg, von einem der Kreiser begleitet, der ihr „Jägerrecht"3 in einem Sack auf der Schulter mittrug, langsam nach der Forstei zurück.

      2.

      Die fremde Maid.

      Auf dem Heimweg an dem Nachmittag fuhr den beiden Forstleuten ein merkwürdig starker Rehbock über den Weg, /100/ aber so rasch und plötzlich, daß Keiner von Beiden im Stande war, auch nur die Büchse von der Schulter zu reißen. Wie ein Schatten sprang er über die schmale Schneuße und war auch im nächsten Moment schon in der dichten Tannendickung - einer jungen, aber schon ziemlich hohen und fast undurchdringlichen Anpflanzung - verschwunden.

      „Alle Wetter!" rief der Forstgehülfe ordentlich erschreckt aus; „hatte der aber auf. Das Gehörn allein wäre ja ein paar Karolin4 werth gewesen."

      „Ja," nickte der Alte, „es giebt hier oben ein paar Staatsböcke, ist ihnen aber verwünscht schwer beizukommen, denn so ein alter Racker ist schlau wie ein Fuchs, und auf's Blatt kommt er gar nicht, oder doch so scheu und vorsichtig, daß man ihn nie ordentlich zum Schuß kriegt. - Und den besonders, der uns da über die Schneuße setzte, den kenne ich ganz genau und bin ihm schon manchen schönen Morgen zu Gefallen gegangen. Freilich immer umsonst. Sie haben hier in den Dickungen drin zu gute Aesung und treten selten bei Tageslicht auf offene Schläge hinaus."

      Dem jungen Forstgehülfen ging aber der Bock den ganzen Abend im Kopf herum, er konnte das Gehörn nicht vergessen, denn solche Stangen hatte er an einem Rehbock noch gar nicht gesehen oder nur für möglich gehalten. Er beschloß auch deshalb, gleich am nächsten Tag einen Versuch zu machen, ob er den alten Burschen nicht vielleicht überlisten könne. Der war jedenfalls ein paar Gänge werth, und er durfte sich keine Mühe verdrießen lassen.

      Es war nicht so spät im Jahr, daß die Böcke nicht noch aufs Blatt5 gekommen wären, und gerade dort, wo er ihn gestern gesehen, begann er seinen Versuch, denn solche alte Böcke halten gewöhnlich ihr Revier und gehen selten weit von da fort, wo sie einmal ihren Aesungsplatz genommen. Aber er blattete vergeblich vier-, fünfmal an den verschiedensten Stellen. Der alte Bursche war entweder nicht in Hörweite, oder auch zu gescheidt und ließ sich nicht überlisten. Um aber nichts zu versäumen, blieb er nach jedesmaligem Blatten wohl /101/ noch eine Viertelstunde regungslos liegen und horchte, denn manchmal kommen sie angeschlichen wie ein Fuchs, und wenn der Jäger dann, in der irrigen Meinung, daß die Jagd vorbei sei, aufsteht und Geräusch macht, so hört er plötzlich das so heiß ersehnte Wild schrecken und in voller Flucht in das Dickicht hineinsehen, wonach er sich dann die Jagd auf lange Zeit verdorben hat.

      Mit dem Blatten war's nichts, das sah er endlich ein; der alte Bursche ließ sich nicht irre führen, und er versuchte es jetzt mit der Bürsche, wozu sich der Tag ganz besonders gut eignete. Es hatte die Nacht gewittert, und das Laub und Moos war noch feucht, so daß man den schleichenden Schritt des Jägers, wenn dieser nur vermied, auf trockenes Reisig zu treten, gar nicht hören konnte. - Aber es blieb Alles vergebens - zwei geringe Böcke hätte er allerdings schießen können, wollte sich indeß die Jagd auf

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